Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

DOI Artikel:
Schmidt, Paul Ferdinand: Ein Landhaus im Taunus von Hugo Eberhardt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0325

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Hugo Eberhardt: Landhaus Hahn (Diele).

seiner brüchigen und porösen Oberfläche gibt so einer
Sockelwand einen ganz anderen Charakter von Festig-
keit als glatt behauenes Material; vor allem sind seine
Vorzüge vor dem Sandstein bedeutend. Sandstein ver-
langt, um nicht eintönig zu wirken, fast immer reich
durchgebildeten plastischen Schmuck, sei es ornamen-
taler, sei es figürlicher Art. Kalkstein dagegen kann
in rauhen Quadern, lediglich durch den Reichtum seiner
Oberfläche und die Schönheit in der Anordnung der
Schichten und einzelnen Blöcke, ohne weiteren Schmuck
eine Wand schön und interessant machen. Nur muß
der Baumeister gerade hier reinen architektonischen
Sinn entfalten, wo er mit dem Urmaterial die primi-
tiven Erfolge der Baukunst erzielen will. Wie monu-
mental dieses bloße Quadermotiv wirken kann, sieht
man an den Florentiner Palästen der Frührenaissance,
vor allen: an: Palazzo Pitti, der ein nie übertroffenes
Meisterwerk in dieser Gattung darstellt.
Das zweite Geschoß nebst den (Nebelwänden ist mit
Holzplatten in Schuppenform verschalt; und auch diese
Zusammenstellung kehrt bei Eberhardts Bauten mit Vor-
liebe wieder und verleiht ihnen einen besonderen leicht
erkennbaren Charakter. Dieses Schuppenkleid mit seiner
warmen Holzfarbe bringt einen Ton von Behaglichkeit
hinein, und die malerische Rauhigkeit seiner Oberfläche
entspricht, in einem feineren Grade, dem Hauptwobn-
geschoß sich anpassend, der unebenen Haut des Erd-
geschosses vortrefflich. Dazu kommt die Vorstellung
der Leichtigkeit, die das Holz gegenüber den: schwereren
Steinmaterial erweckt, um die Verschiedenheit der Stock-
werke und ihre Aufeinanderfolge durch richtige Ver-
teilung des Schwergewichtes zu betonen.

Die Fenster sind in Gruppen zusammengefaßt und
dadurch einheitlicher und ruhiger gestaltet. Sie sind
es, die den: Äußeren schon jenen hellblickenden und
freundlichen Glanz verleihen, der wie von einen:
Menscbenantlitz ausstrahlt; das schattende Dach über-
fängt sie schützend, und so erscheinen sie nicht als in Kauf
zu nehmende Übel von Durchbrüchen, die den: Innern
notdürftige Helligkeit zuführen sollen, sondern als not-
wendiger Bestandteil des Bauorganismus, lebendig nut
Mauer und Dach verwachsen und von Anbeginn an
als Wesensteil des Ganzen vorhanden. Man hat garnicht
das Gefühl, als ob sie Öffnungen in den Wandungen
wären, sondern sie bilden das Bindeglied zwischen Wan-
dung und Jnnenraum, den man plastisch durchfühlt
und als das Wesentliche sogar von außen her empfindet.
Es ist das nordische Gefühl, das hier sich klar aus-
spricht gegenüber der romanischen Weise, die Fenster
als Löcher zu betrachten und mit plastischen Umrah-
mungen als solche zu betonen. Wie schon in den:
spezifisch nordischen Stil der Gotik die Fenster zwar
sehr groß, ja allbeherrschend gebildet wurden, aber un-
verkennbar als raumabschließende Faktoren, als Ersatz
für die Mauer, so vollzog sich auch an: Ende des 19.Jahr-
hunderts der Bruch mit der italisierenden Stilimitation
an: sichtbarsten vielleicht bei der Bildung der Fenster.
Als man erkannt hatte, daß ein neuer Stil nicht durch
Reformierung der Ornamentik allein kommen konnte,
und sich zu strengen: architektonischen: Denken bekehrte,
da besannen unsere Künstler sich auch auf die eigent-
liche Funktion des Fensters und gaben ihn: seine Be-
deutung zurück; und Eberhardt war einer der Konse-
quentesten hierin, der als echter Baumeister erkannte,

Z05
 
Annotationen