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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Gischler, W.: Geschmackswandlungen im modernen Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0199

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Halskette. Entwurf I. L. M. Lauwericks.

Abendmahlskelch. Entwurf I. L. M. Lauwericks.

Geschmackswandlungen im modernen Kunstgewerbe.

s ist merkwürdig, wie sehr die vorstehenden
Abbildungen nach Werken der Hagener Silber-
schmiede die Erinnerung an die Frühzeit der
modernen Kunst wachrufen. Einzelnes, wie der Becher,
scheint auf den ersten Blick dem „Jugendstil" nicht allzu-
fern zu stehen, und ich kann mir denken, daß mancher
das Blumengefäß daneben nicht ohne Bedenken an
dem dünnfädigen Henkel aufheben würde. Es bedarf
einer Umkurbelung unseres Gefühls,
bevor es an den offenbaren Ge-
schmack und die Logik dieser Dinge
kommt: Der Zustand ist interessant
genug, einmal nach seinen Gründen
zu sehen. Auch bevor wir zur Ent-
deckung des modernen Kunstgewerbes
kamen, gab es kunstgewerbliche Werk-
stätten — was ja manchmal ver-
gessen wurde —, und um das hand-
werkliche Können darin war es nicht
übel bestellt, vielleicht in einigen
Fällen besser als heute. Nur, daß
dieses Kunstgewerbe in den Ge-
schmack einer geistigen Mode geraten
war, die zum wiederholten Male Re-
naissance machte, getreu dem Winckel-
mannschen Grundsatz, daß unsere

einzige Möglichkeit, groß, ja womöglich unnachahmlich
zu werden, die Nachahmung der Alten wäre. Unsere
Kunstgewerbemuseen —die diesen: historischen Geschmack
ihren Aufschwung verdanken, waren zunächst Vorbilder-
sammlungen zu solcher Nachahmung. Gerade dadurch
schienen sie eine Zeitlang überflüssige Institute, näm-
lich damals, als der moderne Geschmack sich von heute
zu morgen auf eigene Füße stellte: Zufluchtsstätten
der letzten Romantik im Kunstge-
werbe. Um so kurioser ist es, zu
bemerken, wie diese Romantik nach
und nach auch den modernen Ge-
schmack wieder durchsäuert hat, wie
beispielsweise die Baukunst nach den
kühnen Versuchen der ersten Darm-
städter Ausstellung schrittweise in die
historische Haltung zurückgegangen ist
und wie manche Möbel bis zur
Imitation biedermeiern.
Die Ursache ist offensichtlich: auch
eine Zeit kann ihren Geschmack eben-
sowenig wie der einzelne von heute
zu morgen ändern oder bilden; und
was wir in den vergangenen andert-
halb Jahrzehnten zu leisten hatten,
war schließlich eine Neubildung des


Brosche. Entwurf I. L. M. Lauwericks.


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