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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Schäfer, Wilhelm: Eintwicklungsmöglichkeiten der modernen Malerei: (Eine Glosse zur Großen Kunstausstellung in Stuttgart)
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0344

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Entwicklungsmöglichkeiten der modernen Malerei.

Begeisterung.

Ferdinand Hodler.

dieser
unter-
ihren
macht

Grund ihrer einheitlichen Wirkung
bald zeigen. Genau so bestimmt,
wie sie die wilden Leistungen der
Jüngsten ausgeschieden hat, sind
auch die Altmeistereien von damals
sowie die nur gegenständlichen
Historien- und Genrebilder vermie-
den (vermieden, weil sie für die
akademische Kunst nicht mehr wie
jene noch nicht vorhanden sind).
Heute gültig, das zeigt diese Aus-
stellung bis in den letzten Winkel:
ist der malerische Stil, d. h. die aus
dem Gegeneinander von Licht- und
Schattenmassen entwickelte Bild-
komposition, die durch den Im-
pressionismus zu einer Aufhellung
und farbigen Durchbildung der
Schatten gekommen ist, ohne die
bequeme Dunkeltonigkeit ganz zu
verlassen. Wer im Sinn
Konvention ein Bild malt,
ordnet seine Gegenstände
Helldunkelwerten, d. h. er
aus diesen seine Aufteilung der
Bildfläche, ihre Dekoration; da diese
Dekoration aber nicht ihrer selbst
wegen da ist, sondern die Raum-
anschauung des Künstlers darstellen
soll in der Absicht, durch ihr rhyth-
misches Geheimnis den Beschauer
in diese Raumanschauung zurück-
zuzwingen: sind in diesem male-
rischen Stil Licht und Schatten die
Träger der Raumbildung. Alles
andere, Umriß der Gegenstände und
ihre Farbe, hat sich ihnen unter-
das handwerkliche Können darin, die körperlichen Erscheinungen und die Farbe

Alle Mittel der Kunst sind — sofern sie einmal durch das Genie erworben wurden — lernbar, nur letzten
Grundes ihre Anwendung nicht, weil sie an die Vision des schöpferischen Einfalls gebunden, also der eigentlichen
Begabung Vorbehalten ist. Insofern wäre es zuviel gesagt, eine Beherrschung der Mittel, wie sie an der Herterich-
schen „Kreuzabnahme" gezeigt wird, schon Können zu nennen, sie sollte richtiger Wissen heißen. Weil sich dieses
Wissen aber handwerklich darstellt, also mehr als Wissen ist, wird man es bei dem Können belassen müssen; nur
sollte der Unterschied von handwerklichem und schöpferischem Können recht scharf gezogen sein: So kommen wir dazu,
den Sprachgebrauch von der akademischen Kunst als gar keine schlechte Weisheit zu finden. In der Akademie werden
die Mittel der Kunst — soweit sie bis jetzt gebräuchlich sind — gelehrt und gelernt; alles, was nicht über dieses Wissen
um die Mittel und ihre handwerkliche Anwendung hinauskommt, ist Lehr- und Lerngegenstand der akademischen Kunst.
Nun ist es ohne weiteres einleuchtend, daß in einer Zeit wie der unseren, die mehr um die Heranbildung
als das Fortkommen der Künstler besorgt ist, in der sich der öffentliche Betrieb der Kunst hauptsächlich um die
Akademie dreht, sodaß eigentlich nur wenig anerkannte Künstler auf die Dauer einer Berufung als Lehrer entgehen:
daß in einer solchen Zeit das Lehr-
und Lernhafte der Kunst, das Aka-
demische daran in Blüte steht, d. h.
also, daß für das Wissen um die
Mittel der Kunst, für das hand-
werkliche Können gut gesorgt ist.
Es fragt sich nur, ob das der Kunst
im Ganzen so dienlich ist, wie der
Staat, also die Allgemeinheit, mit
der sorgfältigen Pflege der Kunst-
akademien zu glauben scheint, ob
nicht vielmehr — weil sich der Lehr-
und Lernbetrieb naturgemäß im
Gebräuchlichen entfalten wird — die
Konvention als Gegengewicht der
Entwicklung über Gebühr unter-
stützt wird?
Um darauf im Gebiete der
Malerei eine Antwort zu versuchen,
müßten wir wohl erst dartun, ob
überhaupt eine beherrschende Kon-
vention der akademischen Kunst zu
erkennen ist; und dazu erweist sich
eben die Stuttgarter Ausstellung
mehr als eine andere Veranstaltung
der letzten Jahre geeignet, weil sie
unter fast völliger Vermeidung des
nur Dilettantischen eine mit Sorg-
falt gemachte und mit Geschmack
angeordnete Auswahl der heute in
Deutschland anerkannten Malerei
darstellt. Wenn man ihr auf der
einen Seite eine Ausstellung der
achtziger Jahre und auf der andern
etwa die Kölner Sonderbund-Aus-
stellung des vergangenen Jahres
beifügen könnte, würde sich der
zuordnen und also besteht hierbei
ihrem Platz in der räumlichen Tiefe entsprechend richtig in das Helldunkelspiel einzubringen, wie die technischen
Ausdrücke lauten: die malerische Erscheinung der Gegenstände und den Tonwert der Farbe zu geben.
Dieser malerische Stil stellt die Erbschaft des 19. Jahrhunderts dar, das, was nach dem Abbruch der künst-
lerischen Tradition (anknüpfend an die alten Holländer) durch Constable und die Schule von Fontainebleau, durch
Mittet, Corot, Courbet und die Leiblschule als künstlerisches Handwerk zurückerobert wurde. Seine Herrschaft
bedeutet zugleich den Sieg einer künstlerischen Anschauung, mit der für die Entwicklung der europäischen Malerei
überhaupt erst wieder eine Grundlage gewonnen wurde; und nichts wäre bedenklicher als der Irrtum, als ob
dieser malerische Stil an sich schon gleichbedeutend mit akademischer Kunst wäre. Es kann einer so gut im
Namen van Goghs wie Cszannes oder Hodlers akademische Kunst, d. h. nur handwerksmäßigen Gebrauch der
künstlerischen Mittel treiben; entscheidend für den Wert eines Malers bleibt allein seine Kraft, ein bildliches
Thema zu finden und aus seiner Raumanschauung heraus im Sinn einer musikalischen Komposition als Flächen-
dekoration zu entwickeln. Altmodischer z. B. im naiven Gebrauch des Helldunkels kann man kaum sein, als der


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