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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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N III


Freitag, 16. Mat


C Der Handelsvertrag mit Frank-
reich und die Politik.

Nachdem einmal die Gegensätze m unserem
Vaterlande so gespannt sind, war es kaum
zü verwundern, daß ein so wichtiger Act, wie
der Abschluß eines Handelsvertrags mit Frank-
reich, wieder auf's Neue Anlaß zu einer gan-
zen Fluth von Anklagen und Beschuldigüngen
gegen Preußen gab. Es ist klar, sagte wan,
daß Preußen auf diese Weise seine kleindeutsche
Politik durchsetzen will, nachdem es auf dem
Wege der reinen Politik bis jetzt so glänzen-
des Fiasko gemacht. Es ist klar, meint man,
daß es lediglich das Mittel vertauschte, wäh-
rend das Ziel, nämlich dir VsrgeWaltigung
Deutschlands und die Ansschließung Oester-
reich, fortwährend daffelbe bleibt.

Freilich, wenn man sich erinnert, daß man
sogleich nach Ueberreichung der ideütischen
Noten als die einzige Preußens würdige Ant-
wort die Anerkennung Jtaliens und den Ab-
schluß des französischen Handelsvertrag for-
derte, so könnte es fast den Anschein habcn,
als ob jene Auffaffung wirklich die richtige wäre,
und Preußen mit dem Vertrag in der That
kleindeutsche Politik treiben wollte. Doch so
wenig als Preußen bis jetzt Jtalien> aner-
kanut, so wenig hat es auch mit dem in
Rede stehenden Vertrag die ihm unterstellte
Abstcht erreichen wollen. Das Ganze erschien
uns fast viel zu genial, viel zu aggressiv für
diese preußischen Staatsmänner. Einen Han-
delsvertrag mit Frankreich schließen in der
klar bewußten Absicht, damit.das kleindeutsche
Programm, wenn auch mehr nur indirekt, zu
verwirklichen, wäre doch wenigstens einmal
eine That, was man auch sonst immev von
ihr halten möchte. Aber ist dem gegenwärti-
gen preußischen Ministerium auch nur halb-
wegs eine derartige That zuzutrauen? Nein,
weder direkte, noch indirekte Schachzügo und
Trümpfe stnd seine Sache; weder auf politi-
schem, noch auf volkswirthschaftlichem Wege,
werden von ih m kühne Zwecke angestrebt wer-
den. Der Sachverhalt ist gewiß ein viel ein-
facherer. Nachdem sast aüe europäischen Staa-
ten in neuester Zeit Handelsverträge entwe-
der schon abgeschloffen haben, oder noch ab^
zuschließen im Begriffe stnd, war es wahrlich
nur am Platze, wenn auch der Zollverein sich
neue Märkte zu öffnen sucht, wenn er nicht
wartet^ bis ihm die andern Nationen zuvor-
gekommen. Ob Preußeu dabei noch gewisse
Nebenabsichten gehabt haben mag, sei dcchin
gestettt; aber gewiß ist, daß dieselben nur eine
untergeordnete Nolle spielen konnten und nicht ^
einmal den Ausschlag gegebeir haben.- Dcr
Vertrag ist, wenn sich auch politische Zolgen
daran knüpfen sollten, gleichwohl vorherr.
schend ein volkswirthschaftlicher, kein politl-
scher Act.

Daß jedenfalls keine Gründe vorliegen,
Preußen die ihm unterschobene Absicht, und
dem Vertrag selbst jene auf großdeutscher Seite
so vielfach gefürchtete Wirkung zuzuschreiben,
mag schon Herr von Beust beweisen, der
schwerlich so eilig seine Znstimmung ausge-
sprochen hätte, wenn der Vertrag die indirekte
Ausführung des kleindeutschen Programms
wäre. Aber ebensowenig können wir glauben,
daß ein so warmer Anhänger Oesterreichs ven
Beitritt zu einem Vertrage Leschließen würde,
falls dieser wirklich den zwischen dem Zoll-
verein und^Oesterreich bestehenden Handels-
vertrag verletzte. Worin 'sollte diese Verletzung
auch bestehen? Der Vertrag setzt allerdings
fest, daß Frankreich fortan auf gleichem
Fuße mit den am meisten beMstigten
Nationen stehen solle; und so ist es freilich
wahr, daß Oesterreich, solange es der

Zolleiuiqung nicht beigetreten, und
mithin vom Zollverein wie jeder andere Staat
zu behandeln-ist, keine größeren Handelsvor-
theile als Frankreich erlangen kann. Jene
BestimMung schließt aber nicht die Möglich-
keit aus, daß Oestcrreich der deutschen Zoll-
einigung wirklich beitrete, sogut, wie noch
jeder andere bis jetzt noch außerhalb dem
Zollverein stehende deutsche Staat. Wenn wir
uns nicht irren, so nimmt der Vertrag noch
ausdrücklich aus dicse Mögl.ichkeit einer Zoll-
einigung mit Oestdrreich Bezug. Wenn aber
nun der zwischen dem Zollverein und zwischen
Oesterreich bestehendeHandelsvertrag vomJahr
1853 auch wirklich als ein Uebergangsstadium
zur vollständigen Einigung bezeichnet wird,
wie kann man dann sagen, daß er durch den
französischen Handelsvertrag verletzt werde?

Oestereichischer SeitS scheint man Preußen
geradezu des Vertragsbrüches zu zeihen. Es
steht darüber eine Denkschrift der österreichi-
schen Regierung bevor, welche dieses Verhält-
niß zum Gegenstand eiüer eingehenden Er-
örterung machen wird. Nach der ErklärUug
des Herrn v. Rechberg im Wiener Neichsrath, !
daß Oestevreich die ihm durch den Vertrag
von 1853 verliehenen Rechte zu wahren wis-
sen werde, scheint es, daß das österreichische
Cabinet zwischen diesem Vertrag und dem in
Nede stehenden französisch - preußischen in der
That einen Widerspruch erblicke. Aber? wer
foll darüber entscheiden? Preußen wird sowe-
nig als Herr v. Beust zugeben wollen, daß
es drm Vertrage vou 1853 zuwidergehandelt
habe. Oesterrcich wird anklagen, Preußen
wird wiöersprechen: das wird Aües sein,
was geschehen wird.

Badischer Landtag.

Karlsruhe, 13. Mai., Achtundvierzigste
öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer.
Vorsitz: Hildebrandt. Auf der'Regierungs-
bank: M-inister Stabel und Ministerialrath
Ammann. Der Abg. Fauler erhält auf
einige Tage Urlaub wcgeu dringender Ge-
schäfte. Die Kammer schreitet zur Fortsetzung
der Berathung des Berichts des Abg. Presti-
nari vber die Gerich ts verfassung. Die
Frage des Präsidenten, ob die wichtigeren
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten schonän erster
Jnstanz von Collegialgerichten erledigt werden
sollen, wird von der Kammer ohne voraus-
gegangene Discussion bejaht; dagegen ruft die
zweite Frage, ob Appellationssenate, verbun-
den mit 4 Kreisgerichten, erxichtet oder die
Oberg'erichte beizubehalten seien? eine Dis-
cussion hervor. Ersteres will die Regierung,
letzteres die Commission.

Minister Stabel: Die Hofgerichte seien
Appeüativnsgerichte, Strafgericht in wichtige-
ren Strafsachen und Schwurgerichtshof; das
sei eine natürliche einfache Eintheilung, welche
den Richter'n Gelegenheit gebe, sich in allen
Zweigen der Rechtspflege auszubilden. Die
4 Schwurgerichtsbezirke wolle man beibehal-
ten, wenn man das aber wolle, so müffe
man auch 4 Appellationsgerichte errichten,
sonst werde man die Bezirke so sehr vermeh-
ren, daß man nicht mehr lwiffe, wo man
daran sei und die Ausbildung der Richter
werde gehindert, der Geschäftsgang schleppend.
Die Einsachheit des Vorschlages der Regie-
rung leuchte so sehr ein, daß selbst die Com-
mission die practischen Vortheile anerkennen
müffe: das eine Bedenken, daß die Kreisrichter
^ugleich Appellationsrichter seien, müsse er als
Gespensterfurcht bezeichnen. Gleiches finde in
Hannover und andern Ländern statt, dort
habe man aber nie eine Ahnung von diesem
Mißtrauen gehabt.

Fingado stellt den Antrag, den Regie-
rungsentwurf wiederherzustellen und begründet
solchen. Knies kann sich vorerst weder für
den Regierungsentwurf, noch für den Com-
missionsvorschlag erklären, sönhern beantragt,
dem dritten Systeme den Vorzug zu geben,
welches nur 2 Jnftanzen gewähre, wornach
von den Amtsgerichten nur an die Kreisge-
richte (Hofgerichte) und gegen die Urtheile
der Kreisgerichte nur an den obersten Ge-
richtshof appellirt werden kann. Minifter
Stabel: Die dritte Instanz sei nkcht un-
nöthig, so wenig als die zweite; sie sei schon
in der Bundesacte gewährleistet; ihre Ab°
schaffung wäre ungerecht. Iede Partei müffe
das Recht der Appellation haben; denn wenn

in erster Instanz verliere, in zweiter aber
gewinne, so müffe doch 8 auch noch das Recht
haben, gegen das Urtheil zweiter Instanz zu
appelliren. Billiger würde dürch diesen Vor-
schlag die Iustiz nicht. Die Kammcr werde
wohl dem Knies'schen Antrage keine Folge
geben, welcher auch dem Streben nach Gemein-
samkeit deutscher Proceßordnung hinderlich sein
müßte, denn für größere Staaten sei er rein
unausführbar. Alle Mitglieder der badischen
Gerichtshöfe .hätten sich einstimmig gegen die-
sen Vorschlag entschieden ausgesprochen, ebenso
ein großer Theil der Anwälte, lieber wollten
fte gar keine Reformen. Würde die Kammer
den Antrag annchmen, so müßte d.ie großh.
-Regicrung deü Entwurf zurückziehen, da er
ganz umgearbeitet werden müßte. Mays
vertheidigl den Commissionsäntrag; die Vor-
theile des Negierungsentwurfs seien nicht so
erheblich, als jcne des Coinmifsionsvorschlags;
der Vorschlag der Negierung habe wohl mehr
einem Compromiß der verschiedenen Ansichten,
als seiner Vorzüglichkeit die Entstehung zu
verdanken.

Schmitt,Schaaff und Haager sprechen
für den Entwurf; letzterer bekämpft insbe-
sondere den Antrag des Abg. Knies, während
Walli denselben in ausführlicher Weise em-
pft'ehlt und Kirsner auch seine Unterstützung
ihm zu Theil werden läßt, obgleich er even-
tuell auch für den Regierungsvorschlag stim-
men könne. Achenbach erhebt sich mit Ent-
schiedenheit gegen den Knies'schen Antrag, lie-
ber wolle er gegen das Gesetz stimmen, als
diesen Antrag annehmcn; er sei für den An-
trag der Commission, in zweiter Linie werde
er aber auch für den Regierungsvorschlag
stimmen. Für Letzteren erhebt auch Lamey
von Karlsruhe seine Stimme; er vertheidigt
das Dreiinstanzsystem, an welches man ein-
mal gewohNt sei und das man ohne genügen-
den Grund nicht beseitigen sollte, und die
Appellationssenate, welche nicht nur Civilsa-
chen entscheiden sollen; solche Trennung der
Civil- und Criminaljustiz sei verderblich für
den Richterstand: der Regierungsentwurf sei
der beste Vorschlag, den man sinden könne.
Ktties zieht seinen Antrag zurück. Fröh-
lich stimmt bedingungsweise für den Regie-
rungsvorschlag. Berichterftatter Prestinari
bemerkt, daß er nicht zur Majorität der Com-
mission gehöre, sich aber bemüht habe, alle
Gründe für und gegen die verschiedenen Vor-
schläge ausführlich darzuthun; er selbst sei
von Anfang an dem Zweiinstanzensystem zu-
gethan gewesen, gleichwohl freue er sich, daß
Knies den Antrag darauf zurückgezogen habe,
denn er (Prestinari) hätte nicht dafür stim-
men köünen, weil die großh. Regierung den
Fall des ganzen Gesetzes in Aussicht gestellt
habe, falls dieses System siegen würde. Er
stimmt für den Gesetzenlwurf der Regierung.

Kusel, obgleich auch dem Zweiinstanzen-
system nicht abgerkeigt, vertheidigt den Com-
missionScmtrag. Das Mißtdauen gegen die
 
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