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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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* Politische Umschau.

Nach der „B. u. Hdlsztg." ist die Staats-
anwaltschast jetzt dem Minister des Innern
zur Versügung gestelll, so daß Herr v. Ia-
gow in der Lage ist, bie Oberstaatsanwälte
unmittelbar ohne Vermittelung des ihnen vor-
gesetzten Iustizministers zu requiriren. We-
nigstens scheint diese Competenz dem Mini-
ster des Innern in ben ihm wünschenswerth
erscheinenben Proceduren gegen die Prefse ein-
geraumt worden zu sein."

Den „Hamb. Nachr." wird von Berlin ge-
schrieben: Wie in unterrichteten Kreisen ver-
lautet, hat der König einem hohen Beamlen,
ber ihm das Ergebniß der Wahlen mittheilte,
die Worte gesagt: „Ich habe meine Entschei-
bung getroffen."

Der Bürgermeister von Mühlhausen, wo
'so arge Ercesse am Wahltage verübt worden
sind, hat sich erhängt.

Die in Franksurt a/M. erschienene Bro-
schüre „Die Deutsche Frage" von Schweitzer
ist gestern in den Berliner Buchhandlungen
confiScirt worden.

In Bregenz, wo die Protestanten lwch
keinen eigenen Gottesacker haben, mußte die
Leiche des in den letzten Tagkn bort verstor-
benen Majors v. Raht, um den Störungen
von ^seite der katholischen Bevölkerung bei
protesiantischen Begräbnissen auszuweichen nach
Stuttgart gebracht werden.

Den neapolitanischen Fischern ist erlaubt
worden, an der römischen Küste zu schiffen,
weil man ihre Barken zur Einschmuggelung
der Briganten aus dem Seeweg benutzen
kann.

AUe, welche Zeugen des triumphirenden
Einzugs gewesen stnd, welchen Viktor Ema-
nuel gestern in Neapel gehalten hat, zweiseln
nicht mehr an der italienischen Einheit, und
wagen es nicht mehr, von neapolitanischlr
Aulonomie, noch von Unpopularität oer ital.
Regierung in den Südprovinzen zu redeu.
Die Nachrichten übe,r die Herzlichkeit des
Empfangs lauten alle einstimmig.

Die vom König beim Empsang der Depu-
tirten gehaitene Rede, in welcher er die Lö-
sung der römischen Frage als demnächst be-
vorsteheud bezeichnete, hat ungeheure Sensa-
tion erregt.

Der König Victör Emanuel wird in der
nächsten Woche einen ,Besuch in Palermo
machen, ein Schritt, der von heilsamen Folgen
sür die Insel sein wird.

Der Iahrestag der Abfahrt Garibaldi's

nach Marsala ist mit Demonstrationen und
dem Ruf: Es lebe Rom und Venedig! ge-
feirrt word'en.

Die „Bayrische Zeitung" meldet: aus Pa-
ris sei ein Telegramm hier eingetroffen, dem
zufolge die französischen Truppen Befehl er-
halten hätten, Rom zu räumeu.

Nach der „Jndep." soll eine nahe Lösung
der römischen Frage im italienischen Sinne
bevorstehen. Der Papst soll Vorbereitungen
zur Abreise treffen.

Nach Privatnachrichten aus Neapel besucht
der König daselbst die öffentlichen Anstalten
uub wirb überall von der Bevölkerung mit
großen Freudenbezeugungen aufgenommen. Er
wirv sich auch dieser Tage nach Pompeji be-
geden, wo in seiner Gegenwart verschiedene
Ausgrabungen vorgenommen werden sollen.
Jm Circus daselbst wird ihm zu Ehren ein
großes Fest gegeben werden. Die Schatten-
decke, welche man bei diefer Gelegenheit auf-
spannen wird, beschattet einen Naum für
30,000 Personen.

Die „Opinion nationale" erhält folgende
Nachricht, „die in Neapel die Heftigste Auf-
regung hervorgerufen hat", nämlich: „Ein
Major der. ehemaligen Armee und bourboni-
stischen Polizei wurde in Neapel verhaftet
und es wurden die Papiere bei ihm gefunden,
in denen der Beweis liegt, vaß dieseS Indi-
viduum das Haupt einer Verschwörung ist,
die einen Anschlag auf das Leben Vicior
Emanuel's zum Zwecke hat.

Im belgischen Senat wurde der Gehalt für
den Gesandten beim König von Jtalien be-
willigt. Rogier erklärte, er habe das Mini-

die Anerkennung des Königreichs Italien
durchznseßen, da Belgien ein eigenes Inte-
resse varan habe, daß constitutionelle Freiheit
sich innner weiter verbreite. Frere wundert
sich, wie die Clerikalen solchen Unsinn, wie
die Unterdrückung von 17 Millionen Italie-
nern durch vier Millionen Piemöntesen, nun
vorbringen mögen. Bischoffsheim erinnert an
die harten Urtheile, die man auch über die
belgische Revolution im Auslande gefällt habe,
und daß man daher bei Beurtheilung gleicher
Ereignisse in fernen Ländern etwas vorsichti-
ger sich aussprechen sollte.

Spanien schickt sich an, Verstärkungen nach
Meriko abgehen zu lassen.

Die mit Spannung erwarteten Löahlen für
die totale Erneuerung des großen Rathes der
Cantone Bern und Neuenburg sind in radi-
kalem Sinne und in Bern zu Gunsten des

Eisenbahnbaues von Staatswegen ausge-
fallen.

Jn Folge der leßten aus Meriko eingetrof-
fenen Nachrichten hat man beschloffen, jeden
Monat Verstärkungen für die französischen
Erpeditionstruppen nach Meriko zu schicken.

Aus Warschau wird gemeldet, der Bruder
des Kaisers/ der Großfürft Michael, den man
für sehr liberal hält, werde zum Gouverneur
von Polen ernannt werden.

Deutschland.

Karlsruhe, 5. Mai. Se. K. Hohett der Großh er«
zog haben den AmtSrichter Zohann Gutsch tn Wall-
dürn bis zur Wieverherstellung seiner Gesundhett in den

Karlsruhe, b. Mai. Wie der „K. A."
schreibt, wolle die Commissio n der H. Kammer
in bem Entwurfe der neuen Gerichtsver-
fassung keine Appcllationssenate, sonbern
förmliche Obergerichte und statt Oberhofgericht
den Namen Oberlandesgericht in Vorschlag
bringen. Die Amtsgewalt der Amtsgerichte
soll auf 150 fl. und auf 4 Wochen Gefäng-
nißstrafe herabgesetzt worden sein.

x Heidelberg, 5. Mai. Siebenzehn
Iahre sinv verflosseu, seit Iohannes Ronge
das erstemal aus seiuer Rundreise Heidelberg
besuchte. Damals giugen die Wogen der gei-
stigen Bewegung weit höher als jetzt und ganz
Deutschländ jauchzte seinem Briefe aus
Laurahütte zu. Zu jener Zeit durfte er hier
keinen öffentlichen Vortrag halten, sondern
mußte in Trinkfprüchen Andeutungen über die
Glaubensverbesserung den Anwesenden dar-
legen. Ietzt hat sich die Sachlage bedeutend
geändert, er durfte frei unv ungehindert in
zahlreicher Versommlung sprechen; allein die
Begeifterung ist verschwunden und Gle.ichgül-
tigkeit an deren Lttelle getreten. Er ist noch
der eifrige Mann wie ehemals, aber die Spitze
ist der geistigen Bewegung längst abgebrochen.
Somit war denn auch von seinem Auftreten
kein thatsächlicher und erheblicher Erfolg
zu erwdrten, obgleich seine Nede Wahrheiten
enthielt, welche manchem Denkenden Stoff zur
Erwägung darbieten konnten. Sein religiöser
Sinn gab sich kund in den wunderschönen Ge-
beten, die leider wegen allzu leisen Vortrages
in der Ferne nicht verstandeu wurden. Frei-
lich kamen Manche nur, um den Wundermann
einmal zu sehen und zu hören, dem es einst
gelang, so sehr die allgemeine Aufmerksamkcit
auf sich zu richten unh dessen Name immer in
der Geschichte der Glaubensverbesserung bes

Dritte General-Versammlung

des volkswirthschaftlichen Vereins sür Südwest-
Deutschtand.

Mannheim, 3. Mai. Nachdem dte Versamm-
lung in dem geschmackvoll decorirten Saale dtr
Aula vom Bürgcrmeister Nestler willkommen ge-
heißen worden war, erstattcte der Präsident des
Vereins, Dr. Paffavant, Bericht über dte Thätig-
kcit des Vereins im versiossenen Halbjahre. Die
Zahl der Mitgliedcr ist auf 656 gestiegen. In der
Casse ist aus dem verflossenen Jahr noch ein Ueber-
schuß von 75 fl. Außer dem Flugblatt über die
Volksbanken von Franz Wirth und dem zwciten
über das Salzmonopol von Director Schröder,
erwähnte der Vorsitzende vorzugsweise dte Grün-
dung von Vorschuß- und Rohstoffvcreinen, welche
namentlich in der jüngsten Zeit unter Mitwirkung
von Vereinsmitgliedern in großer Anzahl gegrün-
det worden sind. Als den Glanzpunct der Vereins-
thätigkcit bezeichnete der Vorsitzende aber dic Wirk-
samkeit Dr. Julius Faucher's, der in über 30
Städten in ungcfähr 120 Vorträgen wesentlich da-
zu bcitrug, die öffentliche Metnung von der Noth-

wendigkeit der Gewerbefreiheit und Fretzügigkeit
für das natiouale Wohl an dem Beispiel Englands
zu überzeugen. — Nachdem hieraüf das Bureau
wie folgt, constttuirt war: Dr. Paffavanr als Prä-
sident, Director Schröder und Dr. Ladenburg aus
Mannheim als Vicepräsidenten, Dr. Cnyrim aus
Frankfurt, die Herren Kapfev und Hirschberg als
Sccretairc, ergriff Dr. Braun aus Wiesbaden das
Wort als Berichterstatter in der Freizügigkeitsfrage.
Derselbe wies nach, wie der Fortschritt auf dem
ganzen Gcbiet dcr volkswirthschaftlichen Freiheit
Hand in Hand mit der Freizügigkeit gehen müsse,
um die gefürchteten üblen Folgen zu verhüten. Die
Nachtheile deS Mangels an Freizügigkeit wies der
Rebner in zahlreichen Beispielen nach: wte z. B.
chie tüchtigsten Arbeitskräfte und Talente durch den
Mangel an Freiheit aus dem Lande getriebcn wer-
dcn und von England und Frankreich aus, deren
Wohlstaub und Wehrkraft sie verstärken helfen,
unseren Gewerbtreibenden diejenige Concurrenz
machen, welcher fie durch die Unterdrückung der
Freiheit zu entgehen vermeinen. Der Mensch sei
mit Bewegungsorganen geboren; — das Recht, zu
arbeiten, wie und wo man will, fei ein natürliches

Recht; verkümmere man dieses, dann gerathe man
auf den Abweg des Söcialismus. Der Redner
wies ferner nach, wie Freizügigkett und Freiheit
der Arbeit das einzige Mittel gerade gegen den
Pauperismus sei, welchen man fürchte. In Hin-
ficht auf die legislative Ausführung der Freizügig-
keit stellte sich der Redner auf den Standpuukt deS
Gothaer Vertrags, von welchem aus diese Reform
zweckmäßig bewerkftelligt wcrden könne; oder nach
dessen Analogie entweder durch ein allgemeines
Bundesgesetz, oder auf dem Wege des Vertrags,
die Freizügigkeit durch ganz Deutschland hergestellt
werden könne. Schließlich wies der Berichterstatter
eine Reihe von Einwürfen der Gegner der Fret-
zügigkeit mit sehr einleuchtenden Gründen nach: er-
klärt u. A. das Proletariat für einen französischen
Begriff, der in Deutfchland eigentlich gar nicht eri-
stire, sondern aus Frankreich erst tmportirt worden
sei. Wer ehrlich von sejner Arbeit lebe, sei kein
Proletarier. In Rußland herrsche die Freizügig-
keit, und was die Ruffen vcrtragen, könne doch die
hochgebildete deutsche Natton auch vertragen. (Hei-
terkeit.) Der Berichterstatter verzichtet auf die Vor-
lage eines förmlichen Gesetzentwurfs, weil deffen
 
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