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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2810#0355

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Mittwoch, 16 April


18«2.

tt Die Jntervention in Mexiko.

Eink Zeitlang sprachen alle Anzeichen dafür,
daß die-merikanische Angelegenheit einen ähn-
lichen Bcrlanf nehmen könne, wie die sprische
genommen hat. England, welches sich an dieser
Jntervention nur belheiligt, nm vie franzö-
sischrn Machinationen zu überwachen und, wo
nöthig, zu durchkrenzen, dessen Hallung somit
eine rein demonstrarive war, machte bereils
seinen Frieden und schiffte seine Truppen ein;
die Trippelallianz schien gesprengt, und die
französisch-spanischen Plane vereitelt. Einzelne
Blätter brachten bereits Leitartikel über das
Fiaseo, welches Napoleon III. mit seiner Po-
litik auch in Meriko gemacht habe. Doch er-
scheinen jctzt alle diese Betrachtungen sehr vor-
eilig, und ver weitere Verlauf dieser Angele-
genheit dürste dieses Urtheil bewähren. Wenn
man auch der, selbst in biplomatischen Kreisen
verbreitet gewesenen Nachricht, der Kaiser wolle
neuerbings ein Heer von 30,000 Mann nach
Meriko senden, keinen Glauben schenken will,
so erhellt doch so viel zur Genüge, daß von
Seiten Frankreichs und SpanienS ein Aufgeben
der Erpedition nicht beabsichtigt wird. Factisch
isi, daß Napoleon, mit dem Gange der Dinge
in Meriko sehr unzufrieden, zwar nichk, wie
mitunter behauptet wurde, von Spanien die
Abberusung des Generals Prim verlangt, wohl
aber mit Rücksicht auf die Würde Frankreichs
den Friedenspräliminarien, welche Prim mit
dem merikanischcn General Doblado abschloß
und welchen sein eigener Admiral Z. de la
Gravivre bel'gestimmt hatte, seinerseits die
Zustimmung verweigert hat. Ais Grunv hier-
sür wird angegeben, daß immer noch Anarchie
in Meriko herrsche, unv daß vie Ausländer
forlwährend der ärgsteu Willkühr preisgegeben
seien. Der Präsident Juarez und seine Ge-
nerale seien voll Uebermuth, das Laud sei sür
die Jntervention (?) und die Aussicht aus die
baldige Ankunft der Nerstärkungstruppen ves
französischen Generals Lorencez bclebe die Hoff-
nZng, daß der Anarchie ein baldiges Ende
gemacht werde. Aus diesem Grunde besteht
der Kaiser der Franzosen auf einem siegreichen
Einzuge in Meriko, trotz dem Zurücktreten
Englands von dem Lonboner Tractate, und
hat die spanische Regierung, wie man sagt,
durch sehr energische Vorstellungen dazu be-
wogen, deu General Prim zu desavouiren.
Die letzten Nachrichten aus Madrid lauten in
diesem Sinne, ohne daß hierbei, nach ver
Mittheilung einiger Zeitungen, gerabe anzu-
nehmen ist, es habe eine völlig neue Stipu-

lation zwischen Frankreich und Spanien statt-
gefuiiden. -Was den General Prim betrifft,
so versicher» dessen Freunde, daß er mit dem
Plane der Gründung einer Monarchie in
Mrriko unbekannt gewesen oder denselben doch
nicht sür Ernst genommen habe, und deßhalb
den Merikanern freundlicher gegenüber getre-
ten sei, als man cs von Seiten des Tuile-
rtencabinets gewünscht habe. (Nach andern
Mittheilungen, deren Nichtigkeit wir dahin
gestellt sein laffen, soll sich Spanien in
neuester Zeit England mchr annähern und
von diesem durch vas Versprechen der Besitz-
nahme von ganz Haiti gewonnen sein. S.
Madrid, 12. April.)

Nach neueren Nachrichten müffen sämmtliche
Verstärkungen zwischen dem 12. und 15. März
in ber Hafenstadt Veracruz angelangt sein,
und General Lorencez wird dann von seinem
Lager bei Tehuacan ans wohl schon nach der
Hauptstadt Meriko zu aufgebrochen fein. Vom
sranzösischen Gesichtspunkte aus laffen sicffdiese
Maßnahmen Napoleons leicht begreifen. Eine
neue Auslage des sprischen Mißerfolgs wäre
ein tödtlicher Schlag für die Napoleonische
Präponderanz gewesen, so daß man von seiner
Seite Alles ausbietet, um einen ersolglosen
Ausgang der merikanischen Erpedition zu hin-
tertreiben. Eine völlig fruchtlos gebliebene
Heimkehr der französischen Soldaten hätte
einen ungemein üblen Eindruck auf Armee und
Flotte gemacht, und dies muß das Kaiserreich
gerade am meisten zu vermeiden suchen. Dazu
gehört es denn auch , daß man dem Erzher-
zoge Ferdinand gegenüber vie Miene beibehält,
als sei der merikanische Thron fo gut als er-
richtet, und als habe der Prinz, um diesen
Thron zu besteigen, nur zu erkiären, daß er
Vieses wolle. Die Hältung des sranzösischen
Kaisers soll sich in dieser Hlnsicht keinen Au-
genblick verläugnel haben, und ohwohl das
Beharren bei einer solchen Fiction kaum glaub-
lich erscheint, so soll sich^ zuverlässig erschei-
nenven Nachrichten zufolge, die Sache doch
ganz in der hier angedeuteten Weise verhal-
ten. Vorläufig muß man wohl annehmen,
daß Frankreich und Spanien allein das be-
gonnene Werk fortsetzen, bis abermals eine
neue Phase eintritt. Eine solche könnte sich
leicht ereignen durch die wieder erstarkte Macht
der amerikanischen Nordstaaten. Seitdem diese
ihre Bevölkerung an den Krieg gewöhnt und
bereits wichtige Erfolge erfochten haben, sind
sie weniger als je gesonnen, die sog. Monroe-
doctrin (wonach kein europäischer Staat sich
in die Angelegenheit des tpansatlantischen

Welttheils einmischen soü) fallen zu lassen,
und die Erikson'schen Batterien, die wenig-
stens für die nächste ZeiL der Unionsmarine
einen sehr hoch anzuschlagendcn Vortheil über
die europäische verleihen, werden die Ian-
kees eben nicht zu größern Rücksichten bestim-
men, als welche sie bis jetzt in solchen Fällen
zu erkennen gegeben haben.

* Politische Umschau.

Die „D. Allg. Ztg." berichtet aus Berlin:
Die Anzahl der officiellen Wahlumtriebe ist
eine so reichhaltige, daß wir nur zum kleinften
Theile darauf eingehen können.

Die „Niederrh. V.-Ztg." bemerkt: Es ge-
hört mit zu den Traditionen der „Wohlge-
sinnten" im Lande, möglichst bei jeder Gele-
genheit die Unabhängigkeit der preuß. Richter
zu rühmen. Jn Bezug hierauf verdient es
hervorgehoben zu werden, daß von sämmt-
lichen preußischen Gerichten, so viel bis jetzt
bekannt, nur ein einziges, das Handelsgericht
zu Trier, gegen den Wahlerlaß des Juftiz-
ministers Protest eingelegt hat. Dieses Ge-
richt hat freilich keinen einzigen Juristen als
Mitglied.

Von den preußischen Behörden ift, soviel
bekannt geworden, das Dorfgericht zu Dürr-
gop, Kreis Breslau, das erste, das gegen die
Wahlerlasse Protest erhebt.

Aus allen Provinzstädten kommen Zustim-
mungs-Erklärungen kausmännischer Corporatio-
nen zum Aufruf des Centralcomite's der Fort-
schrittspartei in Bezug auf den Besuch der
Leipziger Ostermesse. Jene Firmen, welche
sich des rechtzeitigen Besuchs nicht erwehren
und deshalb ihr Wahlrecht nicht ausüben
können, haben stch verpflichtet, am 28. April
Leipzig zu verlassen und so im Einklang mit
den Gleichgesinnken zu handeln.

Mehrere liberale Provinzjournale werden
von den Negierungspräsidenten und Landräthen
vurch materielle Bedrohungen ihrer Eristenz
so sehr beeinflußt, daß sie sich gezwungen
sehen, den Ton zu ändern uzid sich mindestens
im bevorstehenven Wahlkampfe gegen die
neueste preuß. Aera neutral zu verhalten.

Die Kommission der preußischen Generale
spricht sich, wie man allgemein versichert, für
die Ermäßigung des Militäretats aus und
man sieht einem Erlaß oder einer offizieüen
Kundgebung entgegen, wodurch der Wegfall
des Zuschlags von 25 Proz. dem Lande an-
gezeigt werden soll.

Cin Slückchen vom alten Blücher.

(Fortsetzung.)

Der Rittmeister sprang mtt lautem Lachen em-
por, rieb sich die erstarrten Hände mit Schnee und
betrachtete den gcbändtgten Gegner mit fichtbarer
Freude. Das Thier war ein alter Wolf, hager
und verhungert bis zum Entsetzen. Die Zunge
hing ihm lang aus dem geifertriefendeu Maul, die
langen Zotteln des Winterpelzes standen weit vom
Körper ab und aus den mtt Blut unterlaufenen
Augen bedrohte uns Tod und Verderben.

„Wird fich der Bursche nicht ganz stattlich im
Glanz der Lichter unter dem funkelnden Weihnachts-
baume ausnehmen?" fragte mich der Rittmeister,
und umging seinen Gefangenen von allen Seiten.
„Wahrlich, eine prächtigere Weihnachtsbescheerung,
als ich der gnädigen Frau zu Füßen legen werde,
möchte heute wohl Niemand etner Dame anzubieten
haben. Aber wie bringen wir das Thier fort?<'

Jch erlaubte mir zu bemerken, daß unsere Pferde
wahrscheinlich in gerader Richtung auf dem schon
oft zurückgekehrten Wege nach C. geeilt seien, und

knüpfte daran bie Vermuthung, daß man uns von
dort bald Hilfe entgegenschicken werde.

„Wirst Recht haben", entgegnete der Rittmeister;
„ich glaube, wir werden nicht lange zu warten haben,
denn wtr find höchstens eine viertel Meile von C.
entfrrnt und unsere Roffe müffen den Hof längst
erreicht und alarmirt haben. Wir können jeden
Augenblick auf Hilfe rechnen."

Und so gcschah es. Nach kurzer Zett hörten wir
etn mächtiges Halloh durch den Wald schallen; wir
antworteten, und gleich darauf,erschienen am Ende
der langen Wildbahn, durch welche der Weg lief,
zwei vom Mondlichte hell beleuchtete Schlttten, die
im vollen Jagen auf uns zueilten. Als der erste
Schlitten hielt, sprang Herr v. W. dem Rittmeister
entgegen und umarmte ihn mit großer Herzlichkeit.

„Brüderchen, Du lebst, bist unbeschädigt?" fragte
er theilnehmend, und betastete setnen Freund nach
allen Richtungen.

„Beim Himmel!" fuhr er fort, „als Deine Pferde
mit dem zertrümmerten Schlitten auf den Hofrasten,
fürchteten wir, daß Du unter die Wölfe gerathen
sein konntest, denn diese Thiere find in der letzten
Zeit in großen Rudeln gesehen worden und der

Hunger, den fie in diesem langen und harten Win-
ter erbulden, hat dieselben außerst wtlb und ver-
wegen gemacht."

„Na, ich hoffe, dte Thierchen werden wenigstens
in Zukunft etnigen Respect vor den Belltng-
schen Uniformen haben", sagte der Rittmeister la--
chenb, indem er auf den gefeffelten Wolf zeigte.

„Was tst das?" rief der kleine bewegliche Guts-
herr, fich nach dem Thier hinunterbeugend. „Das
Beest lebt ja!" schrie er plötzltch auf und sprang
mit der Behendigkeit eincr Katze zurück.

Der Rittmeister mußte erzählen. Als Herr von
W. endlich hörte, daß der gefangene Wolf für seine
Frau zum Wethnachtsgeschenk bestimmt sei, sprang
er lachend auf dem Schnee umher.

„Das ist ein prächtiger Einfall, wie ihn nur ein
Blücher haben kann!" rief er. „Der Spaß ist ja
fünfzig Flaschen Champagner werth, und Du, Brü-
derchen, sollst nicht eher aus meinem Hause kom-
men, als bis wir der letzten davon den HalS ge-
brochen haben. Aber jetzt in den Schlitten; meine
Frau erwartet uns mit Sehnsucht."

Der Rittmetster und Herr v. W. besttegen den
ersten Schlitten; auf den zweiten wurden die bei-
 
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