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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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April
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,N» 78.

Badifchev Landtag.

Karlsruhe, 3l. März. Drcißigste öffent-
Uche Sitzung der zweiten Kammer, unter dem
Dorsitz des Präsidenten Hildebrandt.

Vvn Seiten der Regierung anwesend: Det
Präsident des Handelsministeriums, Gehei-
merach Dr. Weizel; Ministerialrath Turban.

Das Sekretariat zeigt den Einlauf folgen-
der Petitionen an :

^des ^^^^ ^

durch das Murgthal betresiend, vou deu Gemeinden des
AmtS Gernübach.

5) Bitte verschiedener Gemeinden um Erbauung einer

Abg. Artaria zeigt an, daß der Bericht
über die Umwandlung der 4^ proc. Obligä-
tionen druckfertig sei.

Abg. Fauler widmet dem vorgestern da-
hingeschiedenen früheren Mitglied deAHimses,
Alt-Bürgermeister Wagner von Freiburg, ei-
nen Nachruf, dem die Versammlunq durch
Erhebung von ihren Sitzen beipflichtet.

Abg. Allmang: Es sei ihm eine schwere
Pflicht, der hohen Kammer anzeigen zu müs-
sen, daß eines ihrer Mitglieder, der Abqeord-
nete Heintze, nach langem Leiden in Wein-
heim dahingeschieden sei. Die Verdienste des-
selben seien den Mitgliedeln des Hauses be-
kannt; er ersuche sie , dem -Verstorhenen ein
ehrendes Andenken zu bewahien. Die Ver-
sammlung erhebt sich znm Zeichen der Zu-
stimmung von ihren Sitzen.

Abg. Schaaff bcantragt, eine Deputation
zu dem Leichenbegängniß abzusenden.

Der Präsident bemerkt, es sei ohnehin
die Absicht mehrerer Mitglieder , stch heute
zu diefem Zweckx nach Weinheim zu be-
geben.

Die heutige Sitzung wird hierauf ge-
schlossen.

* Politische Umschau.

Die meisten ausländischen Blätter sprechen
von dem Verbot der Versammlung von
Nationaivereinsmitgliedern zu Alzey; alle

Mittwoch, S. April

behaupten, diese Maßregel sei eine Folge des
politischen Rückschrittes Zu Berlin. Selbst
die osficiösen Blätter des Tuilerienhofes
sprechen diese Meinung aus.

Eine Blumenlese aus den Reden und Ab-
stimmungen des interimistischen Ministerpräst-
denten Prinzen zu Hohenlohe ist hier bei
Mar Hirsch erschienen. In den Abstimmungen
ist nach dem Schlußwort durchgängig eine
Abneigung gegen die Anerkennung der staats-
bürgerkichen Rechte der Iuden, gegen Reform
der Ehe- und Gewerbegesetzgebung zu erken-
nen. In Sachen der Grundfteuerfrage zeigte
sich im vorigen Jahre. ein Fortschritt gegen
früher, ebenso im Jahre 1858 gegen das
Iahr 1856 ein Fortschritt, aber nud ein ge-
linder in Sachen der Prügelstrafe. Ueber die
Persönlichkeit Sr. Durchlaucht laffen die mit-
getheilten „Reden," wie etwas sarkastisch
bemerkt wird, keinen Zweifel.

Die „Berl. Börsenztg." schreibt: In dem
Ministerium des 18. März bereitet sich schon
jetzt eine neue Veränderung vor. Dem Ver-
nehmen nach dürfte namlich der interimistische
Präsident des StaatsministeriumS Prinz zu
Hohenlohe schon binnen Kurzem seine Stel-
lung niederlegen und den Fürsten Wilhelm
Raziwill zum Nachfolger erhalten.

Eine große Anzahl von Beamten, welche
bei der letzten Wahl mit der Fortschrittepar-
tei gestimmt hattcn, hat sich zu dem Beschluß
geeinigt, im Hinblick auf den Wahlerlaß des
Hrn. v. Iagow sich diesmal der Wahl ganz
zu enthalten.

Der „Elberf. Ztg." wird aus Berlin ge-
meldet, „daß acht höhere Beamte als unmit-
telbare Bevollmächtigte des Staatsministe-
riums in die Provinzen rcisen, um die In-
tentionen deffelben den Verwaltungsbeamten
vom Oberpräsidenten bis herab zum Landrath
mittelst persönlicher Conferenzen möglichst un-
zweibeutig zu cvmmuniclren, und mit diesen
„ biejenigen Anordnungen " zu vereinbaren,
„welche den Umständen und den mannigfa-
chen Verhältniffcn nach zur Erzielung eines.
güystigen Wahlresultates für geeignet zu er-
achten sind." — Wir haben bereits erwähnt,
daß sälnmtliche Minister Wahlschreiben für
ihre Reff.orts erlaffcn haben. Wie verlautet,
spricht sich der Erlaß des neuen Iustizmini-
sters sehr energisch über vie Stellung der
Beamtcn aus, in Rücksicht darauf, daß sehr
viele Richter sich der Fortschrittspartei ange-
schloffen haben.

„Daily Lelegraph" bezeichnet das von Hrn.
v. Iagow erlassene Circular behufs Beein-


fluffung der Wahlen als der Regierung un-
würdlg. Das Herabsteigen eines Königs und
seiner Regierung zu den Kunstgriffen von
Wahlcandidaten, um sich den Sieg in einer
Arena zu sichern, welche sie als Höherstehende
zu betreten vorgeben, kann das englische Blatt
nicht mit der Würde der Krone und Negie-
rung sich vereinbarlich denken.

Nach dem Beschluß des Wiener Reichsraths
wird für die Zukunft im Preßgesetz die Be-
stimmung figllriren, daß die Beamten, welche
ein Blatt mit Beschlag belegen, ohne daß bie
Confiscation von den Gerichten bestätigt wird,
sofort für den daraus erwachsenden Schaden
dem Herausgeber zu haften haben, was wohl
deren sonstige Eile in dieser Beziehung etwas
mäßigen wird.

Wie dem „Meffager du Midi" aus Paris
geschrieben wird, ist die Rede von einer Sen-
dung des Generals Fleury nach Württemberg
(der Zweck wird nicht angegeben). Der Ge-
neral reise Anfangs April ab; er begebe sich
zuerst an den Hof von Stuttgart und besuche
nacheinander mehrere Südstaaten Deutsch-
lands; seine Reise werde vierzehn Tage
dauern.

In Spanien sind wieder eine Anzahl Per-'
sonen zu den Galeeren verurtheilt worden,
weil sie zum Protestantismus übergetreten.

Der Kardinal Antonelli äußerte sich vor
etwa vierzehn Tagen zu einer uns persönlich
bekannten Person in dieser Weise: „Man irrt
sich in Paris, wenn man glaubt, der Tod des
heiligen Vaters würde eine Lösung sein.
Bleiben dre französischen Truppen in Rom,
so wird das Konklave einen neuen Papst
wählen und dieser, wer es auch sein möge,
ganz so sprechen und handeln, wie sein Vor-
gänger; ziehen die Franzosen ab, so wird das
heilige Kollegium ebenfalls Nom verlaffen
und das Weitere Gott anheimstellen."

Der Erzbischof von Turin, Msgr. Franzoni,
welcher seit^12 Jahren zu Lyon in der Ver-
bannung lebte, ist dort vorgestern, 73 Jahre
alt, gestorben. —

Das Cabinet Ratazzi leidet an derselben
Krankheit wie sein Vorgänger, das Ministe-
rium Nicasoli. Gerade wie in diesem, muß
das Haupt der Regierung die beiden wich-
tigsten Departements, das des Aeußeren und
Inneren, in seiner Hand behalten, weil kein
genugsam bedeutender Name sich sür eins
von beiden finden will. Zwei seiner Colle-,
gen haben bereits abgedankt, weil sie über die
Vervollständigung des Kabinets mit Ratazzi
nicht einverstanden sind.

Schwurgerichrs - Verhandlungen.

Bruchsal, 26. März. Uuter dem Vorsitze des
Herrn Hofgerichtsratß Dr. Puchelt wurde heute die
erste diesjahrige Quartalfitzung des mittelrheini-
schen Schwurgerichts eröffnet, zu welcher 33 Haupt-
geschworne sich eingefunden hatten, während einer
der Geschwornen inzwischen mit Tod abgegangen
wär, und 2 derselben durch Krankheit für entschul-
digt erklärt wurden. Die Tagesordnung führte zu-
nächst zur Verhandlung der Anklagesache gegen Phi-
lspp Nagcl von Karlsruhe wegen Tödtung. Der-
selbe, ein Mann von 47 Jahren, Wittwer und von
bishcr guter Aufführung, ist angeklagt, den 22
Iahre alten Schreinergcsellen G. Heinrich Schleich
von Wiesloch am Sonntag den 22. October vori-
gen Iahres, Abends gegen 9 Uhr, durch Schläge
auf den Kopf mit einem Stück Holz der Art miß-
handelt zu haben, daß bei Schletch ein Knochen-
bruch auf der rechten Schädelseite und Bluterguß
in dte Kopfhöhle entstand, und schon in der darauf-
folgenden Nacht durch Hirnlähmung der Tod des
Verletzten eintrat. Bei dem Angeklagten lebte Eli-
ikbeth Rochler, eine Schwestertochter seiner ver-

storbenen Ehefrau als Dtenstmädchen, und hatte
dieselbe in der letzten Zeit mit Georg Schleich eine
Bekanntschaft, worüber bei mehreren Gelegenheiten
der Angeklagte seine Unzufriedenhrit geäußert hatte.
Am 27. October v. I. war es nun, daß Schleich
tn den Hausgang-des Angeklagten kam- um die
Eltsabeth Rochler aufzusuchen. Dieser hörte die
Tritte im Gang, begab sich vor die Hausthüre und
sah hier auf der Straße einen jungen Menschen,
den er nach kurzem Wortwechsel anpackte, zu Bo-
den warf, dann in den Hausgang hereinschleppte,
mit einem Stück Holz aus den Kopf schlug, ihm
auch den Kopf an die Wand stieß und hierauf den
Mißhandelten zur Hausthür hinaus auf die Straße
warf. Der Augeklagte will den Schleich damals
nicht gekannt haben, er behauptet, daß derselbe ihn
herausgesordert ha-e, gibt übrigens zu, daß er zu-
erst denselben angefaßt, in den Hausgang herein-
gezogen, ihn hier geschüttelt habe, so daß derKopf
an dic Wand gestoßen sei, und daß er Lhn dann
auf die Straße hinausgeworfen habe. Mehrere
Zeugen, so die Schuhmacher Schütz Ehefrau, Ka-
tharina Walter und Erncsttne Bensel, versichern
aber, beinahc übereinftiinmend, daß Schlcich fich

ruhig und nicht aufbrausend gegen den ihm gegen-
über stehenden Angeklagten benommen, daß dieser
gleichwohl gewaltthätig den jungen Menschen ge-
packt, zu Boden geworfen, auch geschlagen, hierauf
in den Hausgang hinein-, und nach einer Weile
wieder mit Fußtritten herausgestoßen, wobei der
Mißhandelte sich durckweg widerstandslos verhalten
habe. Der Angeklagte bemühte sich, die Glaub-
würdigkeit der beiden crsteren Zeugen in vcrdäch-
tigem Lichte darzustellen, mußte jedoch zugeben, daß
er diesen Zeugen bisher serne gestanden sei und
mit denselben niemals einen Streit gehabt habe.
Das Holz, welches er nach seinem Geständnisse bei.
dem Vorgange in der Hand hatte, war ein schweres
Scheit etchenes Holz, wie es grob gespalten in der
Küche desselben verbrannt zu werden pflegt.

Diese rohe, zu eincm so schlimmen Ende sührende
That erschien in ihren Motiven bei dem guten Leu-
munde des Angeklagten, und wenn man deffen Er-
zählung zu Grunde legte, nicht hinreichend aufge-
klärt, und blieb der durch einzelne Andeutungen
bestätigte Eindruck zurück, daß vielletcht ein Gefühl
der Eifersucht gegen Georg Schleich den Angeklag-
ten htebet gelettet hat. Die Verhandlung gedieh^
 
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