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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Februar
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M 3L


Konnerstqg. 6. F-ehruar L8«S.

^ Auf vie „HeLdelberger
Aeitliiiq" kann man sich
noch für ^hic Monate
Februar und März mit 36 kr. abonniren
hei allen Postanstalten, den Boten und Trä-
gern, sowie bei d. Erped. (Heugasse Nr. 2)?

Z) Der Stand nr Preußen.

Gerade für Diejenigen, welche für Preußen
Sympathieen haben und seinem deutschen Be-
rufe vas-Wort reden, ist es im gegenwärtigen
Momente am unerquicklichften, über diefen
Staal zu schreiben. Denn kaum hatte es an-
gefangen, etwas hell zu werden; kaum hatte
so Manches, das uns zurückgestoßen und ferne-
gehalten, zu verschwinden begonnen, als plötz-
lich wieder Dinge geschahen, welche nur zu
sehr geeignet waren, Alles, was bisher gewon-
nen worden, fast ganz wieder zn zerstören.
Wahrlich! man muß die traurige Kunst der
preußijchen Staatsmänner bewundern, womit
sie das Bischen Sympathie, das sie sich mühe-
sam errungen, im Nu wieder zernichten. Und
nur die Uebcrzeugung, däß uns von Äöien
aus noch weniger Heil erblühen kan.n, mag
es erklären, daß wir uns trotz Allem noch
immer mehr zu Preußen als zu Oesterreich
hingezogen fühlen. Pher scheint es nich.t fast,
als ob man gerape auf diese Thatsache hsn
sündige?

Offenbar hatte das Attentat in Baden dem
,Könige in ganz Deutschiand'einen nicht gerin-
gen (Hrad von Popularität verschafft, beson-
ders als er wiederholt erklärte, daß er nach
wie vorher den Weg des Fortschritts einhäl-
ten werde. Aber hat die Königsberger Krö-
nung mit ihren bekannten Neden nicht großen-
theils wieder ÄÜes, wie eine Seifenblase, in
Nichts aufgelöst? Ebenso haben die neuen
Wahlen uns wieder mit so Manchem ausge-
söhnt, wieder so Manches etwas in den Hin-
tergrund gebrängt, was mehr oder weniger
nnangenehm auf uns drückte. Man war ge-
neigt, anzunehrnen, daß man von maßgeben-
der Seite aus den bedentungsvollen Wink ver-
stehen, und, worauf man doch bei jeder Ge-
legenheit so großes Gewicht zu legen pflegte,
mit dem Volke Hanv in Hand vie Bahn eines
ebenso entschiedenen als besonncnen Förtschritts
wandeln werde. ' Sicherlich hätte Preußen auf
diese Weise in ganz Deutschland ungemein ge-
wonnen. Aber kaüm wär das Resultat der
Wahlen bekaiint, als man der Fortschrittspartei
förmlich den Krieg ankünoigte, und sogar nsst
einem reactionären Ministerium drohte. Und

Wirklich wußte man eine Zeit lang nicht, ob
der Telegräph nicht jeden Aügenblick die Ent-
lassung des liberalen Theils der Regierüng
melbete. Der Sturm ging zwar vorüber; die
kiberalen Minister blieben im Amt, und man
ga'bsichwieder vielfach der Höffnung hin,daßdie-
selben di'e gefährliche Krisis siegreich bestanden,
und nunmehr ganz in ihrem Sinne werde
vorangegangen werden. Man verkündigte ja,
daß bie Gesetzesvorlagen, welche beim Köu.ige
und einigen Ministern auf Widerstand ge-
stoßen, durchgedrungcn seien, und damit einem
langjährigen Wunsche der Liberajen endfich ein-
mal werde entsprochen werden. Aber was
ge.schah? Erregten jene Vorlagen nicht überall
den gerschtesten Unwillen, besonders wenn man
die Motivirung derselben in's Auge faßte?
Haben sie nicht den bedauerlichen Beweis ge-
liefert, daß damit dex liberale Theil der Mi-
nister eher beflegt worden sei, als gesiegt
habe?

Gewiß hat kaum je eine Gesetzesvorlage
eine' so schlimme Aufnahme gefunden, als die
über. die „Verantwortlichkeit" der Minister.
Die ganze liberale Welt hat unnachsichtlich den
Stab darüber gebrochen. Und hatte man nicht
Necht? Man gibt vor, dic Verfassung auf-
zubauen. Aber wirft man nicht dieselbe Ver-
fassuttg, deren Vorschriften man anscheinend
gerechl werden will, dadurch wieder über §en
Haufen, daß man die trefflichen Bestimmilugen
über das Begnadignngsrecht der Krone und
die jedemHause einzeln für flch zustehende Be-
sugiiifl zur Milnsteranklage mir nichts dir
nichis aufhebt? Uns erscheint es geradezu
als cin Hohn, festzustellen, daß die Minister-
anklage nur auf eincn gemeins«chaftlichen
Äntrag beider Häüser geschehen könne, wenn
doch die Minifter das Necht haben, flch dnrch
Ernennung vöii Mitgliedern jeden Augenblick
eine Majorität im H.crrenhause zu ver-
schaffen. — Ein Ausbau der Verfaffung!
Denkt man dabei nicht unwillkührlich an
den „Aiisbau" mancher Dome und sonstiger
PrachtgMud'e, wo man, statt dem ursprüng-
lichcn Plane zu folgen und so ein harmoni-
sches Gaüze zü errichten , „ichts als allerlei
fttmdartige Schnörkei, als alledem widerspre-
chende Diyge hlnzuinacht, so daß man eher
vön eineni Verbauen, als von einem Aus-
bauen fprechen kaNn^? Mag man immerhin
nicht ganz Unrecht Haben, wenn man sagt,
daß ein Gesetz über Verantwortlichkeit der
Minister am Ende doch wenig praktische
Bedeutung habe, indem es vielleichd doch nie
zur Änwendung komme u. s. w.: hätte man

nicht gerade dann um so mehr ein liberales,
d. h^ ein wirkliches, dem Geiste der Verfas-
sung entsprechendes Gesetz erwarten sollen,
wenn es ja döch nur eine ungefährliche-Theo-
rid bleibt? So wäre mqn doch der Verfassung
nachgekommen, ohne auf der andern Sei.te den
Staat in Gefahr zu bringen, während man
mit dem jetzigen Gesetze — angenommen im-
mer, daß es im Grnnde keine praktische Wich-
tigseit habe — zwar nichts Gutes, aber in
anderer Hinsicht in so fern vie.l Schlimmes
schafft, als man daraus lcider eben noch immer
den herrschenden Einfluß reactionärer Elcmente
ersieht, und als die Regierung darüber leicht
in einen für das Land unheilvoüen Conflict
mit ven Ständen kommen kann. Und dies
Alles, wie gesagt, ohue alle Ursache, wenn
das Gesetz über Ministeranklage doch kcine
praktische Bedeutung haben soll.

Intereffant ift gewiß auch, daß man sich
bei der Motivirung der in Redc stehenden
Vorlage ausdrücklich auch auf andere deutsche
Staaten beruft, in denen das Gesetz über die
Verantwortlichkeit der Minister ganz diefelben
Bestimmungen hat. Und voch nimmt man
sonst blutwenig Rücksicht auf die andern dent-
schen Staaten. Und doch fragt man sonst nur
zu wenig nach dem Urtheil des außcrpreu-
ßischen Deutschlands. Oder schaut man sich
uur da.nn nach den andern, deutschen Landern
um, wenn es sich um reactionäre, nicht aber,
wenn es sich um lib erale Vorbilder hanvelt?
Aber das ist gewiß, daß dies schwerlich der
Weg sein dürfte, auf dem Preußen die Füh-
rerschafl Deutschlaiids, beziehungsweisr des
engeren Bundes sich erringen wird/ Nur auf
dem Wege des Fortschritts und zwar des ent-
fchledenen Fortschri'tts ift die Aüsführung des
Bernflorff'scheu Progrannns möglich.

^ Der Cntwurf einer Gerichts-
verfaffung.

. (Fortsetzung.)

H. Titel. Vou dkii Amtsgerichten.

§. 12. (Gerichtsbarkeit in streitigen Rechtssachen.)
Dcn ten 'stAst di^d >>^^ e i ch^e Ge^ichf^

die Amtsgerichte fnr alle Rechtsstreitigtäten zuständig

8-14.'-. ^Nich/ strellige/G^ - lüir-

prozcß Zakoby,

verhandelt vor dem Assisenhof zu Darmstadt.

(Fortsetzung.)

Jcner im Bricfe genannte Präsident eristirt nicht.
Jakoby hatte nur einmal von der Hubcr gehört,
daß sie eigcntlich von Adel seicn und daß einmal
ein Vrrwandter vvn ihnen in Rußland eine hohe
SteUe bekleidet habe. Iakoby hatte dann, wie er
ftlbst bekennen ^niußte, ^ies benutzt, um vor ^den

kunft zu gcben!

Es ist bereits früher erwähnt, welche Gerüchte
sich sofort über dcn auffallend schnellen Tod der
Frau in der Stadt verbreitet hatten und welche
dringende Veranlassnng dem Angeklagten, wenn er
sich schuldfrei gewußt, gegeben war, kcui Mittel un-
versucht zu lassen, um der furchtbaren Beschuldi-
gung, seine Fran vergiftct zu haben, mit Auf-
opferung aüer Mittel cntgegenzutteten und sich vor
der Welt zu rcchtfertigcn. Schon am Sonntag
Abend imch dem Tode seiner Frau, als er um 10
Uhr seiu Hofthor schließen wollte, wurdc ihm vonVo-
rübergehenden zugcrufen: „die Frau ist todt; mor-
gen wird sie bcgraben; sie wird aber auch wieder
ausgegraben!" Die Stimmung, die auf dem Fried-
hof herrschte, konnte ihm ebcn so wenig entgangen
seim Es wurde ziemlich laut unter Murren ge-
äußcrt: „die Erde deckt Vieles!" Und was that der

Angeklagte, um sich gegen diese Beschuldigungen,
die immer lauter hervortraten und ihm zuletzt ins
Gesicht gesagt wurden, zu rechtfertigen? — Nichts!

— Dr. Leidhecker, scine einzige Stütze, fraate er,
was er thun sölle und dieser rieth thm, zum Stadt-
richter zu gchen und diesen um seinen Rath zu bit-
ten. Jakoby ging aber nicht hin, sondern zog es
vor, zu Hause bie Huber, seine Magd und einen
Buchdruckergehilfen um sich zu versammeln und die-
sen mitzutheilcn, was ihm Dr. Leidhecker über die
Todesursache seiner Frau gesagt habe. — Mit Be-
zug auf Aeußerungen der Nungesserischeü Magd,
schrieb er an Nungeffer einen Brief, den dieser,
wte mehrere frühere unerbröchen zurückgehen ließ,
des nichtssagenden Inhalts: „daß sich seine Magd
häbe beigehen lassen, Aeußerungcn über ihn zu
thun, daß er sich äber die Aeußerungen gemerkt
habe und sie, wie jede andere, dem Städtgerichte
mittheilen werde." — Seine Schwester sctzte ihn
davon in Kenntniß, daß Nungesser die Leiche wolle
ausgraben lassen. Er antwortete darauf: „Das
könne Nungeffer machen wie er wolle, jetzt sei es
schon kalt, da sei die Sache nicht so slinkig!" Und
als ihn die Schwester darauf bestürzt fragte: „Du
wirst doch Deiner Fraü nichts gethan haben?" ant-
wortete er: „wenn sie ihm so etwas noch einmal
sage, würde er ihre Schwelle nicht mehr betreten."

— Als er dürch einen seiner Gehilfen erfuhr, daß
die Leiche ausgcaraben worden sei, begab er sich
auf den Friedhof, überzeugte sich davon, sragte den

Friedhofaufseher, ob auch seine crste Frau heraus-
gegraben worden sei, und belog diesen, tndem er
sagte: er habe bei seine^n Doctor selbst darauf an-
getragen, däß die Leiche untersncht werde und habe
er auch 100 fl. ausgesetzt, wcr ihm den ermittele,
durch den das Stabtgespräch cntstanden sei. — Dies
war es, was Iacoby that! Außervem hielt er,es
für angemessen, sich in den Straßen sehenzulaffen
und den Blicken der Leute frech zu begegnen. Er
besuchte auch noch das Theater; aber wo er stch hin"-
flellte, wichen die Lente von ihm zurück.

Der Angeklagte läugnet die That und läugnet
auch Alles, was im Einzelnen belastend gegen ihn
vorliegt. Das ehelichc Verhältniß zu seiner Fräu
schildert er als ein in jeder Hinsicht glückliches und
vcrsäumt nicht, zum Belege dafürtzjene Geschenke
anzuführen. — Die Angaben der Nungeffer'schen
Eheleute stellt er fast durchweg rn Abrede oder an-
ders dar; sucht diese Leutc übcrhaupt zu verdäch-
tigen, indcm er ihnen vorwirfk, daß sie aus Eigen-
nntz über seine beabsichtigte Wiederverheirathung
auf ihn erboßt gewesen seicn. Das Verhältniß zur
Huber sucht er nach Möglichkeit als ein sehr ün-
schuldiges hinzustcllcn ünv bericf flch zum Beweise
dessen darauf, daß er Mit einem körperltchen Ge-
brcchear behastet sei. Er wurde deshalb Vom Arzte
untersucht, seiiie Angabe aber in der hier zur Sprache
kommenden Beziehüng ganz unbegründet befunden.
Von der Ursache der letzten Krankheit seiner Frau
will Jakoby wenig wissen und'kommt auch hier auf
 
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