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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Benn, Joachim: Das Kölner Museum für ostasiatische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0482

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kompliziert. Die Bil-
der der ersten Peri-
ode, als der archaisch-
streng stilisierenden,
sakralen, mit Wasser-
farben oder Tempera
durchweg ans Seide
gemalt, stellen die-
selben Götter, Göt-
tinnen und Priester
dar wie die Pla-
stiken, auch entweder
in stehender oder
sitzender Stellung.
Die strenge Stilisie-
rung, die den einzel-
nen Körper mit sei-
nem Gewände in ein
ornamentalesSchema
verwandelt, erstreckt
sich auch auf die Ge-
samtkomposition, in-
dem die dargestellte
Figur vielfach in einen Kreis oder ein Oval gestellt
wird, sodaß das Bild rein ornamentalen, dekorativen
Charakter bekommt. Diese Figur ist zuerst ganz zentral
hingestellt; wenn mehrere Figuren auf einer Flache sind,
sind sie in einem regelmäßigen Dreieck angeordnet, doch
verschiebt sich das allmählich, während gleichzeitig die
delikat abgestimmten, ganz sanft gegeneinandergestellten
Farben langsam schärfer gewählt werden. Sehr schöne,
klassisch große Stücke aus dieser
Periode sind etwa Bilder des
Myroku Bosatsu (8. Jahrhundert),
der Göttin Kichijoten (1000), des
Amida mit Kwannon und Seishi
(10. bis 11. Jahrhundert), des
Kongodoji (12. Jahrhundert). —
Eine zweite Epoche möchte man
dahin bestimmen, daß die orna-
mentale Bindung sich auf die
Einzelheiten beschränkt, während
sich die Gesamtkomposition mehr
der Wirklichkeit nähert; während
der Blick vorher innerhalb der
ornamental gebundenen Gesamt-
komposition wie auf einem Minia-
turbild von Einzelheit zu Einzel-
heit gehen mußte, um sich an ein-
zelnem zu erfreuen, faßt er jetzt
sofort die Gesamtkomposition auf,
die mit wenigen Strichen hin-
gesetzt ist, wodurch sich die ost-
asiatische Kunst mehr der euro-
päischen Malerei nähert, beson-
ders der europäischen Bildnis-
malerei. Zwar die große Dar-
stellung von Buddhas Tod, eine
vielfigurige Tafel nach der Art
Breughels, wenn auch im einzel-
nen sehr streng stilisiert, ist noch ein-

mal eine übermäßig
vergrößerteMiniatur-
malerei, aber schon
das Bildnis der Göt-
tin Monju aus der
Sung-Dynastie (960
bis 1280), dann das
der Reishojo (1238
bis 1368), das Sugi-
wara-Porträt aus Ja-
pan und mehr als alle
anderen das zweite
Bild der Monju aus
dem 14. Jahrhundert
sind Arbeiten, die trotz
ihrer ostasiatischen li-
nearen Stilisierung
immerwährend an
Lionardo oder andere
Meister der italieni-
schen Renaissance ge-
mahnen. Und ganz
direkt auf Holbein
weisen gewisse Porträts der Tosa-Schule in Japan im
16. und 17. Jahrhundert, in denen diese ostasiatische
Bildniskunst bei noch klassischer Haltung zum letzten
Raffinement des Geschmacks kommt, etwa das Brust-
bild des indischen Patriarchen Dharma im roten Mantel,
oder das des Feldherrn Hideyoshi. — Die stilisierenden
Tendenzen, die noch in solchen Bildern der profanen
Kunst stecken, zeigen sich auch in Darstellungen aus dem
Naturleben, etwa in dem weißen
Falken des Kaisers Hui-Tsung
(1101 bis 1126), dessen fast my-
thisch berührende Größe in der
Stilisierung in der ostasiatischen
Kunst nicht mehr verloren ge-
gangen ist, auch in der Herbst-
landschaft von Pang-Shih-Pen
(1143), in der schon viel von der
japanischen dekorativen Malerei
vorweggenommen ist. Daneben
läuft eine Richtung der Tu sch-
mälerest die, weniger stilisierend,
mehr auf das Malerische, Tonige,
Duffe, auf das Spiel von Schatten
und Licht aus und also viel rea-
listischer ist, sodaß sie an die
Niederländer erinnert; ganz nie-
derländisch ist etwa ein chinesisches
Pferd in getönter Malerei, nieder-
ländisch doch auch die große Tusch-
Landschaft aus der Ming-Dynastie
(15. Jahrhundert)von zwei Weisen
unter einem Baum. Aus dieser
Tuschmalerei, die auch in Japan
große Meister hatte, hat sich die
ostasiatische Schwarz-Weiß-Male-
rei entwickelt, die besonders stark
auf Europa gewirkt; wenn schon
die Tuschmalerei viel Jmpressio-

Tempeldachziegel. Vom Pferd sinkender, verwundeter Held.
China, Ching-Dynastie. 1368—1694.


Setzschirm. Tuschmalerei auf Goldgrund von Kano
Korenobu. Japan, Ende 18. Jahrh.


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