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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Januar
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LHLH Srscheint, MoiitagS aiisgenommen, taglich. ^e»»,»»^/»/» «<k2 ^k/»»»»»/»»* Jnsertionsgebühren für die Zspaltige Petit- M

»» PreiS vierteljährlich 54 kr. EV» ^t»»»»Att». zeilewcrdenmit 2 kr., bezw. 3 kr. berechnei.

*-j-^ Die Emanzipatron der Juden.

Dcr in der Sitzüng vom 20. d. M. den
Ständen vorgclegte Gesetzesentwurf, welcher
die bürgerliche Gleichstellung dek Israeliten
ansspricht, ist ein neuer Beweis, wie sehr es
unserer Regierung mit dem freistnnigen Fort-
schritt Ernst ist. Wenn über die Gerechtigkeit
und Billigkeit der vollständigen Emanzipation
überhaupt noch ein Zweifel bestehen wnrde,
so widerlegt ihn die Regierung selbst wohl
am besten durch die dem Entwurf beigefügte
trefsliche Begründung. Diese sagt unter An-
derem:

Die Hinwegräumung ver letzten Hinderniffe,
welche nach der jetzt bestehenden Gesetzgebung
noch der völligen Gleichstellung der Israeliten
mit der christlichen Bevölkeruug des Landes
entgegenstehen, ist nicht nur vom Standpnnkte
der Hllmanität und Civilisation eine unab-
weisbare Forderung der Gerechtigkeit; fie er-
gibt stch auch in logischer Nothwendigkeit aus
der folgerichtigen Entwicklung der Grundsätze
unserer Verfaffung, insbesondere des Grund-
satzes, daß die Ausübung der staatsbürgepkichen
Nechte unabhängig sein solle von'der Konfes-
ston. Die Gleichheit der Nechte, welche bei
dem höheren politischen Verhältnisse zum Grund-
satze erhoben ist, kann unmöglich auf die Dauer
den untergcordneteren gemeindebürgerk'chen Be-
ziehungen verweigert werden. Ieder prin-
zipielle Einwand gegcn die bürgerliche Gleich-
stellung der Israeliten ist damit von vornher-
ein beseitigt. — Schon bei der Berathung über
den §. 58 des Bürgerrechtsgesetzeß, wetcher
die Anwendung der neuen Gemeindegesetzge-
bung auf die Israeliken ausschließt, betrach-
tete man den damals geschaffenen Zufiand als
einen ganz vorübergehendeu, welcher der völli-
gen Gleichstellung Platz machen sollte, 'sobald
„die der weiteren Eivilisation der Iuden ent-
gegenstehenden Hinderniffe beseitiist wären." —
Daß solche Hindernisse jetzt noch'bestlinden,
wer möchte es zu behaupten wagen, nachdem
die Jsraeliten die Vorschule, welche ihnen die
Gesetzgebung Karl Friedrkchs eröffnete, mehr
als ein halbes Iahrhundert hindurch mit an-
crkennenswerthem Erfolge durchgemacht haben,
nachdem scit 13 Jahren die Fähigkeit der Is-
raeliten zur Ausübung der höchstkn politifchen
Rechte im AUgemeiuen durch die Verfaffung
ailcrkannt, unb dufch deren Vollzug im Ein-
zelnen bestätigt ist und man als das einzige
noch vorhandene Hinderniß der freien Entwick-
lung und Ausbildung der natürlichen Anlagen
dieser Klasse von Staatsbürgern ebcn jene ge-

setzlichen Schranken zu bezeichuen wohl berech-
tigt ift, deren Bescitigung man ohne ungerecht
zu sein nicht ferner von dem ihnen eben da-
durch abgeschnittenen oder wesentlich erschwer-
ten Uebergang zu höherer Kultur abhängig
machen kynn.

Es hicße aber einen ganz unberechtigten
Zweifel in das natürliche Gerechtigkeitsgefühl
und den gesunden Sinn der christlichen Be-
völkerung des Landes setzen, wollte man an-
nehmcn, daß auch nur eine große Minderheit
im Volke geneigt sei, einer Klasse von Staats-
angehörigen, welche längst alle Staatspflichten
mit derselben Bereitwilligkeit, wie andere Con-
fessionsangehörige, erfüllt, blos um ihrer
Religion willen in einer sehr wichtigen
Beziehung die Gleichberechtigung mit den übri-
gen Staatsbürgeru vorzuenthalten.

Wenn man in den Jahren 1849 und 1850
bei der damaligen politischen und ökonomischen
Lage des Landes, im Interesse der Jsraeliten
selbst, Bedenken trug, die gemeindebürgerliche
Gleichstellung gleichzeitig mit der staatsbürger-
lichen durchzuführen, so muß dagegen der
fetzige Zeitpunkt als ein dieser DurchführnnM
besonders günstiger bezeichnet werden. Die
politische Gährung hat einer ruhigeren, ge-
läuterteren Anschanung über die gegenseitigen
Nechte der im Staate vorhandenen Stände
und Eiuzelnen Platz gemacht, die Ueberzeu-
gung, daß nur die möglichst freie Entfaltnng
der Individualkräfte zur größeren Vollkommen-
heit des Ganzen führe, ist mehr und mehr
durchgedrungen; auf der anderen Seite ist,
Dank einer Neihe von günstigen Umständen,
der durchschnittliche Wohlstand der Bevölke-
rung des Lanbes auf einem Punkte angelangt,

entscheideudes Gewicht beigelegt zu weiden
'braucht; dazu kommt, daß die Freizügigkeit
im Handel und Gewerbe, welche wohl noch
auf diesem Landtage zum gesetzlichen Grund-
satz erhoben werden wird, und vou welcher
die Jsraeliten nicht ausgeschloffen werden kön-
uen, noch sollen, den letztern eine neue Bahn
für die Eutwickelung ihrer Kräfte und die
Annäherung an christliche Sitte und Lebensart
eröffnen, und zur Besiegung der etwa noch
vorhandenen vereinzelten Vorurtheile und Lei-
denschaften gewiß mächtig beitragen wird.

*Politische Umschau.

Herr v. Mohl wurde in der gestrigen Bun-
destagssitzung zum Gesandten für Waldeck
bevollmächtigt. Die Vollmacht ward aner-
kannt.

Heute Abend findet eine sogenannte freie
Vereinigung, d. h. eine Zusammenkunft aller
Mitglieder der preußischen Kammer, die stch
mit Volkswirthschaft bejchäftigen, gleichviel,
welcher Partei ste angehören, statt. Die An-
regung zu dieser Vereinigung ist von den
Führern der Freihandelspartei ausge-
gangen.

Üeber die preußische Thronrede courstrt
nachträglich ein Witzwort, das ihren allge-
meiuen Eindruck sehr bündig characteristrt:
„Sie weiß die brennenden Fragen so sehr zu
würdigen, daß sie förmlich die Hand davon
läßt."

Das preuß. Abgcordnetenhaus läßt sich
ganz in der Weise au, wie wir befürchtet
haben. Die „Fortschrittspartei" selbst hat
beschlossen, einen Antrag aufdie Antwortsadreffe
nicht zu stellen. Wir haben uns bereits frü-
her über die Frage ausgesprochen. Unserer
Anstcht nach, äußert die „N. Fr. Ztg.", ge-
bührt es blos einer durch fürstliche Gnade
in einem absoluten Staat berüfenen Versamm-
lung, die Willensmeinung des unbeschränkten
Beherrschers schweigend über sich hingehen
zu lassen. Daß man mit all den schönen
Dingen, die man bei Fassung jenes Club-
beschlusses tröstend und verheißend aussprach,
zu nichts kommt, wird die Zukunft nur all-
zubald lehren. Wie es in dem Abgeordne-
tenhause aussieht, davon haben die Commis-
sionswahlen schon ein sprechendes Beispiel
geliefert: der vor Allen tüchtige Diesterweg,
der ausgezeichnetste Mann seines Faches, ist
von der Unterrichtskomlvission ausgeschloffen!

Die deutsche Fortschrittspsrtei hat sich mit
der Fraction Grabow jetzt einverstanden er-
klärt, von Abfassung einer Adresse auf die
Thronreve Abstanv zu nehmen.

Bei der Nachwahl in Kozmin ist der Pole
v. Niegolewski wiedergewählt worden. Es
wird abzuwarten sein, ob derselbe diesmal
die Gewogenheit haben wird, sein Wahlzeug-
niß in deutscher Sprache anzunehmen und da-
durch eine' dritte Ausgabe für die Wahlreise
den Wählern zu ersparen.

In Hannover wurde einem Maurer, der
schon Iahre lang Bauarbeiten, selbst schon
für den Staat, aufführte, aufgegHben, die
bisher unterlaffene Meisterprüfung zu befte-
hen. Ursache hierzu gibt der Umstand, daß
fraglicher Mann eine Zustimmungsadreffe an
Hrn. v. Bennigsen unterzeichnet hat.

Die hannoverischen Kammern sind heute in
der üblichen geräuschlosen Weise eröffnet
worden — zum letzten Mal in ihrem gegen-

Ein Frauenherz.

(Fortsetzung.)

Die Besitzung, welche Lindenau vor den Thoren
ihrer. Väterstadt hatte, war ein Lieblingsort Al- !
bertinens gewesen und manche Veränderungen in ^
dem Park hatte der Graf nach ihren Angaben ge- !
troffen. Dort bcfanden fich dre schönen Treibhäuser, !
welche er für die Bälle plünderte, und die Moos- !
rosen, welche ihr allein Blumen spendeten. — Lin- !
denau wußte, düß sie diesen Ort liebte, den er der !
ganzen Stadt als Sonntagspromenäde gestattete, !
und wie oft hatte er davon gesprochen, ihr hier ein !
kleines Paradies zu schaffen!

Es sollte in fremde Hände kommen, dieses Gut, !
welches Albertine als zweite Heimath betrachtete; !
konnte er damit etwas Anderes wollen/ als das !
letzte Band, das der Erinnerungen, zu zerreißen? s

Albertine ward Braut. Das Glück schien von !
ihrer Seite zu strahlen, abcr zuweilen war eß, als ^
werde sie von einem seltsamen Schauder befallen. !
Die Stirn umwölkte sich, das Auge starrte vorstch !
hin; dann schrack fie plötzlich auf, als erwache fie ^

aus einem Traum und antwortete dem besorgten
Bräutigam lächelnd, „es ist nichts", und wurde so-
dann heiter bis zur Ausgelassenheit.

Am' Hochzeitsmorgen brachte ihr Tiefen ein Bou-
quet von Moosrosen. Schon bei dem Anblick dieser
Blumen war sie erbleicht, sie prüfte das Bouquet
und ihre Hand zitterte; solche Blumen hatte Nie-
mand in der Stadt, sie waren aus Lindenau's
Gartcn.

Der Blick der Mutter brachte sie wieder zu sich;
Albertine fühlte, daß sie nahe daran gewesen, das
Geheimniß zu verräthen, das sie tief in ihrem Her-
zen verschlossen.

„Du kennst diese Blumen", sagte lächelnd Tiefen,
der ihre Bewegung nicht bemerkt hatte, da er voll
von der Ueberraschung war, die er ihr bereiten
wollte; „ich habe das Gut gekaüft, welches Du so
gern bcsuchst, und bringe es Dir zur Morgengabe."

„Du hast es gekauft?" rief sie in einem so cige-
nen Tone, daß er befremdet aufschaute, und daß
sie selbst davor erschrack. „Ich glaubte Dich nicht
so vermögend", setzte sie erröthend hinzu, „das ist
zu vicl!"

„Es ist j'a für unS Bcide", erwidertc er. „Uebri-

gens habe ich bei dem Kaus Glück gehabt. Es
wkren bereits fünfzigtausend Thalcr geboten, als

kaufen. Gestern wurde mir das^Gut für vie Hälfte
angeboten. Der Graf scheint Geld nöthig zu habcn."

Albertine schaute bei diesen Worten unwillkür-
lich auf ihre Muttcr und sah in den Augen der-
selben Thränen perlen. Der trübe Blick der Mut-
ter ließ ihr keinen Zweifel, daß sie dasselbe fühlte,
was ihr Herz in diesem Moment überwältigend er-
griff: Lindenau verkaufte nur, damit sie in dem
Hause wohne, das er für sie eingerichtet und das
ihr so lisb von Kindheit an gewesen, und wo Lin-
denau's verstorbener Vater sie oft scherzend die zu-
künftige Herrin von Lindenau genannt.

Sie vermochte es nicht, die Thränen ins Auge,
zurückzudrängen, kein Wort der Erklärung dem be-
troffenen Baron zu geben; Alles, was sie seit jenem
Tage gefühlt, wo Lindenau von ihr geschieden, be-
ftürmte jctzt ihr Hcrz und ließ es bluten.

„Du bift unglücklich!" fiüsterte die Mutter, wäh-
rend Tiefen aus Zartgefühl zurücktrat; „noch ist
es nicht zu spät — Tinchen, soll ich es ihm sagcn,
daß Dein Herz einem Andcrn gehört? — Du bist
 
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