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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Januar
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N» 2S. Lonnerftag. 3«. Zanuar 18«2.

vv Ucber Einzelnrichter nnd Eolle-
giatgerichte.

(Ein Beitrag zur Besprechung der neuen badtschen Gerichts-
verfaffung.)

Nach einer ziemlich allgemein verbreiteten
Nachricht, die wir jedoch unter allem Vorbe-
halte wiedergeben, soll der Entwurf der Re-
gferung für die in unserem Großherzogthume
zu erwartende neue Gerichtsverfassung darauf
hinausgehen: Einzelnrichter sollen auch für die
Folge vcrbleiben, und für Strafsachen unter
200 fl. zuständig sein. Höhere Streitbeträge
sollen von Collegialgerichten verhandelt und
abgeurtheilt werden. Solche Gerichte follen
unter dem NamenK'reisgericht, mit einem engern
Sengte von drei einem weitern von fünf
Mirgliedern, acht im Lande creirt werden.
Die Hofgerichte werden dem Vernehmen nach
eingehen, nach einer andern Verston sollen
zwei davon fortbestehen. Das Oberhofgericht
wird jcdenfalls als Oberappellations- und
Caffationsgericht verbleiben.

Insofern diese Faffung des Entwurfes in
seinen allgemeinsten Zügen begründet ist, so
wird man wohl nicht umhin können, ohne von
einer Seite den Vorwurf einer gewiffen Halb-
heit, von einer andern Seite den eines etwas
zu sehr ausgedehnten und verwickelttn Jnstan-
zenzugs zu machen, den Leßtern nemlich unter
der Voraussetzung, daß in der That außer
den Kreisgerichten uud dem Oberhofgerichte
noch zwei Hofgerichte fortbestehn sollen, Den
Erstern insoweit, als das Institut der Ein-
zelnrichter nicht völlig aufgehoben ist, Vjellpehr
ueben und unter den Collegialgerichten in Kraft
bleiben wird.

Jn Ländern, wo bis jetzt die Collegialge-
richtsverfassung bestehc, hat man, wenu auch
nicht bis zu dem immerhin beträchtlichen und
häufig vorkommenden Betrage von 200 fl.,
so doch bei geringen Streitsummen überhaupt,
Friedensrichter zur Verhandlung änd Entschei-
dung solcher minder bedeutenden Streitsachen.
Die Aufgabe dieser ist, wie schon ihr Name
besagt, vor Allem die vor ihr Forum gelan-
gcnden Streitsachen auf dem Vergleichswege zu
schlichten. Wie es scheint, soü nun diese Ein-
richtung in Baden durch jene Einzelnrichter,
mit einer Zuständigkeit bis zu 200 fl. direct
oder indirect vertreten werden. Unseres Er-
achtens liegt in der eventuellen Anordnung
ein zuviel und ein zuwenig für die Aus-
übung einer tüchtigen Rechtspflege. Ersteres
in sofern, daß man überhaupt Einzelngerichte
fortbestehn läßt, anstatt, wenn man keine förm-
liche Friedensgerichte will, z. B. bie Kompetenz

der Bürgxrmeksterämter etwas zu erweitern;
Letzteres in soweit, als dem Einzelnrichter eine
Zuständigkeit bis zu einem ziemlich hohen Be-
trage verbleibt, welcher oft das ganze Ver-
mögM so mancher Rechtssuchenden bildet.

Hatte man etwa von oben herab, indem
man sich für den Fortbestand von Einzelnge-
richten entschied, diese Gefichtspunkte im Auge,
von denen aus sich in der neuesten Nr. des
Bad. Ccntralblatts ein Laie (in der Rechts-
wissenschaft) für ein unbevingtes Fortbestehen
derselben aussprach? In diesem Falle müßte
man wenigstens dieser letzteren Stimme den
Vorzug einer größern Consecsuenz einräumen,
indem er nur Einzelnrichter will, und die
Vortheile der Collegialgerichte als imaginär
darzustellen sucht, auch so manche wirkliche
ober scheinbare Schattenseite dersetben her-
vorhebt.

Ohne dieser Stimme gerade beipflichten zu
wollen, führen wir in dieser Beziehung als
zur Sache gehörig hier kurz an: Der Ver-
fasser jenes Aufsatzes, indem er sich vor Allem
gegen den Vorwurf verwahrt, als ob nur ein
„Reactionär" für Beibehaltung ber Einzeln-
richter stimmen könne, sucht die Vorzüge die-
ses Letzteren hauptsächlich in einer schnellen
und wohlfeilen Iustiz. Derselbe gibt zu, daß
ein drittes Haupterforderniß, eine gute Iustiz
vielleicht nicht immer zugleich mit vereinigt
sein könnc, glaubt übrigens, daß die Erzielung
dieses Letztern, wenigstens bei einfachen Rechts-
streiten auf einen Einzelnrichter möglich sei.
Er will überhaupt ein vorzugsweise entschei-
dendes Merkmal zwischen einfachen und ver-
wickelten Nechtsstreiten gemacht haben wiffen,
inoem auch ein solcher mit eineiu großen Streit-
werthe esnfach, und mit einem geringeu Streit-
gegenstande verwickelt sein 'könne. (In der
Praris würde aber bie consequente Durchfüh-
rung einer solchen Entscheidung nicht leicht
möglich sein, und deßhalb hat man den höhern
oder geringern Betrag des Streitobjects als
entscheidenve Norm angenommen.) Der Ver-
faffer jenes Aufsatzes sucht ferner darzuthun,
daß die meisten Klagen wider die Iustiz der
Einzelnrichter von einer Zeit herstammen, wo
noch die Verwaltung mit derselben vereinigt
war; seitdem dieses nicht mehr der Fall ist,
seien bie meisten Mißstänve bereits beseitigt.
Für Einzelnrichter spreche ferner die Einfach-
heit dcs Justiz-Organismus, ferner die Ver-
antwortlichkeit, die lediglich auf einem Ein-
zelnen beruhe, und diesen also um so mehr
zu größerer Gewissenhaftigkeit antreibe. Auch
wären gütliche Vergleiche hier eher möglich,

als bei Collegialgerichten, und die Parteien
wärep, bei der größern Anzahl der Einzeln-
richter, und folgeweise deren kleinern Gerichts-
sprengeln Ln Bezug auf den Zeit- und Geld-
punct nicht allzu sehr belästigt. Ueberdies
müffe man doch auch einige Rücksicht auf die
bisherigen Amtssitze nehmen, und den Geld-
punct, welcher die Staatskasse durch einen
veränderten, mehr complicirten Organismus
der Iustiz nicht allzu leicht beträfe, wohl ins
Auge faffen.

Daß diese letztern Einwendungen nur Ne-
benpuncte, nicht das eigentliche Weseu der
Iustiz betreffen, räumt der Verfaffer selbst ein.
Wir geben alle diese Einwände, so wie der-
selbe sie geltend gemacht hat, wieder, ohne
uns, wegen Mangel an Naum, für jetzt in
eine nähere Widerlegung derselben einzulassen.
Indem wir die Prüfung der Erheblichkeit oder
Unerheblichkeit derselben einstweilen dem Ur-
theile der Leser überlassen, führen wir nur
kurz an, daß man in Ländern, wo die Colle-
gialjustiz in unterer Instanz bereits besteht,
dieselbe um keinen Preis mit einem mehr odxr
minder patriarchalischen Verfahren von Ein-
zelnrichtern vertauschen möchte, wie solches
der Verfasser jenes Aufsatzes im Auge hat.

(Man vergleiche hiermit die offizielle Er-
klärung vom 28. d. Mts., wonach zwar die
Hofgerichte nicht fortbestehn, vielmehr in Kreis-
gerichte verwandelt werden, Letztere aber in
der That nur in Civilsachen über 20V fl. zu-
ständig sind.)

Badischer Landtag.

^ Karlsruhe, 28. Ian. In oer heutigen
elften Sitzung der zweiten Kammer jvurden
zuuächst eine große Anzahl von Petitioncn von
Volksschullehrern, die Versorgung der Schul-
lehrer-Wittwen und Waisen betr., sowie einige
andere Bitten angezeigt. Juftizministerialprä-
sident Stabel.legt sovann den Entwurf einer
Gerichtsverfassung vor, indem er bemerkt,
es gereiche ihm zu großer Freude, hiermit ein
Versprechen einlösen zu können, das er an der-
selben Stelle im Namen der Negierung ge-
geben habe, das Versprechen, daß zeitgemäße
Verbefferungen in dem Ausbäu unserer Civil-
und Strafproceßordnung erfolgen sollen.

Nach dem vorgelegten Entwurfe würde sich
die äußere Gestalt der Gerichlsverfassung wenig
verändern, die Amtsgerichte bleiben im Wesent-
lichen wie sie sind, ebenso das Oberhofgericht.
Die Hofgerichte werden in Kreisgerr'chre ver-
wandelt und deren Zahl vermehrt, soweit dies
zur Bewältigung ihrer Geschäfte nothig ift.

Ein Frauenherz.

(Fortsetzung.)

Die Reue nagte am Herzen und däs Pflichtge-
fühl rief das Gewissen rvgch; sie fühlte, daß fie hier
nicht leben könne, ohne täglich fich an dem Gelöb--
niß zu versündigen, das sie Tiefen vor dem Altar
geleistet.

Der Baron kvnnte nicht lange in Zweifel über
das sein, was seine Frau häufig so zerstreut machte,
daß sie kaum seine Gegenwart bemerkte; er errieth,
was in ihrem Herzen vorging, und war glücklich,
als Albertine ihm dadurch entgegenkam, baß sie
den Wunsch aussprach, nach der Refidenz zu ziehen.

Baron Tiefen war ein Mann, der sich nicht langc
über eine Sache beunruhigte, rasch entschlossen han-
delte und ebenso rasch vergaß, wie' es ihm leicht
wurdc, sich in das Unvermeidliche zu fügen.

Als er die Entdeckung machte, daß in dem Her-
zen seiner Frau eine alte Liebe noch unter der Asche
glühte, machte er sich darauf gefaßt, dem Grafen
Lindenau, wenn er zurückkehrte, entweder das Haus
zu verbieten, oder, wenn es nöthig sein sollte, sich
mit ihm zu schießen; als er aber sah, daß Alber-

tine das Jhrige that, um gewaltsam mit der Er-
innerung zu brechen, war er beruhigt; er fühlte
sich im ersten Augenblicke unangenehm berührt, daß
seine Frau ein Geheimniß vor ihm habe, fand je-
doch bei reiferer Ueberlegung, daß ihm dadurch eine
unangenehme Auseinandersitzung erspart sei; es
schmeichclte seiner Eitelkeit, daß er einen Sieg er-
rungen und daß Albertine um seinetwillen einen
Kampf mit ihrem Herzen focht. Er sah, daß er
sich aüf fie verlassen könne, daß sie niemals einen
Flecken auf seine Ehre werfen werde, und weiter
forderte er nichts.

Das Stiüleben in O. war ihm langweilig gc-
worden, sein Ehrgeiz strebte nach Rang und Wür-
den, es konnte ihm daher nur lieb sein, daß Al-
bertine ebenfalls Lust hatte, ihre Heimath zu ver-
lassen.

Baron Tiefen zog mit seiner Frau nach der Re-
sidenz und feierte hier den Triumph, daß sie von
den höchften Personen gefeiert wurde, sein Haus
war von fürstlichen Herrschaften besucht, und Ieder-
mann war entzückt über die elegante und liebens-
würdige Art, mit welcher die schöne, geistvolle Ba-
ronin repräsintirte.

Und Albertine? Wäre fie eine herzlose Kokette

ten ihrem Herzen jenes schimmernde Glück verleihen
müffen, welches die Eitelkeit schwelgen läßt und
dcssen Zauber so großen Neid erweckt. Lindenau
hätte nichts Besseres finden können, ihr Herz zu
prüfen.

Albertine war die Königin aller Feste, man hul-
digte ihr ebenso mit übertriebener Galanterie, wie
mit wirklicher Verehrung und fchwärmerischer Be-
wunderung; aber je beneidenswerther sie erschien,
desto mehr schwand ihr Uebermuth; man bemerkte
aüch nicht die leisiste Koketterie, und ihre Laune
gefiel sich nicht mehr in Sarkasmen. AlberAine
fühlte sich unglücklich in ihrem Glück; während Alles
bemüht war, ihr Angenehmes zu erweisen, fehlte
ihrem Herzen das Beste, denn es empfand ein Heim-
weh nach jener Zeit, wo -es, von cmer süßen Hoff-
nung getragen, bangte und bebte; im Salon fühlte
sie, daß ihr dte HLuslichkeit fehle, fie fühlte, daß
ihr Herz ein anderes Glück fordere.

Da wurde sie Mutter.

(Fortsetzung folgt.)
 
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