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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Benn, Joachim: Das Kölner Museum für ostasiatische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0478

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Chinesische Tonfigur. Grabfund. 6.-9. Iahrh.

Amida. Holz, Japan. Fujiwara-
Periode. 9.—10. Iahrh.

schönsten des ganzen Muse-
ums sind, fassen für die drei
Länder die eigentlich bud-
dhistische, also die sakrale
Kunst in Malerei und Plastik
zusammen: Anstatt griechi-
scher Götter aus Marmor
oder bemalter Holz- und
Stuckfiguren von Christus,
Maria und den Heiligen
stehen in Glaskästen in sitzen-
der oder stehender Haltung
hier Statuen von buddhisti-
schen Gottheiten und Anhän-
gern Buddhas aus Holz mit
Resten von Vergoldung, zürn
Teil mit Lack überzogen; da-
zwischen Hängenminiaturhaft
feine, weihrauchgeschwärzte
Göttermalereien auf Seide
mit Brokatumrahmung. An
schließen sich drei japani-
sche Originalräume aus rei-
chen japanischen Klöstern, die
zeigen sollen, wie man sich
die japanischen Arbeiten in
ihrem ursprünglichen Rah-
men vorzustellen hat; man
sieht unter den flach kassettierten Decken
auf zwei Seilen die kostbar bemalten
mehrteiligen Schiebetüren, die die ver-
schiedenen Räume gegeneinander trennen,
mit den Luftgittern dazwischen, auf der
einen Awischenseite die großen runden
oder kielbogenförmigen Fenster, die ver-
gittert sind, und die anderen, die mit
Papier verklebt sind, auf der gegenüber-
liegenden Wand die Bildnische, in der
dieses merkwürdig ästhetische Volk über
einen kunstgewerblichen Gegenstand wech-
selnd seine Bilderrollen aufhing, daneben
die Nische für Schränkchen und Wand-
bretter. Der Nest dieses Stockwerks und
die übrigen beiden führen nacheinander
die weitere chinesische Malerei, die lama-
istische Kunst, chinesische Bronzen, Cloi-
sonne-, Lack-, Glas- und Elfenbeinarbeiten,
Keramik, die spätere koreanische Kunst,
schließlich die gesamte japanische Kunst mit
der sehr umfangreichen Sammlung deko-
rativer Wandschirme und den Farben-
holzschnitten und Stoffen vor. In einem
Untergeschoß sind noch die Ballkeramik
und einige Nachbildungen klassischer Pla-
stiken untergebracht, die, unter staatlicher
Aufsicht stehend, nicht ausgeführt werden
können, auch äußerst sorgfältige Nachbildun-
gen alter Fresken. — Da die ältesten
chinesischen Bronzen bis in das zweite
Jahrtausend v. Chr. zurückgehen, ist es
eine dreitausendjährige, immer eine weit

mehr als tausendjährige Ent-
wicklung, die einem in diesen:
Schatzhaus schöner Dinge
einer fremden Kunst vor-
geführt wird. So groß die
ästhetischen Freuden sind, die
einem hier zuteil werden,
ist darum das erste und un-
mittelbarste Erlebnis, das
man hat, wenn man diese
Räume durchwandelt, doch
nicht eigentlich ein ästheti-
sches, sondern ein seelen-
geschichtliches: Vor unseren
Augen geht wie sonst ein
einzelnes menschliches Indi-
viduum, eine Völkergruppe,
durch seine Lebensalter, und
in dreitausend Jahren be-
wahrt sie, von den ober-
flächlichen Unterschieden ab-
gesehen, die sich an die ver-
schiedenen Altersstufen knüp-
fen, dieselben Grundeigen-
schaften, mit denen es be-
gann, sodaß die letzten Ar-
beiten noch immer unmittel-
bar auf die ersten zurück-
weisen. Das hat etwas wahrhaft Geister-
haftes. Es gibt wohl auch noch ander-
wärts lange Entwicklungslinien; wenn die
der deutschen Kunst allein sich nach den
vorhandenen Denkmälern nicht mit der-
jenigen der chinesischen Kunst messen kann,
so doch die der europäischen Kunst, allein
da ging die wesentliche Entwicklung immer
von der einen Völkerindividualität auf die
andere über, sodaß keine einheitliche Ent-
wicklungslinie entstand. Am meisten Ähn-
lichkeit hat der geschichtliche Verlauf in
der Entwicklung der chinesischen Kunst noch
mit demjenigen in Ägypten, aber in der
ägyptischen Kunst hat es wieder zwischen-
her Zeiten vollkommenen Niedergangs
gegeben. Eine so lückenlose Entwicklung
wie in Ostasien gibt es tatsächlich nur ein-
mal, und es kommt nicht wieder vor, daß
eine Volksgruppe, so wenig von außen
her beeinflußt, seine Anregungen immer
wieder und wieder aus der eigenen Urart
genommen hat.
Und was für eine Völkerseele ist das,
die in mehrtausendjähriger Entwicklung
dem ewigen und objektiven Gesetz der
Schönheit, der der Menschheit eingeborenen
Idee der Harmonie ihre eigene An-
schauungsart untergelegt, diese Idee gleich-
sam mit ihrer eigenen Wesensart gefärbt
hat, sodaß Kunstwerke entstanden, die
als menschliche wohl von allen Menschen
zu verstehen, doch ihre ganz persönliche

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