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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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Badischer Landtag.

Karlsruhe, 12. Mai. 46. öffentliche
Sitzung der II. Kammer. Vorsitz: Hilde-
brandt. Am Rejsierungstische: Staatsmi-
niste'r Stabel und Ministerialrath Ammann.
Das. Secretariat macht den Einlqnf ciner
Petition bekannt und Maps legt seinen d'rua-
fertigen Bericht, die Aushebung des Lehens-
verbandes betreffend, vor. Die Kammer geht
über zur Berathung des Berichls- des Abg.
Prcstinari über den Entwurf einer Ge-
richtsverfassung. Das Prästdium setzt
auseinander, wie es die allgemeiue Discusston
geprdnet wvnsche: die Fragen, welche beffer
bei dxn einzelnen Paragraphen besprochen
werdcn, sollen erst in specieüer Discusstvn
vorgebracht und nach der allgemeinen Discus-
ston noch Vorfragen, welche vielleicht eine
Zurückweisung des Entwurfes an die Com-
misston zur Folge haben, verhandelt werden.
Diese Vorfragen seicn in Bezug auf die*
Strasrechtspslege folgende: 1) ob öffent-
liches und mündlichcs Strafverfahren von dem
urtheilenden Gerichte in allen Strafsachen ein-
geführt werden soll? Die Commissto.n will
es nur bei.wichtigeren nicht vor die Schwur-
und AmtSgerichle gehörigen «sachen. 2) ob
dann Necurs gegen solches Urtheil stattstnden
soll? Die Negierung und Majorität der Com-
mission haben diese Frage verneint, der Re-
curs sei unthunlich und nicht nothwendig;

3) ob auch die geringfügigen Strafsachen von
den Amtsgerichten öffentlich u. mündlich verhan-
delt werden sollen.unter Zuzug von Schöffen?

4) ob, wenn den Amtsgerichten bei der Ab-
urtheilung Schöffen beigegeben werden woll-
ten, ein Necurs gegen das amtsgerichtliche
Urtheil stattfinden soll? Bei der Civil-
rechtspflege frage es sich vor Alle'm: 1) ob
die wichtigsten Civilsachen öffentlich und münd-
iich vör Collegialgerichten verhandelt werden
sollen und 2) ob eine Appeüationsinstanz
stattfinden soll, wenn ein Collegialverfahren
im ersten Rechtszuge schon statthabe?, Staats-
minister Stabel: Der Kammer liege eine
große und schwere Aufgabe vor, denn die
heiligsten Grundlagen der Staatsordnung wür-
den durch sie berührt und die verschiedenartig-
sten Ansichten seien bezüglich der Ausführung
zulässig. Die Commisston sei in dey Haupt-
prinzipien mit der Negierung vollkolrmen ein-
verstanden; in der Art der Ausführung aber
weiche die Commission von der Negierung ab
unv diese könne nicht in allen abweichenden
Punkten mit der Commission sich vereinigen,

Was -ie Menfchen mit ihrem Kopfe
vorgenommen haben.

Der Mensch hat sich mit der Symbolik seines
Kopfcs seit uralten Zeiten viel zu thun gemacht,
aber es ist dies nur etwas Geringes im Vergleich
zu den vielfachen Bemühungen, welche er anwen-
dete, um seinen Liebling zu verschönern. Kein Lheil
an demselben war ihm so geringfügig, daß er ihn
nicht auf irgend eine Weise aufgeputzt hätte. Ja
er hat es sogar nicht an sinnreichen Erfindungen
fehlen lasien, um den Kopf loS zu werden. Denn
auch die Arten der Hinrichtung gestalteten sich mit
der Zcit zu einem Maßstabe fortschreitender Cultur
um. Die Hindus überließen es in ihrer natur-
wüchsigen Naivetät dem abgerichteten Elephanten,
einem Verbrecher den Kopf abzureißen, dagegen
beauftragten die civiliürten Europäcr den rothge-
kleideten Freimann mck dem Geschäft des Kopf-
abschlagens, errichteten schauerlich drappirte Schaf-
fots, verfertigten besondere Henkerschwerter und
Klötze, erfanden die grausame Üniform des Scharf-
richters, ersannen allerlei Mährchen und Fabeln von

Mittwoch, Mai

müffe daher hier aus ihrer Ansicht stehen blei-
ben. Man möge die Reform der Gerichts-
verfassung für noch so wünschenswerth halten,
so sei doch ni'cht zu läuqnen, daß manche Vor-
züge der bestehenden Versassung durch die Re-
form verdrängt würden. Diese Vorzüge seien
Einfachheit, gesinger Kostenaufwand und Be-
quemlichkeit des Rechtsweges für die Rechts-
suchenden.

Man dürfe sich deshalb nicht wundern,
wenn Mn sich von diesest Vorzügen ungern
trenne und wenn Viele im Volke in der ersten
Zeit dem neuen Zustande nicht hold sein wer-
den und gerade die erste Zeit sei auch die
allerschwierigste für die Geri'chtsverfaffung,
um ffch zu empfehlen, denn so große Äende-
rungen können Stockungen in der Justiz u. dgl.
zum Vorscheine bringen; Richter und Än-
wqlte seien noch nicht in die Reform einge-
wöhnt; auch die Negierung werde manche
Schwierigkeiten zu bewältigen haben, nament-
lich werde ihr schwer werben, die geeigneten
Kräfte, insbesondere zu Vorsitzenven, zu finden.
Was den Kostenpunkt betreffe, so sei eine
gute Justiz um keinen Preis zu theuer, ob-
gleich nicht gerade die theuerste Inskiz die-
beste sei; sei die Iustiz gar ,zu theuer, so
laufe man Gefahr, die Besoldungen der Rich-
ter zu karg bemessen zu müffen, wodurch das
Intereffe der Iustiz indirect Schaden leiden
müßte, denn später würde sich vielleicht eine
Reaction gegen die neue Verfassung erheben.
Das Jnteresse des Staates an einer guten
Rechtspflege stehe höher als derartige An-
schauungen. Die Regierung habe darauf Rück-
sicht genommen, bei der Art der Ausführung
sorgsam Stoff zu gerechten Klagxn zu ver-
meiden.

Abg. Fröhlich begrüßt mit Freude die
Grnndsäße des vorliegenden Gesetzentwurfs,
die Dutchsührung der Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeit, die Einführung von Kollegialgerichten
erster Jnfianz.

Abg. Lamep (Karlsruhe): Die Frage, ob
ein Bcdürfniß nach Reform im Volke sich gel-
tend mache, sei eine schwer zu entscheidende,
für die sich indessen doch einzelne klare Merk-
male zeigten. So sei namentlich eine schla-
gende Thatsache die außergewöhnliche Gunst,
welche sich die Schwurgerichte im Volke er-
rungen haben. Der Mangel an Petitionen
in dieser Frage sei kein Beweis des mangeln-
den Bedürfniffes;. auf früheren Landtagen ka-
men eine große Anzahl in dieser Richtung ein,
und sie würden in politisch aufgeregten Zei-
ten, wo die politische Bedeutung der Straf-

diesem grausen Manne, und als die französische
Revolution in ihrem Gleichheitsschwindel so weit
kam, die Brüderlichkeit der Stände durch massen-
hafte Hinrichtungen zu bewahrheiten, crfand sie das
Fallball der Guillottne, welche die hervorragenden
Männer um einen Kopf kürzcr machte. Zu ge-
wiffen Zeiten spielte der Scharfrichter xine wichtige
Rollc, denn Kaiser Wenzel nannte ihn bekanntlich
seinen Gevatter, nahm ihn als Regierungsgehtlfen
unter seine Hofbeamten auf, und während der fran-
zösischen Revolution erhoben sich die Kopfabschnei-
der zu Aposteln der Freiheit und Gleichhett. Jetzt
kennen nur die Stockfischfänger noch einen Kopf-
abschncider, denn selbst in der Türkei hat dieser
Name das Recht verloren, kräftigen Regenten als
Ehrentitel beigelegt zu werden. Grauenvolle und
erhabene Thaten sind ausgesucht, um den Kopf mit
Lorbcer, mit einer Krone, mit einer Pfauenfeder
zu schmücken. Misanthropen könnten behaupten,
die ganze Wcltgeschichte schwankt zwtschen Narren-
kappe und Diadem unentschlossen hinüber und
herüber.

Äuch die Zähne entgehen dem Verschönerungs-
triebe der Menschen nicht, ryenn hies Mch nicht

Jnsertionsgebührea für die Zspaltige Petit- M
zeile werden mit 2 kr., bezw. 3 kr. berechnet.

rechtspflege mehr hervortritt, eben. so häufig
wiederkehren.

Was die Reform selbst betrifft, so Lst das
erste Erforderniß bei Einrichtung der Gerichte
Sorge für Unparteilichkeit und Unbefangen-
heit gegenüber dem einzelnen Fall, sodann
Urtheilssähigkeit. Die Garantien hierfür sind
Oeffentlichkeit und Mündlichkeit; ste allein las-
sen die Gerichte in unbestrittener Würde nnv
Achtung erscheinen.

Unter den beabstchtigten Ntzformen nimmt
aber vor Allem der Grundsatz der Durchsüh-
rung des Anklageverfahrens eine Hauvstelle
ein. Durch das Anklageverfahren wird die
Stellung des Richters eine würvigere; wäh-
rend er bisher nach seiner Stellung jedes Ver-
gehen von Amts wegen verfolgen mußte, wäh-
rend der Angeschuldigte ihm von vorn herein
als verdächtig erschien, unv er ihm mit dieser
einseitigen Stellung glcichsam als Partei ge-
genüber trat, wird jetzt die unparteische Würde
des Richters gewahrt.

Wenn auch die Vorlage der Regierung nicht
vollkommen fei, so sei sie des Ausbaues fähig,
und werde später vervollkommnet werden; die
Hauptgarantien für die Würde des Gerichts,
die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, seien in
ihr gegeben.

Es nahmen an der allqemeinen Diskusston
noch die Abg. Schmitt, Schaaff, Haager, Ku-
sel, Fröhlich und Prestinari Theil, worauf
das Präsidium die oben aufgeführten Vorfra-
gen zur Berathung aussetzte. Gegen Oeffent-
lichkeit und Mündlichkeit deS Verfahrens spricht
sich Niemand aus, woyl aber gegen die Be-
seitigung des Nekurses gegen das Urtbeil,
welches auf den Grund der mündlichen Ver-
handlungen gefällt wird, die Abgeordneten
Häußer, Haager und Knies, während Maps,
Eckard, Schmitt, Lamey v. Karlsr., Staats-
minister Stabel, Schaaff, Kirsner, Achenbach
und Prestinari für den Regierungs- resp. Com-
missionsvorschlag sprechen. Eckard stellte den
Antraq, daß auch für dr'e sogenannten mittle-
ren Strafsachen eine Art Geschworenengericht
(3 Richter und 6 Geschworene) bestellt wer-
de; Moll unterstützte diesen Antrag. Der
Antrag des Abgeordneten Eckard wird mit
allen gegen 2 Stimmen verworfen und jener
der Commisston angenommen und zwar ein«
stimmig die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit
und mit allen gegen 2 Stimmen die Abschaf-
fung des Rekurses. Die Sitzung wird nach
1^4 geschloffen und auf morgen die Fort-
setzung der Berathung anberaumt. (K. Bl.)

überall nach der Weise der Australter geschieht,
welche den herangewachsenen Knaben bei der seier-
lichen Wehrbarmachung, wobei die erwachsenen Hel-
den bemalr erscheinen, das Zahnfleisch mit einer
Muschel abschneiden, um den Vordcrzahn mit einem
Stock auszuschlagen. Auf ähnliche Weise brechen
afrikanische Völker sich künstliche Zahnlücken, damit
sie die Pfeifenspitze bequem hinctnschieben können,
oder sie brechen Stücke von den Zähnen los, damit
diese recht scharf und sägeartig werden. Die Euro-
päer haben dagegen aus den Zähnen ein ganz be-
sonderes Studium gemacht und ein ganzeS Arfenal
von Brechinstrumenten erfunden, um rebellische
Zähne aus der Reihe ihrer friedlichen Brüder zu
Mfernen und sie durch künstliche zu ersetzen, welche
keine Zähnschmerzen verursachen. Zahnbürsten, Zahn-
pulver, Zahntinctur und andere Mittel wurden er-
dacht, um Zahnqrzte zu beschäftigen; führte doch
selbst Muhamed auf Reisen und Feldzügen Augen-
schminke und Zahnpulver bei sich, um jederzeit in
ber Würde etnes Propheten erscheinen zu können.
(Fortsetzung folgt.)
 
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