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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Januar
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N» 8. ' Mittwoch, 8. Januae

' Befiellungen auf die Heidel-
beraer Zeitung für das erste Luartal
iverden fortwährend bei den auswä«-
tigen Postämtern angenvmuren, für
Heidelberg bei der Expedition.

-sv Politifche Umschau.

(Schluß.)

Uebri.qens gilt der allgemeine Gemeinplatz:
„Aufqeschoben ist nicht aufgehoben" in vollem
Maaße von unserer jetzigen politischen Lage,
unv es wäre thöricht, da die endliche Ent-
scheidung der drohenden Weltkrisis sich ver-
schiebt und in die Länge zieht, sich einer trüge-
rischen Ruhe und einer lethargischen Apathie
hingeben zn wollen.

Faffen wir AÜes zusammcn, so schließt bas
Iahr 1861 jcdenfalls mit viel drohendern Zei-
chen, als solche bei beffen Anfang vorhanden
waren. Die herben politischen Gegensatze be
ginnen härter an einander zu gerathen, die
ungelösten Fraqen formuliren sich schärfer und
dringen auf Entscheidung, die unfertigen Zu-
stände erheischen Vollendung, und ein Hinaus-
ziehen bes auf so vielen Halbheiten beruhen-
den Stcrtus quo ist auf die Dauer nicht überall
mehr möglich. Am augenscheinlichsten treten
diese Zustände in dem neugcschaffenen Könlg-
reiche Italien hervor,. welches im Laufe des
vorigen Iahres den vielgewandten Cavour
verloren hat, der, wie man vielseits voraus-
sagte, und wie sich nun in der That immer
mehr und mehr bewährt, vielleicht allein im
Stande gewesen, das Staatsschiff zwischen so
vielen Klippen glücklich hindurch zum sichern
Porte zu leiten. Die mehrfach von uns be-
sprochenen Zustände in Venetien, Nom und
Neapel weisen nur allzu deutlich auf diese
Thatsachen hin, und zeigen uns das jetzige
Verhältniß der Cavour'schen Schöpfnng so
recht als ein zwischen Thür und Angrl befind-
liches. Die dortige Krise, verbunden mit der
unsichern Lage so mancher andern Staaten
und Länder der alten und neuen Wclt, die
sich zu einer allgemeinen Weltkrise zu gestalten
droht, ist schon an und für sich geelgnet, die
ernstesten Betrachtungen in uns wach zu rufen.

Hierzu kommen die meteorgleichen Jmpro-
visationen des Buonapaxtismns, zu denen man
sich.gerade in kritischen Momenten immer am
ehesten versichern muß und in dencn der Onkel
wie der Neffe vielmals das Recept gefunden
hat, die Nation über ihre innere Krisen hin-
wegzureißen. Es ist .daher ganz natürlich,

daß die geqen Ende des abqelaufenen Iahres
enthüllte Finanz - Calamität des Kaiserreichs
ebenso qut als ein kriegvrohendes, wie ein
friedliches, Vorzeichen in unserer Preffe ge«
deutkt wurde. In erster Linie ist sie frei-
lich sehr frieblicher Natur; es können aber
Umstände eintreten, die sie zu einer sehr
kriegdxohenden machen, und solche Umstände
sind jetzt schon wieder in Menge hervorge-
treten. Wir rechnen dahin außer der schwan-
kenden, unsichern Lage Italiens insbesondere
die wo möglich lwch bedenklichern Verhältniffe
dsss eurapäischen Orients, die sich seit dem
Tode des vorigen Sultans noch verschlimmert
haben, so dqß man jetzt wieder, wie zu An-
fang des vorigen IahreS er'nem allgemeinen
Nevolutionskriege im Süden nnd Südoftcn un-
seres Welttheils entgegensieht, nur mit bem
Unterschiede,- daß hierfrir dre Zustände in Ita-
lien, wie im Oriente, jetzt reifer geworden
sind, und die piemontesische Regierung und
ünter Umständen selbst daü Tuilerienkabinet
sich nicht ernstlich entgssgenstemmen wird. Frei-
lich aber sind es die neu hinzugekommeneu
Vorgänge im Westen, durch welche der dem
Buonapartismus das Gleichgsswicht haltenbe
Einfluß Englands auf die europäischen Ange-
legenheiten unter Umständen auf längere Zer't
neutralisirt werden und die Tendenz des Buoua-
partismus daher freie Hand bckommen könne.
So lange England seine Flotten gegen die
amerikanischen Kaper und seine Truppen in
Canada braucht, wird es sich weder für die
Erhaltung Venedigs und Ungarns für Oester-
reich, noch für die Erhalrung Spriens für
die Türkei anstrenqen. Und hier ist nun auch
der plvtzliche gegen Ende des vor-igen Iahres
stattgehabte Tod dcs Priuzcn Albert als cin
nicht unwlchtiger Moment oer gegenwärtigen
Krise zu erwähnen. Der Prinz-Gemahl von
England, obwohl freisinnigen Grundsätzen
huldigend, galt allgemein unv nicht mtt Un-
recht in den politischen Kreisen als ein con-
servatives Gegengewicht gegen bie beiden alten
Feuerbrände Palmerston unb Nuffell, welche
Englands aüswärtige Politik jetzt unumschränkt
beherrschen. Von ihnen dürfte, falls es Na-
poleon gefqllen sollte, für eine volksthümliche
Sache, etwa für die Befreiung Venetiens
Krieg anznfangen, wohl am wenigsten Ein-
spruch zu erwarten sein. — In Frankreich ist
als bedeutungSvolles Symptom noch hervor-
zuheben die allmähliche Bildung und Erstar-
kung einer gewissen, dem Buonapartismus
fssindlich gegenüberstehenden öffentlichen Mei-
nung, die sich besonders in einzelnen Anläufen

ZnskrtionSgebühren für die Zspalti^ge Petit-

verschiedener Organe der Preffe zu einer grö-
ßern Selbstständigkeit kundthut. Wenn Na-
poleon baher durch seinen Minister des Aeu-
ßern, Thouvenel, den zwischen England und
Amerika entbrannten Zwist zu vermitteln suchl,
so hat er, wie in allen solchen Fällen das Unglück,
daß man seinen Absichten entschieden mißtraut,
und eben diesevermeintlichen Friedensbestrebun-
gen für weitere Vorboten des Krieges hält.
Doch ist aus anbern Grunden, nemlich in Folge
eines in ben letzten Tagen berichteten theil-
weisen UmschlageH der Stimmung im Congreffe
und im Volke Nordamerika's wieder einige
Hoffnung vorhanden, daß wenigstens ein von
so unendlichen Nachtheilen für das materielle
Wohl und die politische Entwicklung begleite-
ter Krieg zwischen jenen beiden Staaten ver-
mieden werde. Die Union hat ohnebem voll-
auf mit ihrem innern Feinde zu schaffen, ba
sich bekanntermaßen, wie in unserm Blatte
schon erschöpfenv besprochen worden ist, aus
den ersten offenen Anzeichen einer Trennung
zu Anfange des vor. Jahres und den dama-
ligen Ausfällen des Staates Süd-Carolina cine
völlige Spaltung der Union in zwei Hälften,
verbunden rnit einem blutigen Bürgerkriege,
entwickelt hat. — Gleich diesen Ereigniffen
im ferneu Westen haben wir die nicht minder
wichtigen Vorgänge im Osten, wie in Nußland,
Polen u. s. w., wo in letzterer Zeit eine
äußcrliche Nuhe eingetreten ist, bereits beson-
ders besprochen. — Am glücklichsten mögen
diejcnigen Staaten erscheinen, von denen es
überhaupt nicht viel zu berichten gibt, wie
Belgien, Holland, bie Schwciz (mit Ausnahme
der Dappeuthalsaffaire) und im fernen Nor-
den Schweden und Norwegen. Doch macht
sich selbft bort, wiewohl auf rein geistigem
Gebiete, die fchon früher aufgetauchte Ibee
deS SkandinavcnthumS (worüber wir uns ge-
legentlich noch besonvers näher äußern wer-
den) immer mehr geltend, unv der Buanapar-
tismus hat, gestützt auf ältere Traditionen/
in seinem Trachten, die Mächte des zweiten
Ranqes für sich zu gcwinnen, im Laufe des
vorigen Sommers selbst bis dorthin seine Fühl-
hörner ausgestreckt, und eine sinnische Frage
zu schaffen versucht.

Des in einem erneuerten Aufschwnnge be-
griffenen Spaniens, längere.Zeit für uns
eine terra inooKmta, werden wir demnächst in
einem besonderen Artikel näher gedenken.

Eigener Herd.

Von Hermann Schmid.

(Fvrtsetzung.)

Bestürzt wichen die Landleute zurück; aber bald
wußte man Rath und versah sich mit einem lqn-
gen, in der Eile zugerichteten Baumstamme. Dieser
sollte als Werkzeug dienen, die Mauer einzustoßen',
drren Einsturz dann so leicht Niemand beschädigen
konnte. Bälthes sah dem Unabwendbaren gelassen
zu und benützte die Zeit, seinc Schußwaffen in der
Luke bereit zu legen. Es waren drei stattliche
Doppelbüchsen, hinreichend bei gehörigem Gebrauch
einer noch größeren Zahl den Eingang unmöglich
zu machen, da wcgen der Enge des Thorweges im-
mer nur Ein Mann dcnselben passiren konnte.

Jnzwischen war der Steinwall, von den Stößen
des Hebebaums erschüttert, mit mächtigem Gepraffel
zusammengestürzt, und als die aufgewirbelte Staub-
wolke sich verzogcn hatte, war der Zugang wohl
mit großen Trümmern überdeckt und mühsam, aber
offen. Oben lag Balthes in der Mauerluke und
hiclt dic Büchse im Anschlage. „Trane sich keiner

herein", rief er, „ich sag's zum letztenmal! Wer
hereinkommt, den lege ich nieder, als wenn er nie
gestanden hätt'. Jch fas'le nicht, sondern mirist's
blutiger Ernst! Kommt ihr daher und wollt mich
hetzen und jagen wie ein wildes Thier, so will ich
mich auch wehren wie ein wildes Thier!"

Noch einen Augenblick Stillstand brachte dieser
erneute Zuruf hervor — dann machten die Gens-
darmen und Gerichtsdiener sich bereit einzudringen.
Die Einen sollten, falls Balthcs seine Drohung
erfüllte, über den Gefallenen wegspringen, während
ein anderer den Schützen in der Mauerluke selbst
unschädlich machen wollte.

Ausganges für Balthes für immer vernichtete.

Da wurde von den BerghLngen herauf aus dem
Walde das laute angestrengte Rufen einer weib-
lichen Stimme hörbar. „Halt, hrlt, Balthes!"
rief es, „halt!" Alles wendete sich der Unterbrc-
chung zu, und nach einigen Secunden flog Loni,
das Kind am Armej den Berg herauf, ihr nach in
einiger Entfernung ein Mann in Jägerkleidung.

Loni hielt ein Papier hoch in die Höhe, winktc

damit und rief mit der letzten Anstrengung: „Eiu-
halten... um Gotteswillen, einhalten! Ich bringc
deu Befehl, daß man uns nichts thun darfl^ Da-
mit hatte sie den höchsten Punkt erreicht und sank
nun hart vor dem Thorwege, mitten zwischen den
kampfbereiten Parteien zusammcn.

„Eincn Befehl?" sagtc der Assessor gleichgültig,
als einer der Bauern ihm das von Loni überbrachte
Papier hinreichte. „Hier hat Niemand zu befehlen
als das Königliche Landgertcht." — Beim Anblick
des Blattes verstummte er ab,er und las mit et-
was gedämpfter Stimme: „Wenn die Seekirchner

nehmen wollen, so kann ich nichts machen, weil sie
das Recht dazu haben. Wenn sie aber dte Leute
aufnehmen, so werde ich sorgen, daß sie thr Fort-
kommen haben und Niemand zur Last fallen. Einst-
weilen soll man fie in Ruhe laffen. — Tegernsee
den - 1820. Mar Ioseph!"

„Max Joseph?" riefen dic Bauern verwirrt durch-
einander. „Was? Ein Befehl vom König?" —
„Wie kommst du zu Seiner Majestät?" fragte der
Assessor mit einiger Befangenheit.

„Wie ich zum König ßckommcn bin?" antwor-
 
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