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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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N 122


Sonntag, 23. Mai


L8«2.

Jtalren «nd die Actionspartei.

In demselben Auqenblicke, wo "man mit
Grund oder ohne Grund auf eine endliche
Lösung der römischen Frage ganz besonders
zählte, wo zugleich die italienische Regierung
alle Mühe anwandte,- Neapel vollstänvig zu
beruhigen — bietet auffallenderweise die
Actt'onspartei in Jtalien gleichsam alle ihre
Kräfte auf, um diese bereits halb erreichten
Erfolge zu hintertreiben: Sie appellirt, sehr
zur Unzeit, an den Haß der Römer gegen
Frankreich und fordert zugleich Oesterreich
zum Kampfe herans. Je ruhiger Neapel
wurde, desto unruhiger wurde die in der
Mazzini-Garibaldi'schen Kriegs- nnd Revo-
lutionspartei vertretene Opposition., bis sie
endlich anf den verzweifelten Gedgnken ge-
rieth, nach Welschtyrol einzufallen, oder mit
andern Worten, die Bewegung, die im Sü-
den ausgeht, in den Norden zu verpflanzen.
Stellt sich unter diesen Umständen die Sach-
lage nicht in der That so, heraus, als ob die
sogenannten Jtalienissimi' die besteu Verbün-
deten der Reaction wären?

Lant Angabe des Telegraphen ist das an
der Nordgrenze Italiens uuternommene Wag-
niß an dem raschen, energischen Einschreiten
der piemontesischen Behörden selbst gescheitert,
jedoch nicht ohne Blutvergießen. Ällem An^
schein nach sollte von Brescia aus, dessen
Einwohner ats muthvoll und ünternehmend
bekannt sind, ein Freischaärenzug nach Ty-
rol uuternommen, und Welschtyrol in Aufruhr
versetzt werden. Die Bevölkerung Brescia's
scheint mit den Garibaldi'schen Freiwilligen
sympathisirk zu haben, und Garibaldi.fclbst
har zu Gunsten seiner verhäfteten Freunde
bei der Regierung Einsprache eingelegt. Daß
diese das Gesuch abgewiesen hat, kann zu
einem Bruche führen, und den populären Ge-
neral aus seiner bis jetzt noch vermittelnden
Stellung mehr und mehr in das Lager Maz-
zini's treiben. Wahrscheinlich Ivar er an dem
Attentate auf Welschtyrol mehr oder wenigkr
selbst vielseitt'g betheiligt, denn das Bergland
im Norden Italiens, wozu er nach feiner
Geographie auch Südtyrol zählt, war ihm
immer besonders ans Herz gewachsen. Das
ganze Unternehmen scheint überhaupt nur
Has erste Aufschlagen der Flamme gewesen
zu sein, wozu seit Jahr und Tag aller Or-
ten in Italien schon der Zündstoff gelegt war.
Der für vertagt gehaltene Revolutionskrieg
gegen Venetien und die Lande jenfeits der
Adria sollte doch uoch in die.sem Sommer zu
Stanve kommen, und die Rundreise Garibal-
di's bezweckte mchr als bloße Demonstratio-
nen. Weitere Anzeichen stehen damit in Ver-
bindung: Zu gleicher Zeit meldet uns der
Telegraph einerseits von der Besetzung der
lombardischen Grenze durch österreichischeTrup-
pen, andercrseits aber von unruhigen Bewe-
gungen der Bewohner der schwarzen Berge
und der Insurgentcn auf der Ostseite dcs
adriatischen Meeres, sowie von einem crneuer-
ten Aufrufe Kossuths an die Bewohner der
untern Donau zur Gründnng einer magya-
risch - rumänisch - südslavischen Conföderation.
Wir zweifeln übrigens nicht daran, daß das
günze ilnternehmen — wie es in der Regel
allen Insurrectionen, die lange vorher ange-
sagt, und nicht das rasche Werk des entschei-
denden Angenblicks sind, ergeht — für jetzt
in Sand verlaufen wird und daß das Atten-
tat auf Südtyro! und Venetien vorerst ebenso
isolirt verbleiben wirv , wie der mißglückre
Aufstand in Nauplia. — Die nachchctligsten
Folgen hiervon werden aber zur Zeit Jtalien
selbst treffen; jedenfalls wird chie Regierung
Victor Emanuels in eine fehr unangenehme

und mißliche Lage nach Jnnen und Außen
kommen. Im Innern Jtaliens wird sich
die Kluft gegenüber der Actt'onspartei nur
erweitern. Dieselbe wird es nie vergessen,
daß italienisches Blut durch italienische Hände
vergoffen worden ist und die Negierung um
so mehr zuM Zuge gegxn die Adria hin drän-
gen, um in deren Wogen ihre vermeintlich
befleckten Hände reinzuwaschen. Es kann
möglicherweise gar zu innern Bewegungen
und förmlichen Aufständen gegen die Regierung
selbst kommen; und wahrscheinlich wird das
Hoflager von Neapel bald aufgehoben und
dit.Thätigkeit der Regierung auf näher lie-
gende Gefahren gelenkt werden. Was aber
die Verhältniffe nach Außen betrifft, so wird
man in England über den begangenen Gau-
nerstreich ungehalten sein, in Paris wird man
die seitherige Zauderpolitik in Bez-ug auf Jta-
lien damit rechtfertigen, in Wien wird man,
nicht mit Unrecht, über italienische Perfidie
flagen; in Petersburg und Berlin die Aner-
kennung des jungen Königreichs vertagen,
von Rom aber wird womöglich die Restau-
rationspolitik im Süden mit erneutem Eifer
aufgenommen werden.

Badischer Landtag.
Karlsruhe, 20. Mai. 21. öffentliche
Sitzung der I. Kammer. Vorsitz: Fürst zu
Löwenstein. Auf der Regierungsbank: Geh.
Rath Weizel und Ministerialrath Turban.
Discussion über den Commissionsbericht, das
Gewerbegesetz betr. Graf Hennin hält
eine neue Gewerbegeseßgebung für eine Noth-
wendigkeit und theilt die Beiorgnisse, die man
dagegen geltend gemacht, nicht. Man habe
zunehmende Verarmung gefürchtet; die deut-
schen Nachbarländer jenseits des Rheins, die
mit uns. gleiche Cultur und Sitten hälten,
stünden uns trotz der Gewerbefreiheit im
Volkswohlstande nich.t uach. Der Strebsame
werde jetzt ein rasches Aufkommen finden, der
minder Begabte werde als Gesell arbeiten ober
sich eincm andern Geschäft zuwenden. Daher
sei auch eine Verarmung weniger zu besorgen
als bisher, wo der einmal Meister Gewordene
es unter seüier Würdss gehalten habe, als Ge-
sell zu arbeiten oder ein anderes Geschäft zu
betreiben, und lieber sich auf die Wohlthätig-
keit seiner Mitbürger verlassen habe. Geh.
Rath v. Hirscher: Das Gesetz sei von un-
berechenbarer Tragweitc; es werde der Armuth
außerorden'tlicheu Vorschub thun. Der Staat
beruhe auf dem Mittelstand; dieser werde aber
zerstört, es gebe am Ende nur noch Neiche und
Arme, und die Sicherheit des Staates fei ge-
fährdet. Das Staatsideal der Neuzeit sei
als Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit formu-
lirt worden; die Staatsgesetzgebung sollte das-
selbe zu verwirklichen suchcn; dem Fabrikar-
beiter gegenüber könne man aber nicht von
Freiheit reden; der Ueberlegenheit des Ein-
zelnen gegenüber, der.ohne Schranken seine
Kräfte anch zur Unterdrückung der schwächern
Kraft brauchen könne, sei von Gleichheit, dew
loSgelaffenen Eigennutz gegenüber von Brüder-
Ijchkeit nicht zu sprechen. Or glaubt, jede
Kraft sollte nicht blos entwickelt und gebraucht
wcrden dürfen, sondern auch so gemäßigt wer-
den, daß die geringere Kraft neben ihr eri-
fiiren könne; denn der minder Begabte sei auch
ein Mensch, der eristiren wolle. Er fürchtet
auch für die Sittlichkeit, die mit dem Mittel-
stand zu Grunde gehen werde. Geh.-Nath
Weizel: Die sächsische Regierung habe den
Versuch gemacht, das Znnftwesen zu -reorga-
nisiren; der Versuch habe nur die Unmöglich-
keit der Reorganisation gezeigt und -zur Ein-
führung der Gewerbefreiheit geführt. Die

Gesetzgebung könne eben auf dem Gebiet des
Handels, der Jndustrie uud der Gewerbe keine
Schranken errichten für den fleißigen, intelli-
genten, sparsamen Gewerbsmann gegenüber
dem, der das nicht sei, damit das Mittel-
mäßige mit dem Guten concurriren könne.
Man könne das Publikum nicht zwingen, das
Schlechte statt des Guten zu nehmen. Man
könne auch dem Kapital seine Wirkungen auf
dem Gebiet der materiellen Jntereffen nicht
entziehen. Die Freiheit des Einzelnen werde
durch dieses Gesetz erst etwas Neales. Den
Kampf des Kleingewerbes mit dem Kapital
könne die Negierung nicht hindern; allein
wenn sie dem Gewerbsmann Gelegenheit gebe,
seine Thätigkeit auf allen Gebieten des gewerb-
lichen Fleißes zu entfalten, an allen Orten
auszuüben, mit seinen Produkken zn handeln,
unv so seine Kräfte zu steigern, so werde er
eher der Concurrenz entgegentreten können.
Wenn nun bisher, trötzbem, daß diese Freiheit
nicht gegeben und das Kleingewerb nach allen
Richtungen gebunden war, wenn trotzdem das
Kleingewerb sich etwas gehoben habe, so werde
es jetzt, wo ihm ein großes neues Feld der
Thätigkeit eröffnet worden, nicht in Armuth
versinken, und eine allgemeine Verarmung sei
nicht zu befürchten. Damit würden auch die
Befürchtungeu, daß die Sittlichkeit zerstört
werde, wegfallen; die freie Bewegung werde
zu Sparsamkeit, Arbeitsamkeit, Nüchternheit
führen, und das-seien die Grundlagen des sitt-
lichen Lebens. Dennig und Lauer können
gleichfalls die Befürchtungen über die Folgen
des Gesetzes nicht theilen. Geh. Nath From-
herz wünscht Ordnung des Patentwesens,
wo möglich die Constituirung einer Patent-
Centralbehörde für sämmtliche Zollvereins-
staaten. Geh. Rath Weizelr Der Bund
habe beschlossen, eine Commission von Sach-
verständigen über zwei ihm vorliegende Ent-
würfe über eine einheitliche Patentgesetzgebung
einzuberufen, und die Negierung werde dieselbe
beschicken. Alle Artikel werden nach dem Com-
missionsantrage angenommen. Ebenso bei § 23
der.Wunsch zu Protocoll: „Die Regierung
möge so bajd als thunlich einen Gesetzentwurf
über die Nechtüverhältniffe der Fabrikarbeiter
den Ständen vorlegen." Denselben unter-
stützen Frhr. v. Stotzingen und Hofrath
Bluntschli. Zolldirector Kirchgeßner
dankt dem Vorredner, unv unterstützt gleich-
falls den Wunsch. Ebenso Lauer und Neg.-
Nath Iolly. Geh. Nakh Weizel: Die
Regierung habe nichts Hegen diesen Wunsch zu
Protocoll einzuwenden; nur bedürfe es genauer
Prüfung und Erörterung der Frage, auch
müsse der Fabrikstanv selbst gehört werdeu.
Er sei es übrigens diesem Stande schuldig,
auszusprechen, daß die Lage der Fabrikarbeiter
im Lande eine erfreuliche und keine gevrückte
sei. Es sei auch noch keine Klage der Fabrik-
arbeiter vorgekommen. Art. 33 bis 35 wer-
den ohue Discussion angenommen. Geh. Nath
v. Hirscher will sich als Laie dem Urtheil
Sachverständiger, daß seine Bedenken nicht
eintreffen, unterwerfen. DaS ganze Gesetz
wird in namentlicher Abstünmung angenom-
men. (K. A.)

Karlsruhe, 20. Mai. 51. öffentliche
Sitzung der 1j. Kammcr. (Schluß.) Groß-
holz verlheidigt die Seadt Baden, bezüglich
des Inhalts der Petition^ die Stadt jei der
Regierung ergeben. Schmitt unterstützt den
Anlrag Kirsners. Lamey und Hofsmei-
ster erklären sich für den Minderheitsantrag.
v. Noggenbach weist im> Entrüstung -die
Grundsätze der Petition der Stadt Bademzu-
rück; das Mim'sterium Lamey, welches so viel
Interesse für die Stadt Baden bewiesen habe,
werde angeklagt, die Regierung und die Kam-
 
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