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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2810#0053

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M; I<


Keeitag, 17. Januar


18«2

il- Ueber die Aufkündiaung des
Mandats der Abgeordneren.

Das vo„ einem Theile der Wahlmänner
DahmcnS an dlesen AbgevrdncleN gestellte
Anstnnen, sein Mandat niederznlegen, hai be-
kanntermaßen zu ciner vielfuchen Polemik in
nnd anßerhalb der Preffe Anlaß gegcbcn.
Als Ergebniß dieser Polemik steht soviel.fefl:

Nach dcm Geifte der constitutionellcn EiN-
richtungen und selbst nach dem WbMautr un-
serer Verfaffung übcrnimmt dcr Abgcordnete
mit seinem Mandate Lic, selbst eidlich erhär-
tete Pflicht, lediglich dcs ganzen Landes Wohl
und Bestes im Auge zü behalten, und hicr-
nach abzustimmen. Bestimmte Jnstruciionen
in einer gewissen polltischcn Richtung vo»
den Wählcrn anzunehmen, ist dem Abgeord-
neteu zugleich untersagt. Derselbc ist also in
seincr landständischeu Wirksamkeit von seincU
Wahlmännern völlig unabhängig gestellt. WaS
diese kehtcre bctrifft, so nlmmt man an, daß
sie vor der Wahl stch über die politische
ljeberzcugung und den Character des Abge-
ordneten sich hinlänglich verläjflgen, nüd ihm
auf die Vorausfetzung hin ihre Stimme et-
theilen, daß cr nach dieser seincr bckaNiiteu
Ueberzcugung spricht, handelt und abstimmt,
> Ein anderer Fall wärc es, wenn ein Ab-
georbneter dic Wahlmänncr über seine poli-
tischc und sonstige Richiung absichtlich ge-
täuscht hättc. Jn diescm einen Fallc bürste
tine solche Aufforbcrung, wie sie »vn den Wahl-
. männern Dahmens geschah, gcrechtfertigt und
am Platze fein^ obwohl eS auch hier in der
frcien Befugniß des Abgeordneten steht, bie-
sem AnsinneN nachzugeben. Denn vom Tage
der Wahl au ist bas ganze Bcrhältniß zwi-
schen dem Abgeordnetcn und seinen Wählcrn
rein moralischer Ratur. Bi« zu« gcsetzlichen
Lermin einer neuen Wahl begebcn sich dic
Wählcr des RcchteS eincs bcstimmten Ein-
flusscs auf ihre Abgeordnetcn. Sie würdcn
yierdurch zugleich cinen inbirccten Einfluß
auf die Geschäste ünd die Wirklamkcit der
Kammer ausüben, die ihncn vcrfaffungSmäßig
nicht zusteht.,

Jener Fall einer Täuschung liegt nun hin-
sichtlich des Abgeordneten Dahmeu nichl vor.
Die Wahlmänncr haben seine kirchliche und
politische Richtung, welchcr er in ber Folge
auch treu blieb, zur Zeii der Wahl ganz gut
gckannt, und habcn ihm trotzdem ihre Stimmc
gegeben.

Man mag nun mit diesem Abgcordneten
in so manchen wichiigen Fragen unsereS öf-

fentlichen Lebcns nicht eincs Sinnes sein, wird
aber dennoch, selbst mit der offfciös. KarlSruher
Zeitung zugeben müffen, daß die Ansicht, die
er »crlritt, immerhin im Lande manche An-
hänger hat , und daß es daher, nach dcm
Geiste des constitutioncllen SpstemS, gut ist,
wcnn auch diese in der Kammer ihre offenen
Vertreter sindet. ES miissen hien alle Strö-
mungen, die in dem öffentlichen Geifte vor-
gehen, ihren geregelten Ausdruck und ein Feld
ehrlichen KampfeS findcn, auch wenn sic nur
eiue Minorität für sich habcn. Die Abge-
ordnetcn aber, deren Anstchten in eine solche
Minorität kommen, aus der Kammcr hinauS-
adresstren, hicße — wie seneS Organ unsercr
Regierung ausdrücklich auSspricht nicht
nur gegen dieselben unbillig sein; cs würdc
dadurch auch dcm Ansehen der Kammer, der
Kraft und Ächtung unfercr Jnstitulionen und
dem gesunden Lcbcn unseres ganzen StaatS-
körpers der cmpfindlichste Iiachtheil zugefügt.
Denn die Meinung, die auS der Kammcr
verbannt wärc, würde im Lanbe dcnnoch vor-
handen scin, nnd in dem Maße, als ste sich
äußerlich und öffentlich kundthun kann, würde
cine zersctzende Arbeit derselben an die Stelle
treten, dcren Frucht für kciuen Theil erwünscht
sein kann.

* Politische Utnschau.

Wähler des LandgcrichtS Kirchhain nenncn
den Kurfürsten in Hessen in einer Adreffc
ben „obersten BcfehlShaber GotteSl"

Zu dcr tclegraphischen Dcpcsche über den
eventuelt bevorstehcndeu Abbruch der diploma-
tischcn Beziehungen Preußens zu Dänemark
bcmerkt die „Berl. Aüg. Ztg." wörtlich: „Ein-
gezogenen Erkimdigungen zufolge ist diese
Nachricht unrichtig."

Pie „Aonst. Oesterr. Z." schreibt: „Rück-
sichtlich DcntschlandS kann Ocsterreich nach
der Bernstvrff'schcn Note um so ruhiger die
Sache abwarten. Die Note ist nicht an das
österreichifche Eabinet gelangt und braucht also
von demselben nicht beantwortet zu werden.
Oestcrreich wird also wahrscheinlich keinen
Schritt thun, so langc man nicht an es her-
ankoiiiint. AuS der Antwort abcr, welche
Ocsterrcich auf die Beust'schen Vorschläge e.r-
theiltc, gcbt zur Geniigc hervor, daß cs durch-
weg nicht gesonucn ist, dic ihm zukommcnde
SlcUung in Deutschland zu verlaffeu vdcr auch
nur zu theilen."

Dic Znbcpend. meint, dic plötzliche Berufung
deS Grafen Rechbcrg nach Venebig zu Kaiser

Franz Jvseph habe Bczug auf das angeblich
von Frankrcich gesteüte Änsiunen, Ocstcrreich
möge seine Beuiühungen gleichfallS dafür ein-
trcten laffcn, daß König Franz ll. die Stadt
Rom verläffe oder sie zu vcrlaffen gezwungen
wcrde.

Die „Narodci List" bringcn nnter der Ru-
brik „llnglücksfällr und Verbrechen" die No«
tiz, daß die deuischen Studenten in Prag
eine Burschenschaft „Germania" gegründel
haben. — Ein andcreS czechisches Blatt bin-
dct sclnen Lcsern anf, dic „Preffc!" habe sich
ihre Verwarnung vom Ministcrium alS Rek-
lume erbeicn, nm zum Neujahr mehr Abon»
nenten zu erhalten.

Jn Foganas wurdcn ciner anS Kronstadt
eingetroffcncn Abthriinng Soldaien sämmtiiche
Gewchre gestohlcn, während sie dieselben zum
Schntzc gcgen baS Anlaufen außerhalb der
WirihSstube aufgesicllt halten. Trotz eifriger
Nachforschuiigen konnte man weder dcm
Thätcr noch be« gestohlenen Gute auf dle
Spur kommen!

Rächstcn Doniierstag wird der Pqpst die
Eiscnbahn von Rom nach der neapolitänischen
Grrnze cinwcihcn. — Die römischeu Consvlib,
flnb auf 64.SV gcfallen.

Nach der osfizieüen „Turiu. Ztg." ist stii
den Unorduungen »vn Castellamare die Ruhe
auf Sicilicn nichi gestört wordrn, Die rin-,
gctroffcnru Nachrichten schildcrn eiustimmig
die Lage der Jnstl als vollständig bcruhigend.

Die Geidnoth in ber Türkei nimmt innner
mchr zn. Bisher zahltc man den Bramien
und Svlbaten jwar Nlcht den laufenden Ge-
halt und Solv, aber doch allmonatlich cincn
Monat ihrer Rückstände; von jetzt an soll auch
dics aufhören, nnd Niemanv soll biS zum
nächstcn MSrz elwaS erhaiie». Man lann
sich denkrn, welch' günstigcn Eindruck dieß bci
den Beamten und dem Heere gemacht hat.

Deutschland.

Karlsruhe, 15. Jan. Das Reg.-Blatt Nr. 2 ent-
hält 1) OrdenSverleihungen: dem Mintftertalrath, Dekän

kreuz zweiter Claffe, dem Dtrector der Hetl- und Pflege-
anstalt.Pforzheim, Medtcinalrath vr. Fischer, daS Rtt-
terkreuz mtt Eichenlaub, und dem Oberftlieutenant Frhrn.

das Ritterkreuz mit Eichenlaub des OrdenS vom Zähringer
Löwen. 2) Medalllenverlethungen: dem Brtgadier erster
Claffe Zoseph Sartort von der drttten Dtvifion dte kletne
goldene Ctvil-Berdienstmedaille, sowie dem Oberwachmetster

Eiu Frauenherz.

„Ttnchen, der Graf hat sich nach Deinem Befin-
den erkundigen lassen."

„Soerwiderte die Angeredete, ein junges Mäd-
chen von achtzehn Iahren, schalkhaft lächelnd, nnd
stickte, ohne aufzusehen, weiter, als ob der Ton,
in welchem dies „so!" gesprochen, jede weitere Er-
klärung überflüssig machte.

Die Mutter schüttelte unwillig den Kopf; Miß-
muth und Sorge lagen im Blick, welcher prüfend
aus die schöne Tochter geheftet war.

„Ich weiß nichts davon, daß Du unwohl gewe-
sen bist!" fuhr sie nach etncr kleinen Pause fort.

Albertine schaute auf, und der Uebermuth be-
wußter Schönheit glänzte aus ihrem Auge.

„Ich war es auch nur für den Grafcn", erwi-
derte sie, „er tödtct mich mit setner Ausmerksam-
keit.".

„Die Du doch nicht vermiffen möchtest!" sagte
die Mutter vorwurfsvoll. „Ti.nchen, dies Spiel
mit dem Grafen gefällt mir nicht, es macht mtch
für Dich besorgt."

„Glaubst Du, daß ich ohne ihn sitzen bleibe",
warf Albertine kokett hin, „und wenn dies auch
wirklich der Fall wäre, ist es denn so fürchterlich,
das Unglück zu haben, keinen Mann zu bekommem?"

„Tinchen, diese Sorge betrübt mich am wenig-
sten", entgegnete die Mutter ernst, „sür Deine Zu-
kunft ist gesorgt, Du wirst niemals Mangel leiden,
aber Reichthum allein macht noch nicht glücklich."

„Du meinst doch nicht, daß der sentimentale Gras
allein das Mirtel besitze, mich glücklich zu machen?"

„Laß diesen Ton", antwortete die Mutter streng,
„er ist es, der mich besorgt macht. Der Graf ift
Dir nicht gleichgültig, ich weiß es; wäre ich davon
weniger überzeugt, dann würde ich kein Wort ver-
lieren. Du bist nicht wahr, Du spottest des eigenen
Gefühls, Du gefällst Dir in einer herzlosen Ko-
ketterie und schonst nicht das Gefühl Anderer. Heute
machft Du ihm Hoffnungen, morgen verspottest Du
ihn, unb Du wirst das so lange treiben, bis er die
Achtung verliert und Dich für das hält, was Du
doch durchaus nicht bist — eine herzlose Kokette."

Albertine war bei diesen Worten der Mutter hoch
erröthet. „Wenn ich glauben müßte", antwortete
sie, den Blick zu Boden senkend, „daß er mich je

verachten könnte, dann würde ich ihn nicht auf die
Probe stellen. Er ist mir nicht gleichgiltig; es gibt
Momente, wo es mir sogar scheint, als könnte ich
seine Neigung erwidern, aber dann muß ich über
seiue Ertase lachen. Er möchte mich vcrgöttern und
wird unausstehlich langweilig mit seinen Phrasen.
Der ist kein Mann, der stch von dcm Blick cines
Weibes regieren läßt und nach ihrem Gefallen seufzt
oder jubelt. Ich glaube, er würde mich durch Eifer-
sucht tödten; er möchte, daß ich ihn fortwährend
ebenso närrisch verlieb/ anschaue, wie er die Güte
hat, mich zu betrachten. Ich könnte ihn lieben,
wenn er es einmal verftände, Nein zu sagen, wo
ich ein Ia sordere; aber es.reizt mich unwidersteh-
lich zum Spott, wenu ich seh'e, daß sein Gesicht alle
Schattirungen von überirdischer Seligkeit bis zum
tiefsten Kummer annimmt, sobald ich thn durch
einen Scherz aus seinen Träumen aufschrecke, und
dabei hat er nicht den Muth, ein Wort zn sagen."

„Weil Dein Spott dadurch nur bitterer wird^>
unt.erbrach sie die Mutter, „weil er w?iß, daß Deine
Laune nicht Maß hält, und er fürchtet, Du könn-
test einmal ein Wort sagen, welches ihn für immer
vyn Dir trennt. Ich bin überzeugt, daß epabficht-
 
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