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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Januar
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M 12


Mittwoch, rs. Zanirar


18«2

* Politische Umschau.

WLk die „Evangelischen Blätter" melden,
wird ein großer Theil derPfarrgemeinde Wall-
hagen in der Pfalz in Fo!ge der Äesangbuchs-
wirren forran nicht mehr den öffentlichen Got-
tesöienst besuchen.

Einer Mittheilung aus Kurheffen zufölge
soll in gewiffen Kreisen zu Kaffel die Frage
angeregt worden sein, ob man Herrn Nebel-
thau wegen seiner nach der Prästdentenwahl
aehaltenen Nede nicht gerichtlich verfolgelt
könnte. Das würde zur Bervollständigung
des Bildes kurhessischer Zuftände noch fehlen.

Der Musikdirector Röckel ist endlich nach
12 Iahren vom Köiu'g von Sachsen begnadigt
— nach Ämerika!

Der durch Berliner Blätter, namentlich der
„Börsenztg.", verbreiteten Nachricht von Er-
krankung des Königs von Preußen wirb wi-
dersprochen.

Die Bureaus beider Häuscr des preuß.
Landtags sind bereits in Thätigkeit; von
den Abgeordneten hat sich bereits eine ziem-
liche Anzahl in Berlin eingefunden.

Die abermalige Kammerauflösung inKa ssel
hat l'n Berlin sehr böses Blut gemacht und
überall hört man entrüstet fragen, wie lange
dieses unwürdige Spiel in dem unglücklichen
Land noch fortdauern soll. Von öem preußi-
schen Landtag erwartct man ein energisches
Wort in dieser Sache. Und die Regierung,
wird sie nun auch Wort halten?

Es wird aus guter Quclle mitgetheilt, daß
Graf Borries nur bis zum Schluß der
Ständeversaminluug in seiner einflußreichen
Stelle verbleiben, dann aber sicher in das
Privatleben zuriicktretkil werde.

Für die österr. Marine soll ein eigenes
Ministerium errichtet werden.

Die föderalistischen czechlschen Blätter for-
dern die slavische Bevölkerung auf, keinen
amtlichen Erlaß anzunehmcn, wenn derselbe in
deutscher Sprache erfolgt, vorausgesetzt,
daß auch die Eingabe Ln czechischer Sprache
erfolgte.

Der Kaiser soll dem Vernehmen nach dem
FZM. Ritter von Benedek Eine Million Gul-
den zur Errichtung eines großartigen Militär-
Hospitals für Lombardo-Venetien überwiesen
haben.

Der Prager „Czas", der unted dem Ein«
fluffe des Dr. Pinkas seit Neujahr für die
Februarverfassung eintritt, wurde in der dor-
tigen czechischen Reffource verbrannt.

Nach handelsbrieflichen Mittheilungen aus

Der LLebesbrief.

Novelette von E. Reber.

(Fortsetzung.)

Äe entfernte sich mit raschen Schritten. Adal-
bert suchte in seiner Garderobe den ältesten Rock
hervor und ein Paar Kanonenstiefel. Er entstellte
sich durch Bart und eine Perücke, die er einst bei
einem Maskenscherz getragen hatte, setzte seittcn
alten Studentenhut auf und fühlte dte alte Stu-
dentenrauflust in sich erwachen. „Ich habe mir als
Student nichts gefallen lassen", dachte er, „obgleich
ich kein Schläger war, und auch jetzt will ich den
bösen Zauberer wohl fassen."

Mit solchcm Vorsatz wanderte er den langen Weg
vom Dammthorc bis zum Wilhelmsplatz, wo iw
„Katser von Rußland" der ProfefforFaust logirte,
und ließ sich bei ihm melden. Er empfing ihn in
einem türkischen Schlafrock und einem Fez auf dem
schwarzen Haar und fragte nack seinem Begchr.
Adalbert reichte ihm den Brief hin und warf sich
auf einen Stuhl, fest den Professor ins Auge fas-
send, der ihm in seincr grünen Brille wieder wie
kin Zauberer vorkam. Er öffnete den Brief unv

Paris soll es sich bestätigen, daß demnächft
die Contrahirung eines neuen französi-
schen An lehens^ und zwar im Betrage von
mindestens 300 Mill. Frcs., zu erwarten sei.
— Ebenso wird berichtet, das Pariser Bank-
haus Pereire büße bei dem Fallimente des
Bankhauses O'Shea in Madrid verschiedene
Millionen ein.

Der Presse wird immer schärfer auf die
Finger gesehen. Der „Courier de St. Etienne"
beurtheilt Gemernderathsbeschlüsse und bekommt
dafür einen Denkzettel des Präfecten. Die
„Guyenne" und die „Gironde" in Bordeaur
empfehlen zur Gemeinderathswahl einen Hrn.
Delprat und erhalten dafür schleunigst ein
„Comunique", durch welches der Hr. Präfect
ihnen erklärt, er wolle ihnen hicrmit amtlich
gesagt haben, daß „der von einem Theiie der
Wähler mit Genehmigung der Regierung auf-
gestellte Candidat der Obergerichtspräsident
Troplong zu Bordeaur" sei, wonach sie sich
unterthänigst zu richten hätten.

Jm westlichen Frankreich ist es der Geist-
lichkeit gelungen, die unteren Klaffen und das
Landvolk über die Lage des Papstes aufzu-
regen; das soll so weit gehen, daß die Ge-
schäfte dürunter leiden. Die Regierung hat
sich genöthigt gesehen, der Sache ihre ernste
Aufmerksamkeit zu widmen.

An die Stelle des Marschalls Pelissier, Her-
zogs vön Malakoff, soll Marschall Randon
Generalgouverneur von Algier werven. Pe-
lissier hat, wie man sagt, so viel ercentrische
und verkehrtc Dinge begangen, daß er stch
ganz unmöglich gemacht. Bekannt ist bie Art,
wie er seine Regierung in Algier eröffnete«
Am Morgen nach seiner Ankuiift machte ihm
der Präfekt seine Aufwartung; der Marschall,
in Schlafrock und Pantoffeln uiid mächlig
schmauchend, fragt: „Wer sind Sie? — Jch
bin der Präfect von Algier. Machen Sie
sich nach Hause; Sie sinds nicht mehrM —
In ganz gteicher Weise verfuhr er mit den
meisten höheren Beamten, die er vorfand.

Der Moniteur tadelt zwar Vie Versenkung
von Steinschiffen vor dem Hafen von Char-
leston, er hat aber vergessen, zu erwähnen,
wie oft Frankreich ähnliche und ärgere Thaten
begangen; er vergißt die Verwüstung der
Pfalz, die Verbrennung von Speyer, Worms,
Heidelberg, dic zahllosen Plünderungen, die
Zerstörung der russischen Häfen im letzten
Kriege, und tausend Handlungen, die man
weit eher, als die Absperrung des Hafens
von Charleston, Handlungen der Nache nennen
könnte.

las ihn. Seine Züge verklärten fich. „WLe schön,
wie herrlich", rief er aus. „Ia, die himmlische
Frau ist zur Dichterin geboren."

„Wte meinen Sie das, mein Herr", fragte Adal-
bert trotzig.

„Warum fragen Sie, Herr Studenr", erwiderte
der Profeffor eben so trotzig. „Stehen Sie ihr
nah?"

„Ich bin der Bruder ihres Mannes."

„So, ja Sie sehen ihm auch recht ähnlich, aber
Sie können es doch unmöglich übel nehmen, wenn
ich Ihre Schwägerin eine himmlische Frau nennc?"

„Das käme darauf an."

„Wie so denn, mein Herr? Ach, das kommt von
Ihrem Bruder, der es auch nicht versleht, die Gei-
stesrichtung seiner himmlischen Frau zu würdigen.
Steht es so, dann glaubcn Sie ja nicht, daß ich
die Geistestyrannei des Mannes hegünstigen werde."

„Ich aber, Herr Professor, odcr was Sie sein
mögen, ich werde Rechenschaft von Ihnen fordern,
daß Sie eine Frau von ihrer Pflicht geführt, gleich-
viel durch welche Mittel."

„Ich begreife Ihre Reden nicht, mein Herr. Sie
haben wohl zu stark gefrühstückt, und die Duelllust

Man erzählt, daß ein schwedisches Schiff
äus der Ferne- Zeuge des Unterganges der
preußischen Kriegskorvette „Amazone" gewesen
sei, sich aber außer Stande gesehen habe, der
Mannschaft Hülfe zu leisten. Die schwedische
Mannschaft will gesehen haben, daß man ein
vollbemanntes Boot ausgesetzt habe, und dies
kurz darauf unter einer Welle verschwun-
den sei.

Deutschlanl».

Karlsruhe, t3> Januar. Gestern Abend
feierte die hiesige „Turngem einde" im
großen Saal der „Eintracht" ein bedeutsames
Fest, welchem auch Se. Künigl. Hoheit der
Großherzog und Sc. Großh. Hoheit der
Markgraf Mar — in Begleitung verschiede-
ner Hofchargen und Mitglicder des großh.
Staatsminifteriums, .lamentlich Sr. Erc. des
Ministerpräsidenten Dr. Stabel, des Hrn.
Geh.-Raths Dr. Lamey und ves Frhr. von
Roggenbach — beizuwohnen geruhten. Das
Fest galt ver Einweihung und Uebergabe einer
Fahne, welche über 200 hiesige Frauen und
Iungfrauen der Turngemeinde gewidmet haben.
Dem äußern Ansehen entsprach der patriotische
Geift, der in den Worten verschiedener an-
M'uthiger Rednerinnen, sowie der Vorflände
des Vereins und in den schwunghaften Ge-
sängen bes Liederkranzes seineu beredten Aus-
druck fand. Derselbe Geist war es, der dann
sturmesgleich auffubelte, als ein Nedner zu
einem Gutheil auf den anwesenden Großher-
zog, „den beutschesten der^bcutschen Fürsten",
sowie auf das ganze großherzogliche Haus
aufforderte.

Hei-elberg, 8. Jan. Bei der heute statt-
gefundencn Generalversammlung des lanb-
wirthschaftlichen Kreis - Vereins Heidelberg-
Weinheim wurden als Bevollmächtigte zum
Gesammtausschuß die Herren Dr. G. Herth
aus Heidelberg und Pfarrer Allmang aus
Heddesheim, als deren Ersatzmänner Freihcrr
v. Göler aus Schatthausen und Herr Geh.
Rath Professor Dr. Rau aus Heidelberg bei-
nahe einstimmig gewählt.

Mannheim, 10. Ian. Bei dem heute
stattgehabten ersten Wahlgange fük die evan-
gelisch-protestantische Kirchengemeindeversamm-
luug gingen die von dem Comitv Anhäuser rc.
zur Annahme vorgeschlagenen Gemeindegliever
mit 115 gegen 27 Stimmen aus der Urne.

(Mannh. I.)

Offenburg, 12. Ian. Heute fand hier
die erste Kinzlgthal-Bodenseebahn-Versamm-

ist in Ihnen crwacht. Glaubcn Sie abcr nicht,
daß Sie in mir Ihren Mann finden. Ich habe
selbst Vorlesungen über die Barbarei des Duells
gehalten und werde mich von einem jungen oder
alten Studenten wahrlich nicht dazu verleiten lassen,
auch muß ich in einigen Stunden mit der Eisen-
bahn fort und habe keine Zeit mchr, mich mit Ihnen
zu unterhalten. Empfehlen Sie mich Ihrer Schwä-
gerin, sagen Sie ihr, daß ihre Sendung mich ent-
zückt habe, reden Sie mit ihr, so wird sich alles
aufklLren; somit Gott befohlen." Damit stand der
Profeffor auf, ging in sein Schtaszimmer und schloß
sich ein. Adalbert mußte sich cntfcrnen.

„Der Zauberer entgeht mir doch nicht", dachte
er, „mag er auch mit der Eisenbahn fortreisen, ich
reise ihm nach; er soll mir Rede srehen, er soll sich
mit mir schlägen."

Er ging fort und bemerkte nun endlich, daß ihn
die Leute ansahen und lachten. „Der Student muß
fort", dachte cr, und eilte raschen Schrittes nach
Hause. Unterwegs kamen ihm seltsame Gedanken.
Der Professor sah doch gar nicht aus wie ein Her-
zenseroberer. Gr schien nicht mehr jung zu sein;
durch seine schwarzen Lockcn drängte sich weißes
 
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