Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

DOI article:
Schmidt, Paul Ferdinand: Ein Museum, wie es sein soll: Zur Neuordnung des Frankfurter Kunstgewerbe-Museums
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0408

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ein Museum, wie es sein soll.
da heißen: museale Sachlichkeit, Abwesenheit aller
kulturhistorischen Assoziationen, Einteilung in technische
und historische Abteilung.
Denn während man in Museen der vorangegangenen
Generation — als Beispiel diene das Bayerische National-
museum in München — den Eindruck zu erwecken ver-
suchte, als befände man sich in „stilechten" Räumlich-
keiten des 16. oder des 17. Jahrhunderts, hervorgerufen
durch malerische Anordnung und mit Zuhilfenahme
stilistischer Scheinarchitektur, vermeidet v. Trenkwald
jede direkte Anspielung auf den Stil der Zeit in den
historischen Räumen und gibt lediglich durch verschiedene
Tonfärbung der Wände, Differenzierung der Vitrinen-
materialien und der Aufstellung der Möbel, und durch
Zusammenstimmen der Gegebenheiten Stimmungswerte,
welche den Geist des alten Kunstgewerbes leicht betonen.
In den Räumen, welche die Gegenstände nach Techniken
geordnet beherbergen, herrscht vollends eine ganz sach-
liche Aufstellung, und in beiden Teilen ist es durchaus
erreichte Absicht, daß der Beschauer nie das Bewußt-
sein verliert, in Schauräumen zu wandeln, und daß das
Museumsmäßige sich niemals hinter dekorativer oder
häuslich-gemütvoller Aufmachung schamhaft versteckt.
Doch ist diese Sachlichkeit nicht als trocken zu denken.
Sondern mit dem Verständnis des Gelehrten für seine
Altertümer verbindet sich ein höchst kultivierter künst-
lerischer Geschmack, dessen Intentionen der ausführende
Architekt, Baurat von Hoven, in vollem Maße gerecht
geworden ist. Man wandert von Saal zu Saal, und
immer wechseln die Bilder, immer die Farbe, Beleuchtung
und dadurch hervorg,erufen die Stimmung des Raumes;
nie ermüdet das Auge, und der so reiche Wechsel in
der räumlichen Gesamterscheinung ist dennoch nur von
unbewußter Wirkung auf den Betrachter und zieht sein
Interesse niemals von den Gegenständen selber ab.
Die Ordnung ist so getroffen, daß man zunächst den
Mittelbau betritt und darin die modernen Zimmer samt
den Medaillen. Beiderseits schließt sich je ein Saal
mit Textilien an, nach der einen Seite Spitzen und
Stickereien, nach der andern die Stoffe; und dann
folgen in den Flügeln einerseits die historische und
anderseits die Ordnung nach kunstgewerblichen Techniken.
Auf der Seite der Techniken, die in den: neu ein-
geräumten Flügel Platz gefunden haben, herrscht eine
starke und klare Kontrastierung der einzelnen Säle nach
der Farbe ihrer Wände vor, die einheitlich, teils mit
Rupfenbespannung, teils mit Maueranstrich, ausgestattet
sind. Wegen der großen Raumhöhe sind die weißen
Decken heruntergezogen. So folgt dem grünen Saal
der Stickereien der weiß gestrichene des Schmiedeeisens,
diesem ein starkes Goldgelb im Raum der Kunsttöpfereien,
und nach einem vollständig getäfelten Renaissancezimmer
(aus dem Fürsteneckhaus in Frankfurt, von 1615) das
noble Dunkelblau hinter den schwarz polierten Schränken
mit Edelmetall. Und wie hier der Wandton und das
Vitrinenholz auf den Charakter der Werke abgestimmt
ist, so auch in den übrigen Sälen: Majolika in rot
gestrichenen Schränken, griechische Vasen und römische
Gläser in schwarz polierten Vitrinen vor dem gelben
Rupfen; das dunkle glänzende Eisen auf Eichenholz
montiert an ganz weißen Wänden; und im Stickerei-

saal das Schwarz der Schränke vor grünem Wand-
anstrich.
Die Ausgestaltung der Räume mit historisch geord-
netem Kunstgewerbe bot größere Schwierigkeiten. Denn
hier war nicht nur Farbe und Material nach der Ober-
fläche der ausgestellten Werke zu stimmen, sondern es
mußte auch ein leichter historischer Einschlag hinzu-
kommen: so unmerkbar nur angedeutet, daß nirgends
die Absicht, alten Stil vorzutäuschen, auch nur von
ferne sichtbar wurde. Der Museumsleiter bat beides
mit nie fehlendem Takte vereinigt, und die historischen
Zimmer sind wohl als sein Meisterstück zu bezeichnen.
Zu dem hochentwickelten Geschmack fügte sich das Wissen
des Gelehrten um den Geist der alten Epochen: ihr
Geist, nicht ihre äußeren Stilmerkmale, leitet mit einer
bezaubernden Überredungsgabe unbewußt und unver-
merkt die Sinne des Betrachters zu wahrer historischer
Würdigung.
So ist die Zeit der Gotik durch weißen Kalkanstrich
und einen zwischen zwei Raumteilen leicht gespannten
Rundbogen genügend bezeichnet: Chorgestühle, Bild-
schnitzereien, Truhen, kirchliche Geräte finden als Hinter-
grund einen fernen Nachklang weiß getünchter Pfarr-
kirchen des Nordens. Keine Spur von Stilarchitektur,
im ganzen und im einzelnen die größte Zurückhal-
tung. Und ähnlich ist es bei der Renaissance Italiens:
das satte Rot der Wandbespannung wie aus einen:
Florentiner Palast; die Möbel weit gestellt und an
den Wänden entlang, wie es der monumentale Sinn
der Italiener wollte, und in der Mitte, gleichsam umfaßt
von den Möbeln, eine Vitrine, deren Inhalt aus Lüster-
fayencen besteht und seine funkelnde Vorderseite dem
Licht zuwendet. Daß man aber nie vergißt, in einen:
Museum zu wandeln, so trennen nur Scherwände von
V3 Zimmerhöhe diese und die folgenden Säle.
Die deutsche Renaissance ebenso wie die nieder-
ländische im vierten Raum erforderte einen neutraleren,
blaugrauen Rupfenton als Hintergrund für die dunklen
Eichenmöbel, denen sich eichene Vitrinen anpassen. Auch
im einzelnen ist dem derberen Charakter des nordischen
Kunstgewerbes Rechnung getragen, das deutsche Stein-
zeug in den Vitrinen auf Eichenholzbretter gestellt, das
Glas auf Naturleinen. Die Vitrinen sind überall mög-
lichst schmal gehalten; man soll den Objekten so nahe
wie möglich kommen. Besonders reizvoll wirken die
böhmischen Kristallgläser, die gegen das Licht gestellt
sind und ihre Facetten funkeln lassen.
Der Charakter des Rokoko — und ähnlich der des
Empire — ist durch eine zartblaue, senkrecht gestreifte
Stoffbespannung geschmackvoll angedeutet (nicht mehr).
Die weißen Vitrinen, die das Porzellan bergen und
Glasstreifen als dessen Träger haben, geben einen
wundervollen Kontrast dazu. Man betritt von hier
die Linel-Sammlung und wundert sich, inmitten der
sonstigen räumlichen Klarheit das alte Gedränge und
Häufen der verschiedenartigsten Gegenstände vorzu-
finden. Doch mußte diese der Stadt gehörige Sammlung
nach Stifterwillen so beisammen bleiben und versieht
unfreiwillig das Amt eines Gegenspielers, der zum Ver-
gleich herausfordert. Übrigens gibt es schöne Dinge
darunter, und es ist schade, daß sie die allgemeine

Z88
 
Annotationen