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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Die Stuttgarter Kunst der Gegenwart
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Adolf Hoelzel als Zeichner
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Hans Peter Feddersen
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Schäfer, W.: Ein kritisches Mißgeschick
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0296

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Schönleber und Heinrich Zügel schon wieder abhöben. Die Kunst
ist nun einmal kein Gewerbe, nicht einmal so sehr eine Sache der
Bildung als der natürlichen und also volkstümlichen Lebensäußerung.
Eine Kunstschule in Stuttgart, auf die Wirkung dieser fünf Schwaben
gestellt, wäre sicher etwas Einseitiges, aber eben auch besonders
in der deutschen Kunst, wirklich eine moderne schwäbische Schule,
nicht unwürdig den alten, gewesen. Von hier aus gesehen, gewinnt
das Schicksal der beiden Frühgestorbenen, Pleuer und Reiniger,
einen tragischen Hauch, den man in dem melancholischen Pathos
ihrer Werke zu spüren glaubt. In einer heimatlichen Gemeinschaft
der angedeuteten Art wäre die überragende Größe ihrer Kunst
auch dem übrigen Deutschland früher sichtbar geworden; denn um
über sie, die Vollendeten, ein Urteil an dieser Stelle abzugeben:
es ist mir nicht zweifelhaft, daß sie zu den nicht eben zahlreichen
Malern in Deutschland um 1900 gehören, denen die spätere Kunst-
geschichte den Meistertitel zuerkennen wird.
Damit soll nicht etwa an den Berufungen eine versteckte Kritik
geübt werden. Was Kalckreuth, Grethe, Pankok, Habich, Hoelzel
und Fischer sowohl für die Kunstpflege wie für die Geltung Stutt-
garts bedeuten, das wird auch der verbohrteste Partikularismus
nicht leugnen wollen; daß es die Stadt vermochte, diese Kräfte
fast gleichzeitig anzuziehen, wird immer ein Ruhm für sie bedeuten,
wenngleich der Hauptteil davon jener Stelle gebührt, die durch
diese Berufungen aus der schwäbischen Residenz einen Brennpunkt
des deutschen Kunstlebens machte.
Uber das Werk als solches ist zu sagen, daß es mit seinen
39 Farbtafeln, 12 Gravüren, 36 Kunstdrucktafeln und 229 Text-
illustrationen einen überaus gediegenen Eindruck macht, den
üblen Charakter eines Prachtwerks vermeidet und somit zur An-
schaffung jedem empfohlen werden kann, der sich irgendwie für
Stuttgart und die schwäbische Kunst der Gegenwart interessiert.
S.
Aadolf Hoelzel als Zeichner.'
Es kann auch dem Laien nicht verborgen bleiben, daß sich
die europäische Malerei der Gegenwart in dem ungewöhnlichen
Zustand befindet, die Grundlagen ihrer bisherigen Entwicklung
zu revidieren. Bis zu den Impressionisten, wenn man will bis zu
van Gogh und Cözanne, hat diese Entwicklung eine immer engere
Annäherung an die Natur erstrebt; nicht im landläufigen Sinn
des Naturalismus, sondern im Bewußtsein des Bildproblems:
Raum in der Fläche zu geben. Die Illusion des Raumes war,
von der zeichnerischen zur malerischen und impressionistischen Dar-
stellung, das leidenschaftlich erstrebte und auch wohl erkämpfte
Ziel der modernen Malerei; und nur nebenher vollzog sich die ein-
same Arbeit von Feuerbach, Maröes, Puvis de Chavannes: aus
dem Raumproblem die dekorative Gestaltung der Fläche in monu-
mentaler Größe zu gewinnen; bis auch diese Absichten in Ferdinand
Hodler zu einem modernen, also selbständigen Ziel kamen. Heute
kann man die europäische Malerei der Jüngsten als eine einzige
Komponierschule bezeichnen, die im Kubismus und Futurismus
zwar ihre merkwürdigen Abschweifungen hat, aber nach der natura-
listischen Bemühung dreier Jahrhunderte um die Illusion des Rau-
mes die dekorative Gestaltung der Fläche mit Leidenschaft aufgreift.
Vielleicht wird es einmal für die Kunstgeschichte eins der
interessantesten Probleme sein, wie diese Bewegung gerade im
germanischen Volkstum ihre Stützpunkte fand; dabei würde dann
Adolf Hoelzel und seine Schule in Stuttgart als der erste Versuch
gelten müssen, ihr ein theoretisches Rückgrat zu geben. Insofern
wird man die kleine Schrift von vr. Hans Hildebrandt über „Adolf
Hoelzel als Zeichner"* unter den Dokumenten buchen können. Auf
34 Seiten, durch Abbildungen Hoelzelscher Zeichnungen wirkungs-
voll unterstützt, gibt sie eine Darstellung seiner zeichnerischen Be-
mühungen um eine dekorative Ausgestaltung der Fläche. Der
Autor zeigt sich mit den Absichten des Stuttgarter Lehrmeisters
durchaus vertraut, auch ist er wissenschaftlich gebildet und schrift-
stellerisch genug begabt, um diesen Absichten ein Interpret zu sein,
was bei dem überlieferten Zustand der Kunstschriftstellerei in
Deutschland immerhin nichts Geringes ist. Wenn seine Schrift
auch schon von den Kunstfreunden und Künstlern unserer Zeit
gelesen würde, hätte die Zeit einen sicheren Gewinn davon auf
einem Gebiet, dem es an allgemeinem Interesse nicht mangelt,
wohl aber an Einsicht und wirklichem Verständnis. S.
* Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart.

ans Peter Feddersen.
Im Verlag von Meyer L Jessen, Berlin, ist eine Mappe
mit 48 Tafeln (darunter sieben farbigen) und einem einführenden
Text von Gustav Schiefler erschienen, die den nordsriesischen Maler
als einen Heimatkünstler in einem andern als dem landläufigen
Rang vorzustellen versucht:
„Wenn jemand einen elsässischen Schriftsteller deshalb schätzt,
weil er in alemannischer Mundart schreibt, oder einen pommerschen
Maler, weil er seine heimatlichen Fluren schildert, so fördert er
nicht die Kunst, sondern die Mittelmäßigkeit. Fontanes Wande-
rungen durch die Mark stehen nicht deshalb so hoch, weil er ein
Märker, sondern weil er ein Dichter war; nur die Qualität des
Schaffenden entscheidet, nicht der Stoff.
Aber ein Künstler mit starkem Heimatsinn fühlt sich von hei-
mischen Stoffen, von den Umgebungen und Verhältnissen, die
ihm von Kindheit an vertraut sind, am stärksten angezogen, und
seine Gestaltungskraft kann sich an ihnen am vollsten auswirken.
Je mehr in ihm die Charaktereigenschaften seines Stammes lebendig
sind, um so lieber wird er die Besonderheiten seiner Heimat zum
Gegenstand seines Schaffens machen."
Im Sinn dieser klugen und kaum bestreitbaren Sätze versucht
Schiefler seinen Landsmann Hans Peter Feddersen als einen
„Heimatkünstler ersten Ranges" zu beweisen, und wem es an allzu
vieler und leichtfertiger Kunstschreiberei in Deutschland übel ge-
worden ist, der möge seine schlichte und jeder hitzigen Lobrednerei
entfernte Abhandlung lesen.
Natürlich würden diese Sätze nicht so überzeugend wirken,
wenn nicht die 48 Abbildungen ihnen die Überzeugungskraft gäben.
Es wird aufmerksamen Lesern unserer Zeitschrift nicht entgangen
sein, daß ich seit einem Jahrzehnt gern die Gelegenheiten benutzte,
um auf den Einsiedler im Kleiseer Koog als einen der Wenigen
hinzuweisen, deren Malerei ihr persönliches wie volkstümliches Eigen-
tum ist. So manches ich seitdem von ihm sah und so sehr er mich
einigemal, namentlich mit Bildnissen von einer zu akademischen
Fertigstellung, enttäuschte: im ganzen hat meine Schätzung seiner
Kunst keinen Schaden gelitten: immer wieder stand wieder ein Bild
von ihm da wie eine Vision — nicht eine Abmalung — der friesischen
Landschaft. Man besinne sich, wie wenig Maler das vermögen:
zum ersten zu einer persönlichen Sprache zu kommen, zum zweiten
aber mit dieser Sprache etwas nicht nur für ihr Temperament
Gültiges zu sagen. Hans Peter Feddersen ist einer von diesen,
darum freue ich mich über das Werk und darum möchte ich, daß es
auch andere Freunde fände. S.
in kritisches Mißgeschick.
In der vorigen Nummer (S. 244) habe ich Hermann Hesses
„Aus Indien" besprochen, ein Buch, das mir lieb ist und in seiner
Art bemerkenswert scheint: indem cs sich angenehm von dcr welt-
reisenden Literatur unserer Tage absondert. Für mein Gefühl
bringt diese von einigen Verlagsanstalten besonders gepflegte
Feuilletonisterei aus allen Weltteilen eine Überheizung in unsere
Literatur, die mehr mit der „Woche" und dcm Kino als mit der
Dichtung zu tun hat. Um so sympathischer war ich von den Reise-
notizen Hermann Hesses berührt, der auch in Indien kein Filmband
wurde, sich nicht in ekstatischen Sensationen der fremden Welt ver-
zückte, sondern immer der kluge von Weltschmerz geplagte Schwabe
blieb, als den wir ihn aus seinen Büchern kennen.
Mein Mißgeschick aber wollte, daß ich mit seinem Buch auf
die Reise ging und unterwegs wiederholt in eine Polemik mit
moderneren Geistern geriet, die mir meine Vorliebe dafür als alt-
modisch ankreiden wollten. So wurde meine Besprechung mehr
eine Auseinandersetzung mit diesen Einwänden als dem Buch selbst,
wobei mir noch die schriftstellerische Ungeschicklichkeit passierte, daß
die als Gegenbeispiel angeführten Mängel der weltreiscndcn
Literatur von einem raschen Leser auf das Hessesche Buch bezogen
werden können, was — wie ich leider aus manchen Äußerungen
entnehmen mußte — tatsächlich auch geschehen ist. Wie ich noch
einmal versichere, sehr gegen meinen Willen, da mir das feine Buch
lieb ist und meine Worte ihm Freunde werben sollten. Damit aber
auch dieses Bekenntnis nicht einem neuen Mißgeschick verfällt,
will ich ausdrücklich bemerken, daß der Dichter selber nichts damit
zu tun hat, daß ich nicht einmal weiß, ob er meine Worte las.
W. Schäfer.



Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düffeldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. ZanderS, B.-Gladbach.
Alle redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Rh. erbeten.
Kür unverlangte Manuskripte und Rezensionsexemplare wird keine Verpflichtung übemommen. Rückporto ist beizulegen.
 
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