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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Januar
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7.


Donnerftag. s. Zanuar L8«2.

Zur Lage Kurheffens.

Alle Berichte aus Kurheffen, die he'üte vor«
liegen, beweisen aufls 'Neue die Aüsdehnüng
und Intensität des Kampfes um die alte Ler-
fassung. Es kanm bei Niemand ein Zrbeifel
mehr darüber obwalten, daß aüf der einen
Geite das gesammte Volk, auf der andern
blos ein alleinstehender Eigenwille sich findet.
Ebenso ist es augenscheinlich, daß das kur-
hessische Volk, stark und unerschütterlich in
seinem Nechtsbewußtseln, nicht nachgeben wird.
Und mit dem kurhessischen Volke sind alle
übrigen Stämrne Deutschlands, ist unsere ge-
sammte Nation einer und derselben Ueberzeu-
gung. JeVermann muß einsehen, daß die
Dinge in dem Stadiüm, in welchem sie sich
eben befinden, nicht verbleiben könneN. Schon
ist man bis zum Beginne der Steüerverwei-
gerung gelangt. Was wird, was muß sich
aus dem Ganzen cntwickeln, wenn die Hart-
näckigkeit eines Einzelnwillens sich ferner dem
allgemeinen Rechtsbewußtsein widersetzt? Der
BuNdestag hat freilich Niemäls die Wahrung
der Volksrechte, den Regierüngen gegenüber,
sondern immer nur das GegenHeil äls seine
Aufgabe angesehen, — wenngleich im Wider-
spruch mir jenen vielverhciffenden A^ußerün-
gen des österreichischen Bundespräsidialgesattd-
ten bei der ersten Ervffnung der Versammlung.
Aber wie dem sei, so sollte sich selbst dem
Bundestage endlich die Frage aufdrängen:
ob denn das so sorgsam gepsiegte „monarchische
Princip" gewahrt werden kann durch die
Fortdauer des jetzigen Kampfes? ob nicht ge>
rade dasjenige Interesse, welches der Bun-
destag vertritt, am allerdringendsten forbert,
enblich durch Wiederherstellung des gebrochenen
Rechtes dem Kampf ein Ende zu machen?
Der Bundestag hat seiner Zeit aus Klug-
heitsrücksichten die ganze Umgestaltung in
Braunschweig sanctionirt. In Kurheffen han-
delt es sich zur Zeir um weit weniger, und
hier bilden positive Rechtsansprüche die
Grundlage. Sind in diescm Fall etwa die
Klugheitsrücksichten schwächer? Fort und
fort erklärt man die erschöpfendften Kriegs-
rüstungen für briugend gebotcn. Und da
sollte es, während vie Negierungen sclbst ei-
nen furchtbaren Kampf gegen das bereits
nbermächtig gewordene Frankreich in Aussicht
nehmen, gleichgültig bleiben, ob die deutschen
Völker zufrieden sind oder ob man ihnen die
gegentheilige Stimmung da oder dort wahr-
haft aufzwingt? Wahrlich es thut noth, daß
diejenigen deutschen Negierungen, welche das

gegen das wackere kurhessische Volk verübte
schreieude Unvecht als solches anerkennen, in
anberer als der bishcrigen Weise, nämlich
entschieden und nachdrücklich auftreten. Nahm
sich der Bund früher die Befugniß, etwas zu
thun, was heute von allen Unbefangenen als
ein Unrecht aiigesehen wird, so muß er sich
auch die Befugniß vindiciren, das Recht, und
damjt Ruhe und Frieden bei einem braven
deutschen Bdlksstamme endlich wieder herzu-
stellen. Anf dem jetzigen Wege — darauf
verlasse maN sich — gelangt man nicht zum
Zielc! (Fr. HdSzltz.)

Deutschland.

Karlsruhe, S. Jan. Das außcrordent-
liche Bubget der Poft- und Eisenbahnbetriebs-
verwaltung für 1862 und 1863 bringt, wie
bereits mitgetheilt, die Snmme vön 574,350 fl.
in A^forderung. Ihre Verwendung soü fol-
genden Zwecken dienen: für die noch nicht
beendigte Ergänzung und Verlängerung der
Einsteigetrottoirs, sowie für Errichtung von
Schirmdächern in verschiedenen Bahnhöfen
5000 fl.; für Erweiterung der allzu kleinen
Bahnwärterwohnungen 20,000 fl.; für Er-
weiterung der Aufnahmsgebäude zu Kenzingen,
Emmenbingen, Müllheim undEfringen5500fl.;
für die Wohnung eines zweiten Bahnwart in
Wiesloch 800 fl.; für Umwandlnng des Coaks-
Magazins im hresigen Bahnhof 1500 fl.; für
Herstcllung eines laufendenBrunnens imBahn-
hof zu Baden 1500 fl.; für Erweiterung des
Ausnahmegebäudes in Achern 3000 fl.; für Er-
weiterungb.Güterschoppens inRenchen4000fl.;
für Herstellung von Brunnen in mehreren Bahn-
höfen mrtgenießbarem Waffer 6000 fl.; für Gau-
benherstkllung im Baseker Bahnhof 600 fl.;
fur Verbreiterung der Trottoirs im Bahnhofe
zu Oos vön 17 auf 24' und die dadurch be-
dmgte Veränderung ber Fahrgeleise 8300 fl.;
fur Herstellung einer Drehfcheibe und einer
neuen Wagenremise im Badcner Bahnhofe
20,000 fl.; für Erweiterungen im Aufnahm-
gebäude 'zu Freiburg, insbesondere für Her-
stellung eines Restaurätionslocals 15,800 fl.;
für Erweiterung der Personenstatiön Klein-
laüfenburg 9600 fl.; für Herstcllung von
Schneesängen 6000 st. durch Anpflanzen von
Rothtannen statt der bisher üblichen Holz-
wände. Für Vervollständigung des Betriebs-
materials sind 40,000 fl., für Unterhaltung
und Wiederherstellung der Eifenbahn 36,000 fl.;
für den Umbau der Längschwellengeleise in das
Querschwellknsystein 348,000 fl. und für Her-

stellung des Telegraphen auf den Bahnen von
Karlsruhe nach Mühlacker, Heidelberg nach
Mosbach und für dic Wiesenthalbahn 19,350 fl.
beantragt. In Folge der Zunahme des Ver-
kehrs und.der Eröffnung neuer Bahnstrecken
tritt bei dem Personale, vorzugsweise aber
bei dem niederen eine erhebliche Vermehrung
ein. Sie wird aber immerhin im Vergleich
gegen den Personalbestand anderer Bahnen
und deren Aufwand keinen ungünstigen Z8-
stand herbeiführen. Die hiesigen Großhand-
lungshäuser haben an das großh. Handels-
minifterium eine Eingabe wegen Einrichtnng
einer directen Versendung nach Holland ein-
gereicht. Jn Entsprechung dieses Gesuchs wür-
den die Speditionsgebühren, welche in Mann-
heim erhoben werden, in Wegfall kommen,
und dadurch eine billigere Versendungsweise
eintreten. (Mh. I.)

Karlsruhe, 6. Ian. Wir erfahren, so
schreibt die „Bad. Ldsztg.", daß der Abgeord-
nete Dahmen öffentlich einen Zweifel an der
Eristenz der von uns gemeldeten Adresse sei-
ner Wahlmänner erhob, angeblich, weil ihm
dieselbe noch nicht zugestellt s?i. Wir bemer-
ken deßhalb, daß gleichzeitig mit der uns zu-
gekommenen Nachricht auch jene Wahlmän-
nererklärung an Herrn Dahmen abging, die
also jedenfalls jetzt an jhre Abresse gelangt
sein wird.

* Karlsruhe, 7. Ian. Der Herr Ab-
geordnete Dahmen hat ein weiteres Schrei-
ben an die Redaction der „B. Lztg." gcrich-
tet, worin er im Beginne wegen einer von
derselben nicht aufgenommenen Berichtigung
mit gerichtlichen Schritten droht, und bezüg-
lich der ihm zugckommenen Erklärung aus
seinem Wahlkreise folgendes Schreiben ver-
öffentlichtr

„Wolfach, am 4. Januar 1862.
Artikel, datirt Wolsach, 31^ Dez., eNthalten tst, welcher

Joftph Büh'reV'^ ' ^ 6 h fw h

Der driite Wahlmann von Wolfach, Hrrr
Oberamtmann v. Krafft-Ebing, sri inzwischrn
durch scine Pensionirung vcranlaßt wordcn,
von Wolsach wcgzuziehen.

Hr. Dahmen überläßt nunmehr den Lesern

Eigener Hcrd.

(Schluß.)

und damit war der Friede und das gute Einver-
nehmen allerseits hergestellt. Die Angehbrigen dcr
Bergwieser Gemeinde begrüßten Balthes und Loni
und erklärten, wenn die Seekirchner sie nicht auf-
nähmen, so sollten sie nur zu ihnen kommen. Da-
gegen that aber der alte Vorsteher von Seekirchen
Einspruch. Er war heraufgekommen, um den Her-
gang mitanzusehen und gerieth bei der unvermu-
theten Wendung begreiflich in einige Verlegenheit.
Der Anlaß, das Wort zu ergreifen, war ihitt da-
her der Ausgleichung wcgen wrllkommen. „Du
wirst uns nichts nachtragen, Balthes", sagte er,
ihm die Hand bietend, „wir haben nie 'was ge-
habt gegen deine Pcrson oder gegen die Loni; wir
haben nur unsere Schuldtgkeit gethän für die Ge-
meinde. Ietzt, wo der König der Sache den ein-
zigen Haken genommen hat, rvird's uns alle freuen,
wenn ihr bald in der Gemeinde seid und Hochzeit
machen könnt."

Balthes war zu gutmüthig, die gebotene Hand
zwückzuweisen; mit dem erreichten Ziele war seiu
ganzer Groll verschwunden. Wie triumphirend führte
er Loni in die Thurmwohnung zwück, und ehe die
Belagerer fich zur Rückkehr anschickten, drängten
fich alle irach, dicselbe zu sehen und Balthes' Ge-
schicklichkeit zu bewundern, der sie so gapz ohne
Beihilfe hergestellt hatte.

Freudigen Sinnes blieben Balthes und Loni da-
selbst zwück, -- letztere besonders athmete neu auf
und konnte fich nicht genug daran erfreuen, daß
fie nun nicht mehr nöthig hatten, die Thurmstiege
hinauszu^iehen.

Bald traf in Seekirchen ein Hofcavalier ein, der
im Auftrage des Kbnigs fich um ein etwa feil stehen-
des Gütchen erkundigte. Es fand sich ein solches,
das dann öer König kaufte und seinem Pathen zum
Angebinde schenkte.

Schnell war nun auch der Tag zur Hochzeit fest-
gesetzt. Am Abend zuvor ließen Balthes und Loni
ihre Habseligkeiten aus dem Rauhenstein in ihr
neues Besitzthum hinunter bringen und nahmen
unter Thränen Abschied von dem Zufluchtsorte, wd
sie so viel schwere, aber auch viele schöne Tage ver-

lebt hatten. Besonders Balthes war fehr ergriffen
— noch am Fuße des Berges wandte er sich um,
sah wie sehnsüchtig nach dem Thurme empor und
rief: „Gott weiß, ob ich froh bin, daß es so ge-
kommen ist... aber glücklicher, als wir da oben
gewesen sind, können wir drunten doch nicht werden!"

Lags daraus wandelteu beide mit erhobenen Her-
zen im fröhlichen Brautzuge dcn Kirchenhügel hinan.
Die BLnder flatterten wie vor anderthalb Jahren
dwch das Schlehdorn- und Haselgebüsch, Pistolen-
schüsse krachten, Iubelgeschrci ertönte und die Töne
von Horn und Clarinette klangen gar einladend
dazwischen. Von der Gestadmühle blickte aber dies-
mal Niemand herüber, der Müller selbst verkroch
sich im Werk und ließ die Wehr los, damit er ja
nichts hören konnte vor dem Getösc^des Waffers
und der Räder. Der Pfarrer Brunnhuber segnete
das Brautpaar ein, und sicher schlug in der gan-
zen Versammlung kein Herz vergnügter, als das
seine, die der Brautleute natürlich ausgenoinmen.

Unmittelbar nach der Trauung fuhren die neuen
Eheleute nach Tegernsee, um dem Gründer ihres
Glücks persönlich zu danken. Der Vorsteher ließ
es sich nicht nehmen, sie mit einem Schweizerwä-
 
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