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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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März
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Vtidrlbtrger Itilung.

N «3


8 Die Macht der öffentlichen
Meinung.

Die Mmister bieiben — die BolkSverireter
gehen nach Hause, weil mit einer Kammer,
dic »om ersten und wichtigsten constitulionellen
Recht, einer gcnauen Einstcht in dcn StaatS.
haushalt Gebrauch machen möchtk/ flch «icht
wohl regieren läßt; ein Ministerium dagegen,
daS vor cdler Jndignation über so kühne
Forderungen, wie ste im Hageu'schen Antrag
gesteüt worden, oder auS andern zarten Rück-
stchten seine Demisflvn einreicht, eine zu kost-
bare Gabe (ckei gratiu) ist, als daß es dem
Staate »icht sollte erhalten werden. Der Kö-
nig hat ja nur von einem ihm zustchendcn
Rcchte Gebrauch gemacht; eS war diese Kam-
mcrauflösung dic cinfachste stösling cincr »n-
angenchmen Vcrwicklnng in einer dclikalen
Sache, wobci die Kammer stch etwaS unde-
likat bcnommen! — rcchl so! man muß diese
ungezogencn Leute wieder in dic Provinz
schicken, wo ste eigentlich hingehören; waS
wollen ste in Berlin, wenn ste selbst an die-
scm Centralpmikie aller Cultur keincn feinercn
Ton annehmen wollen? I Die also Heim-
geschickten waren — man muß «S zu ihrer
Ehre sagen — vernünstig genug, das Ge-
wicht dicser Gründe zu fühlen und — gewiß
nicht ohne Zerknirschung riefen ste nach ihrer
Auflösung: „es lcbe der König!" Doch nichtS
in der Welt ist so schlimm, daß eS nicht noch
einigen Trost übrig ließe; und deS Deutschen
philosophische Natnranlage hat eS, durch gün-
stige Vcrhältnisse entwickclt, zn ciner gcwisscn
Virluostt'ät im Auffinden von Trostgrüuden
gebracht; auch heute fkhlen ste unS nicht; da
und dort hört man sagcn: „wäre daS setzigc,
im Ganzcn doch liberalc und wohlgesinnte
Ministerium gefallen, so wärcn wahrschein-
lich die „Junker" an das Ruder gkkomni-n;
es ist döch b-sscr sol" die Glücklichen! —
Der öffenllichcn Mcinung aber, die seit eini-
gcr geit sich eingcbildet hat, Etwas auf dic
hohen und allerhöchsten Enischlüffe zu ver-
mögen, hat dieser Act gezeigt, daß ste nur eine
sehr unbcbeutende Pcrsvn im Staate Prcußen
ist; vielleicht wird,ste in ihrer Demuth so
weit gehcn, unS nächstens zu zeigen, )>aß sie
selbst von allcrhöchsten Entschlüffen beeiaflußt
wird — da es umgckehrt nicht angeht!

* Politische Umschau.

Die naffauische Ständeversammlung ist auf
den 24. d. einbcrufen.

Jn einem größercn Artikel mit der Ueber-

Dtenstag, 18. März

schrift „die Geschichte ist cin rückwärtsgekehrter
Prophct" kommt die N. F. Z. zu folgcnder
Schlußbctrachtung: „DaS prcußische Volk wird
ohue Zweifel mit ruhigem Ernstc die begin-
nende Reaction über stch crgehen laffen; eS
weiß, daß unter dcm Zusammendrnck nur
stärkcre Spannkraft ersteht, und daß das Rad
der Geschicke stch von Junkern unb Pfaffen
nicht rückwärtS drehen läßt. Der Tag der
Gerechtigkeit wird kommcn für die Herren von
der Hepdt und Roon, wie er bereitS für
Schwerin und AucrSwald gekommen ist. Dezin
wclche tiefere Dcmütbigung kann es geben für
diesc „braven Leute und schlechten Mustkan-
ten," die flch vermaßcn untcr unabläsflg schcucm
AuSwrichcn nach rechtS und links allmälig vor-
wärtS zu schreiten, welch eincn schlagcnben
Btweis kann eS gebcn sür die Schwäche und
Kurzstchtigkeit ihrcr Hälblingspolitik, als jcne
plötzlich über stc gckommcne Bestellung eineS
neuen Ministerprästdcnten! Sie übcrnchmen
die schwerc Verantwortlichkeit einer Kammer-
auflösung; ste'laden auf stch die Lächerlichkcit
dcS ManifesteS in der „Sternzeitung;" ste er-
mannen stch bis zur Gehässtgkeit von Droh-
worlen an das wählenbe Volk; ste gchen dem
Hof zu Liebe so weit, die Berfaffung in Frage
zu stellen: und zum Dank dafür erfahrcn ste
eineS schöncn MorgenS, daß der König einen
Premieroiinister über stc gesctzt hat, von dem
sie keinc Ahnung haben, daß er dazu den Prä-
stbenten der ihueu feindjeligstcn Junkergescll-
schaft genommen, und daß ihr Feind und Col-
legc Herr*v. d. Hepdf/. diescr thcure Ucberrcst
auS ManteuffelS Herrschcrzeit, die Ernennung
zu untcrzeichnen, ausersehen ward! Und die
Nation stcht mit Erstauncn, daß Schwerin,
Patow, Auerswald, Bcrnuth, nicht mit eincr
Entrüstung, die keinen Augenblick Zögerung
gcstattet, dcm Herrenhauspiästbcnten ihre Ab-
dankung an den Kopf warfcn; ste steht Tage
vergchcn, während dercn bie Träger dieser
Namcn gestatten, als Amtsgcnossen deS Für-
sten von Jngclsingen, als HülsSarbeitcr zu
einem „Krcuzjcilungs"-Minifierium angesehen
zu werden. I» dcr That, schnellcr ist einer
politischen Sünde die Strase niemals nachge-
folgt.»

Ein Führer dcr KreuzzeitungSpartei ermahnt
seinc Freunbe zur frischesten umfassendsten
Wahlthätigkeit. — Die „Kreuzzeitung" sreut
stch „aufrichiig" übcr die Ernennung des
Prinzen Hohcnlohe. Der Prinz ist im Jahr
1787 gcbvren.

Die „TimcS" sagen über die preußische
Kammerauflösung: Es ist unmöglich, den Kö-


L8«2.

nig von allem Tadel freizusprechen; Napoleon
würde anders gehandelt haben. Wäre der
König ein Meister in der Regierungskunst, so
würde er dnrch eine gutwillige Concejsion sich
die Sympalhien der Kammer erworben haben,
allein er legt keinen Werth aus die Stim-
mung einer Nationalversammlung. Obgleich
ihn yie Vorsehung auf einen constitutionellen
Thron berufen, ist seiu Herz doch immer noch
bei dem Preußen seiner Iugend und sein Kopf
nicht stark genug, seiuen Neigungen zu wi-
derstehen; er steht in dcn Führern der Kam-
mer seine Feinde, denen er dann natürlich
keinen Sieg gestatten darf; er kann sich Op-
position ohne persönliche Feindschaft gar nicht
denken; er hat weder aus unglüÄlichen Erin-
nerungen noch aus seiner neuen Größe Weis-
heit geschöpft. Seine Vrrtrauten sind'hcute
noch Officiere, die wie er denken und alle
seine Vsrurtheile und Antipathien nähren.
Welcher Contrast zwischen dem, was ein
König von Preußen ist und was er werden
könnte! Cr könnte der Leiter und Retter
Deutschlands werden, und wird ärgerlich über
die täglichen Vorfälle einer conftitutionellen
Regierung.

Die Erbitterung der, Antwerpener Be-
völkerung gegen die aus dem neuen Festungs-
bau für sie erwachsenden militärischen Servi-
tute hat sich in der letzten Montag gehaltenen
Versammlung in der lärmendsten und scho-
nungslosesten Weise Luft gemacht. Die Ned-
ner verlangten nicht mehr bloße Entschädigung
für die auferlegten Lasten, sondern die Nieder-
reißnng sämmtlicher im Bau begriffe'nen Werke.
DieVersammlung ging unter dem Rufe: Nieder
mit Chazal, dem zweiten Herzog von Alba!
nieder mit dem Ministerium! auseinander und
verpflanzte den Tumult in die Straßen, so
daß vorgestern der Bnrgermeister eine Verwar-
nung an die Bevölkerung anzuschlagen sich
veranlaßt fand. — Jm Senate wurden
gestern energische Prolestationen gegen diese
ungebührlichen Scenen geäußert; Iustizmini-
ster Tesch erwiederte, daß sich die Regierung
durch die drohende Haltung eines Theiles der
Antwerpener Bevölkerung nicht einschüchtern
lassen werde.

Aus Mailand wird gemeldet, daß die
Volksmenge bei der Ankunft des Königs ge-
rufen habe: Es lebe Victor Emanuel! Nieder
mit Ratazzi! Es ift indirect eine Demonstra-
tion gegen Frankreich.

Die „Opinione" erklärt sich heute wieder
sehr entschieden gegen die Agitation der Vor-
sorgecomite^s. Um Rom und Vcnedig zu

^ Etwas Literarifches.

(Schluß.)

Das erstere der beiden Urthetle findet fich
in dem Freiburger „Katholischen Kirchenblatt."
Dieses enthielt nämlich vor wenigen Monaten zum
Erstaunen aller Freunde vaterländischer Lectüre
Folgendes:

^arnung: Aus dem Breisgau, 12. August.

ster, Kirchen und Kapellen Badens und der Pfalz"
und kündigt dasselbe an als ein„ächtes Hausbuch",
das stch auf Kinder und Kindeskinder forterben
werde. Nachdem wir dte zwei ersten Lieferungen
gelcsen, können wir nur wünschen, daß diese Hoff-
nung ber genannten Buchhandlung zu Schanden
werde. Wir erwarteten eine populäre Geschichte
der berühmtesten Burgen und Klöster in würdiger
Darstcllung und findcn dier Tert und Bilder, wie
fie Leibrock, Spieß und Consortcn in ibren Ritter-
und Klostcrgeschichten geliefert, welche in den Leih-
bibliotheken als Futter für schmutzige Phantasien
einc so gute Rcnte abwerfen. I. Geiger, der in
seinem vorjährigen hinkenden Boten das Concor-
bat einen Unrath genannt, möchte, wie es scheint,
die katholische Kirche überhaupt als einen Unrath
'darstellen. Man lefe nur S. 70 „die Zerstörung

der Burg Schopfeln" (auf Reichenau), in welcher
Erzählung Probst Mangold, „ein gottloser Pfaffe"
und eine Ftscherstochter die Hauptpersonen sind und
fast der ganze Lonvent einschließlich des Abtes als
eine Versammlung von geistlichen Wüstlingen dar-
gestellt wird. Von der so berühmten Abtei Rei-
chenau weiß der Herausgeber in seinem Volks- und
Hausbuche nichts zu erzählen, als den Streit mit
den Konstanzer Fischern und diese schmutzige Ge-
schichte, bei der auch mit keiner Silbe angebeutet
ist, daß sie ins Reich der Sagen gehört. Dem Terte
entsprechend sind die Illustrationen, in Betreff derer
wir fast zweifeln möchten, ob sie wirklich unter Lei-
tung des Conservators A. v. Bayer gefertigt wor-
den, wie auf demTitel bemerkt.ist. Das eine Mal
erscheint der Mönch mit dem Humpen, das andere
Mal mit der Dirne. Gesetzt die ganze Geschichte
wäre wahr, was soll durch ihre Mittheilung ge-
wonnen werden? Wenn die Katholiken in so ge-
meiner Weise eine eroviiue 8esnä3l6U86 der Pro-
testanten publiciren wollten, fänden sie nicht Stoff
genug, und zwar historisches Material, in dem aus-
schwklfenden Leben Zwingli's, in den unsaubern
Tischreden Luther's, in dem ekelhaften Gebahren
des Wüstlings Hutten, in der von den Reforma-
toren approbirten Doppelehe des Landgrafen von
Hessen? Wird durch derartiges das Volk gebildet?
Ünv warum erzählen die Herausgeber nrcht auch
das Gute, das von Reichenau ausgtng, von den
großen Männern, die dsrt gebildet wurden, und

weithin segensreich wirkten? Jst es nicht dte Ar^
gewisser Käfer, den Blumen auszuwetchen vnd im
Unrath zu wühlen? Freilich wenn man auch Gutes
berichtete, k.önnte die katholische Kirche in einem
günstigen Ltchte erscheinen, und das darf nicht sein,
denn Verleger ist I. Geiger in Lahr, Heraus-
geber Ottmar Schönhuth, protest. Pfarrer in
Würtcmberg und Mitarbeiter sind Prof. Fickler
in Mannhetm und Prof. Schrei ber in Freiburg,
Sspiooti 83t! Der katholische Klerus wird wiffen,
was er solchen Preßcrzeugniffen gegenüber zu thun

^ Es muß wahrlich im Lager des Ultramontanis-
mus weit gekommen sein, wenn man sich von einem
h'armlosen Buche, das nicht einmal einen confessio-
nellen Character an sich trägt, dergestalt fürchtet,
daß man es mit so gehässigen Waffen anfällt und
verfolgt. Der Tadel aus solchem Munde kann übri-
gens bei allen vorurtheilslosen Und vernünftigen
Lesern sich nur in Lob vcrkehren.

Fast zu gleicher Zeit enthielt die „Badische Schul-
zeitung", die auch won einem katholischen Lehrer
redigirt ist, eine, so viel wir erfahren konnten,
auch von einem katholischen Lchrer verfaßte aus-
führlicheBeurtheilung, welche das Buch aufs wärmste,
insbesondere auch dem Lehrerstande empfiehlt. Die-
selbe ist zu ausgedehnt, als daß wir fie ganz mit-
theilen können, doch sei wenigstens der Schluß hier
angeführt.

„Wenn «ir nun den Nutzen ius Auge fassen,
 
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