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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Juni
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N: 13L


Freitag, 6. Zuni


» Auf die „Heidelberqer
Zeittrnq" kann män sich
noch für den Monat Iuni
mit 18 Krcuzern abonniren bei allen Postan-
stalten, den Boten und Trägern, sowie bei
der Erpedition (Heugasse Nr. 2>

Badischer Landtag.
Karlsruhe, 3. Zuni. (I. Kanimer. 23.
öffenil. Sitzung.) Vorsitz: Generallieutenant
Hvffmann. Am Negierungstische: die Geh.
Räthe Dr. Lamcp und Dr. Vogelmann, Mi-
nisterialpräsivent Frhr. v. Noggenbach, Geh.
Neferendär v. Böckh und Ministerialrath v.
Dusch. .Der Vorsitzende eröffnet dem hohen
Hause, daß Prälat Holßmann seine heutige
Abwesenheit entschuldigt, Geh. Rath From-
herz um 14tägigen Ürlaub nachgesucht uyd
die Direction der Wiesenthaleisenbahn die
Mitglieder des Hauses zur Bahneröffnungs«
feier eingeladen habe. Hofrath Bluntschli legt
seinen Bericht über die neue Gerichtsverfas-
sung vor. — Die Kammer schreitet zur Dis-
kussion des Berichts des Hosraths Schmidt
übcr denGesetzeskntwurf, diechlirgerlicheGleich-
stellnng der Jsraeliten betreffend. — Frhr.
v. Türckheim will nicht einen Staatsbür-
ger an Ausübung skiner staatsbürgerlichen
Rechte beschränken, allein die Nechte, welche
man durch vorliegenden Gesetzentwurs den
Jsraeliten geben wolle, seien kein natürlicher
Rechtsanspruch und es daher ein Eingriff in
dir wohlerworbenen Rechte der bisherigen Ge-
meindebürger. Es sei jetzt nicht der Augen-
blick zu dieser zwangsweisen Einführung, man ,
solle die Folgen des neuen NiederlaffungSge-
setzes, Gewerbegesetzes rc. abwarten, und er
trage daher darauf an, dieses Gesetz zn ver-
tagen und vorerst die Zustimmung nicht zu
ertheilen. (Ein Sonderantrag des Frhrn.
y. Stotzingen Namens der Minderheit
stellt ähnlichen Antrag. (s. Nr. 129.) — Ge-
heimerath Dr. Lamep führt aus, warum man
den Jsraeliten die bürgerliche Gleichstellung
nimmermehr versagen könne; die letzten Reste
der Unfreiheit der Jsraeliten mnßten schwin-
den. Die Gesetze schon verlangten dies; wer
sich z. B. verehelichen will, soll Bürgerrecht
besitzen, vem Jsraeliten müffe man nur so
nebenher die Heirath gestatten; auch die Wahl-
ordnung verlange Bürgerrecht. Das Gesetz
gehe bei all Dem schonend zu Werke; erst in
10 Zahren sollen die jüdischen Bürger in die
Allmendnutzung eintre.ten und selbst dieses nur,
wenn inzwischen die Geseßgebung. sich nicht

Mberkg fle hätten also nicht einmal auf diese
zukünftige Allmendnutzung ein su8 tiuuesituw.
Ruffen- Dnrken rc. könnten Brirger werden
nnd in die Aülflendnutzung eintreten, der ein-
heimische Zude nicht; das sei ungerecht. —
Frhr. v. Türckheim vertheidigt scine Ansicht.
Graf v. Kageneck will nicht, daß man Wohl-
thaten austheile auf Kosten anderer Leute,
und wenn man sage, öie früher erfolgte staats-
büi:gerll'che Gleichstellung der Zsraeliten sei
ruhig vorübergegangen, man spreche jetzt nicht
mehr davon. Das fti eine gefährliche Poli-
tik. Dir politische Bedeutung der Gemeinde
sei den Zsraeliten die Hauptsache, nicht die
2 Klafter Holz, die sie bekouunen könnten.
Man sollte noch einige Zeit mit diesem Ge-
setze warten, bis einmal die Bürgergemein-
den in Eiuwohnergemeinden sich umgewandelt
haben. — Hofrath Bluntschli führt in län-
gerer Rede aus, daß das Gesetz nothwendig,
gerecht, logisch unb konsequent sci, thut dar,
daß vadurch kein Eingriff in Rechte der Ge-
meinden gemacht werde, denn das Necht auf
bie Allmenvnutzung sei nicht gleich jedem an-
dern Privateigenthum. Ursprünglich seien bie
Allmendstücke gar nicht Privateigenthum, son-
vern unkultl'virt der freien Benützung preis-
gegeben gewesen, dasselbe habe stch ersi in der
Foige geändert und die Gemeinden seien Ei-
gcnthümer geworden. Die Religion könne
dabei nicht in Betracht kommen, sie habe mit
dem Gesetz nichts zu schaffeu. (Schluß f.)
^Karlsruhe, 3. Zuni. (57. öffentl. Sitzung
der ll. Kammer.) Unter dem Vorsitze des Prä-
sidenten Hildebrandt. Anwesend sind die
Regierungskommiffärer Präsibent des Kriegs-
ministeriums Ludwig, Oberstlr'euteuant G ö tz,
Präsident bes Ministeriums des Znnern La-
mep, Minifterialrath v. Dusch.. Dr'e Ab-
geordneten Friderich und Kirsner zeigen
druckfertr'ge Berichte an. Die Tagesordnung
führt zur Berathung des von dem Abgeord-
neten S ch a a ff erstatteten.Commissiönsberich-
tes über den Gejetzesentwurf, die Aufstellung
der Ersatzmannschaft hes Armeekorps betr.—
Lamep p. Pf. beklagt die öffentlichen Zu-
stänbe Deutschlands. Es werden fortwährend
Opfer geforbert, ohne daß man weiß, wofür
solchc gebracht werden. Jnsbesondere ist es
sehr zu beklagen, daß uns heute wieder ein
Gesetz vorliegt, welches die Erhöhung des
Ersatzkontingeittes von Dundeswegen fordert,
wahrend man bis zur Stunde im Schooße der
Dundesversammlung darüber sich nicht eini-
gen konnte; wer die mit so vielen und schwe-
ren Opfern an Geld und Menschen zusam-

mengebrachte Mannschaft führen solle. Der
Nebner hofft, daß im Laufe der Verhandlung
GesichtRpunkle sich ergeben werden, welche
ihm gestatten, gegen den Gesetzentwurf zu
stimmen. — Kusel: Der vorliegende Gesetz-
entwurf fließt aus einem Bundesbeschluß und
dieser Bundesbeschluß betrifft ein Grundge-
setz, eine organische Einrichtung des deutschen
Bundes. Zur Schaffung berartiger Bundes-
beschlüffe ist Stimmeneinhelligkeit r'm Plenum
ersorderlich. Ob dies beim vorliegenden Bun-
desbeschlusse der Fall war, ist zur Zeit nicht
außer Zweifel; eben so wenig weiß man, ob
andere ähuliche Bundesbeschlüffe mit Stim-
menmehrheit gefaßt wurden und ob sämnttliche
deutschen Staaten so gefaßte Bundeöbeschlüffe
als rechtsvkrbindlich betrachteten und vollzo-
gen. Der Rebner hielt bei der großen Wsch-
tigkeit der Sache sich verpflichtet, diese recht-
lichen Bedenken gegen die Nechtsverbindlich-
keit des fraglichen Bundesbesch'lusses auszu-
sprechen. — Schaaff,(Bcrichterstatter) tritt
der Nechtsausführung Kusels entgegen. Es
handelt sich hier nicht um eine neue organische
Bundeseinrichtung, sonbern um den Vo.llzug
einer solchen, bereits früher ordnungsmaßig
geregelten Bundescinrichtung. Diese Ueber-
zeugung hat bie Commission allerdings nicht
aus den Portokollen der Dundesversammlung
geschöpft, wohl aber hat dieselbe überall sonst
hierwegcn Nachforschung gehalten, wo sie rich-
tige Aufschlüffe zu erlangen hoffen durfte» Nich-
tig ist es, daß die Competenz des Bundes-
tags, nach den vort geltsnven Grundsätzen über
Das, was organische Einrichtungen seien, was
nicht, eine solche Ausdehnung krlangen könnte,
welche r'm höchsten Grade drückelid für die
einzelnen Bundesglieder ware; man k.önnte
zum Beispiel wie die Ersatzmannschaft, so
auch bas HauptkolUingent erhohen. Präsibent
des Kriegsiniiiisteriums Lubwig: Das Haupt-
und Reservekonlingent würde erhöht; es muß
deßhalb auch das Ersatzkontiugent erhöht wer-
den. Ein weiterer Grund liegt in den heu-
tigen mannigfach verbksserten Feuerwaffen,
welche größere Verluste an Mannschaft in
Aussicht stellen. Der vorgeschlagene Weg ist
jedenfalls der am wenigsten dnickende und
kann darum von der Negierung allein em-
pfohlcn werden. — Häusser: Es handelt sich
um eine neue große Last für uuser Land. Die
erste Kammerauflösung in unserm Lande wurde
angeordnet wegen Verweigerung eines Kriegs-
öubgets von 600,000 fl.; heute beträgt unser
Kriegsbudget ungefähr 3 Millionen. Selbst
der Berichterstatler mußte zugestehen, daß die

Ein Ln-§rc>8-Schwindel im Complot.

Jm October vorigen Jahres — so lesen wir im
Winterthnrer „Landboten" — kam ein wohlgewach-
sener, gutgekleideter, ungefähr 27Jahre alterHerr
mit Reiseeffecteri im Gasthof zur Krone in Sckaff-
hausen au, fragte nach einem Logis für etwas län-
gcre Zeit, nannte sich Baron v. Eisenzapf, Guts-
besitzer, und so lauteten auch seine Ausweisschriften.

Seine Sprache, mehr noch sein Aeußereö und
sein Benehmen, ließen kaum einen Zweifel darüber,
daß man es mit eincm jener ungarischen Edclleute
zu thun habe, deren Reichthum ausschlteßlich tm
Ertrag ihrer Besitzungen besteht und die eben nach
dem jeweiligen Berkauf ihrer Bobenproducte sich
für einige Zeit gütlich thun.

Dcr Baron miethete bald ein Privatlogis, ließ
fich vom Gasthof aus speisen und bezahlte zum
Voraus, zeigte sich überhaupt als ein Kelltildommk,
unterhielt lebhafte Briefwechsel, bekam zur'Unter-
haltung regelmäßig Zeitungrn direct von Wien,
wußte auch bäld Bekanntschaft mit angeseheneu hie-

sigen Herren zu machen, regalirte oft ganze Gesell-
schaften und war auch gegen Einzelne sehr freige-
big, z. B. bezahlte er seinem Arzt für einen Be-
such 5Sr., der Briefträgcr erhielt für jeden über-
brachten Brief 1 Fr. ertra; war der Baron bei
guter Laune, so gab er der Kellnerin für jeden
Schvppen Bier 1 Fr. Ehampagner war sein Lieb-
lingsgetränk.

Nach einigem Verweilen in Schaffhausen bestellte
der Baron v. Eisenzapf eine Lußerst elegante Chaise
für 4000 Fr. Er versprach, schon wann die Chaise
in Angriff genommen sei, 2000 Fr. Daraufgeld,
ließ sich neue Klrider (in Winterthur) anfertigen
und machte Miene, ein großes Lager Ungarwein
hierher zu ziehen, sowie d.ie Frucht von seinen Be-
sitzungen in der Schweiz veräußern lassen zu wollen.
Seinem einzigen Bruder, Baron von Eisenzapf,
Lieutenant in österreichischen Dienften, sandte er
monatlich 100 fl. ö. W. Gehaltszulage u. s. w.

Anfangs Januar d. I. kam eine Depesche von
Wien, in welcher die erfolgte Absendung von 10,000
Doppelcentnern Frucht und eines Quantums Wein
angekündet wurde, während als Vorläufer einige
Fäßchen feiner Ofener eingingrn, ineistens zu klei-

nen Geschenken für Freunde oder Bekannte bestimmt.'
Auch die Muster von vem schönen Weizen, dem
Hafer und der Gerste kamen an.

Natürlich konnte es nicht Sache eines Barons
sein, die Früchte persönlich zum Verkaufe anzubie-
tcn, Hiefür sollten seine Freunde sorgen, welchen er
wirklich dafür einen Gewinnanthcil durch Vcrtrag
zusicherte und es soll ihnen auch gelungen sein, ^einen
Theil auf Lieferung hin an den Wann zu brjngcn.
Unterdeffey starb ein Onkel desBarons, es .wurde
eine Vollmacht verlangt und hrer rechtsgültig än-
geferttgt behufs Erhebung einer Erbschaft von

100.000 fl. ö. W.

Vor sieben Wochen endlich langte, von Ltndau
aus, der Frachtbrief für die oben bezeichnete Frucht
und den Wein an. Es hafteten nicht weniger als

40.000 Fr. für Fracht, Zoll und Spesen darauf.
Der He^r Baron war gerade nicht so stark bei

Casse, und^ troßdem ihm telegraphisch von der Cre?
ditansralt Zürich gegen einen hier vorgewiesenen,
mit Dutzenden von Unterschrrften und Siegeln ver-
sehenen Pfandschein Vorschüsse- angeboten wurden,
zog er es dych vor, bei Vertragscontrahenten und
wie es hetßt, auch bei Anderen, anzuklopfen, und
 
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