Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

DOI Artikel:
Schmidt, Paul Ferdinand: Jakob Nußbaum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0468

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Jakob Nußbaum.

zu deuten und den Duft der Atmosphäre durch Vibrieren der Töne, unklare Konturen und abgeftufte
Helligkeit anschaulich zu machen. Im Porträt dagegen scheint das nicht erlaubt. Die Auslösung
der plastischen Form durch das Licht hat allerdings bei der Darstellung einer bestimmten Persönlich-
keit ihre Bedenken. Es kommt jedoch darauf an, ob dem Maler die Wiedergabe des Persönlichen
nicht doch gelingt, und ob durch das „Zusammenwachsen" des Bildes im Lauf der Jahre nicht ein
Ausgleich stattfindet; schließlich auf den Standpunkt, ob ein Bildnis in erster Linie „sprechend
ähnlich" oder ob es zunächst einmal ein Kunstwerk sein soll. Und hierzu ist nun zu bemerken, daß die
„Ähnlichkeit" eines Menschen ein Begriff ist, der ganz wesentlich von der Verschiedenheit der betrach-
tenden Augen abhängt und nicht einmal durch die Photographie objektiv feftgeftellt werden kann
(nicht zwei Aufnahmen desselben Antlitzes decken sich!); da doch ein Mensch, je persönlicher er ist,
um so wandelbarer in Ausdruck und Gesichtszügen sein wird. Der Künstler ist in erster Linie zum
Menschendeuter berufen. Über die bloße Ähnlichkeit der Stunde hinweg wird sein Bild uns den
wahren Querschnitt der Persönlichkeit offenbaren, und je größer seine Kunst, je tiefer somit auch
seine Einsicht in Menschliches ist, um so echter wird die Quintessenz sein, die er von einem Zeit-
genossen auf die Leinwand bannt. Was bedeutet diesem wahren Anschauen gegenüber der Unter-
schied pastoser oder fein modellierender Technik? Holbein und Franz Hals stehen gleich hoch als
Menschenschitderer vor dem Richterftuhl der Zeit, und kein Freilichtporträt, das als Kunstwerk
Bedeutung besitzt, wird seiner Technik wegen ein Gran von seinem Darftellungswert verlieren.
In den letzten Jahren hat sich Nußbaum viel mit Lithographien beschäftigt, Landschaften und
Bildnisse auf den Stein gezeichnet nnd in tiefen schwarzen Tönen abgezogen. Von seiner Reise
nach Teneriffa brachte er gar eine Mappe mit dreißig Blättern heim. Die Kunst des Andeutens,
des weisen Verschweigens von alle dem, was das Auge sich mühelos von selbst ergänzt, macht diese
Blätter zu wertvollen Dokumenten graphischer Ausdrucksweise schlechthin. Man kann fast sagen, in
der Schwarzweißkunft gelten keine Grenzen der Kunftbekenntnisse. Ob impressionistisch, ob expressio-
nistisch: Die Gabe des Zeichners, schlagend und knapp das Wichtige zu sagen, entscheidet allein und
nähert die Technik aller Zeiten und Richtungen einander in merkwürdiger Weise. In diesem Sinne
sind Nußbaums Lithographien zeitlos, in sich vollkommen; wir grüßen Meisterwerke in ihnen.
vr. Paul F. Schmidt.


Jakob Nußbaum.

Straße im Winter.
 
Annotationen