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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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Utidrlbtrger Ieilimg.

N II«


Lonntag, 18. Mai


L8«2.

T Zur Fichtefeier.

Als Dr. Wilhelm !?öwe, der letzte Präst-
denl drS ersten demschen Parlaments, >m
Schovße dcr am 3. März d. I. zu Beklm
versammelten Mitglikder dcS NationalvereinS
ben Antrag stellte, den hundertjährige» Gc>
burtstag Flchte's als elnen Nationalsesttag
zu feiern, da durfte er mil Recht erwartcn,
daß dieser Antrag im ganzcn großen Vatcr-
lande den wärmflen Anklang finden wcrde.
Dcnn wer verdiente dicsc Erinncrung auch mehr
als ebcn Fichte, der ticfe Dcnkcr, dcr freic
deutsche Mann, der erhäbene, thatkräftige, un-
beugsame Character, der große deutschc Pa-
triot, der Vorkämpfer für Dcutschlands Ehre,
Selbstständigkeit, Freihcit und Einheit?

Uno vieücicht l'st es für keine Zeit so pas-
send , alS gerade für die unscrc, baß wir unö
'däs Bild dcS großen ManneS wiedcr so recht
lebhaft nnd frisch vor de» Gcist führen. Den»
wer weiß es Nlcht nnd bekennt eS sich laut
oder im Stillen, daß Deutschland jetzt gerade
in einem ganz ähnlichen Zustande rathloser
Versumpfung liege, wiedamals, als Fichtc
zu ihm redete? Dauials war cS Lußerer Druck,
der bald darauf auch kräftig abgeschnttelt
wurde. Jetzt uud eigcntlich dic ganzc bis-
herige Vergangenhcit hindurch ist eS etwas
Schlimmcrcs, waS uns hindert, als ganze
und alS freie Nation dazustehcn i der ncu und
künstlich hcrvorgerufene confcsstonellcZwiespal-
und die hartnäckige Eifersucht der Dpnasticn.
Weiin aber nun unserem Vatcrlande die großc
Aufgabe zufallen wird, nicht von obeuhcr,
sondern >m langsamen beharrlichen Ringen
von unten auf, dnrch die steigcnde Kraft des
Vvlksgeistes die rechte Form der Einignng zu
gewliincn; wenn die crste Bcdingnng dazu
eine alle Kchichten unsereö Volks durchdrin-
gcnde Gesammtbildung ist, wenn eS ganz vor>
züglich die Vernichtung dcS Egoismu«, die
Unterordnung Aller unter dic eine große Zdee
eS ist, waS unS Noth thnt, wo könnten wir
diesen Grundsatz kräftigcr und seurigcr auS
gcsprochcn stnden, als ebeu bei Fichte? Hat
er doch die Ursache all des Unglücks, daS da-
mals über unser Vatcrlanv kain, lcdiglich
darin gefuiiben, daß dlc Zcit stch von jcder
Herrschaft der Jdcen abgcwandt hatte, daß
Regicrendc wie Regierte nur von dcr Selbst-
sucht sich lcitcn ließen, ganz unfähig, den
Blick auf daS Ganze zu richten, und dic Pcr-
son dcr Jdee zum Opfer zu brtngen.

Nicht nur zur Erkämpfung der äußeren Un-
abhängtgkcit hat er durch scine glühendcn
Worte die Geister entzündct und aufgerufcn,
Flchte hat es schon damals auSgesprochen,
daß bte Deutschcii berufcn und bercchtigt seien,
ein Deutschland, ein cinheitliches Rcich »deut-
scher Nation, einen innerlich und organifch
burchaus »erschmolz'cncn Staat" darzustcllen,
gegründet auf Freiheit und Rechtsgleichheit
allcr setner Bürger. Die deutsche Nation soll
Ein Volk werden vielcr, in dic ste zerfallcn
und zum »Besten etner gewjssen An-
zahl vonFainilten als deren Erbbe-
siß" auseinander getheilt worden ist.

Freilich weiß man nur zu wohl, wie es
kam; die Wortc, bie Ftchtc sprach: ,,wcnn
eS sich aber hinterher zeigen solltc, daß es
nicht Ernst (mit den schönen Versprcchungcn
der Fürsten) gewcsen wäre; wenn nach
Errcttuiig im Kampfe abermals die
S elbstständi-gkei.t der Nattot, demVor-
thctle der Herrscherfamtlten geop.
fert würbe, so könnte nnier einem solchcn
Herrscher der Bcrnünfttge durchans ntcht blei,
ben. Ein solchcr Staat bestndet stch iin Zu-
stande der Verstockung unb hat öffentltch das
Sicgel der Verworsenhcit stch aufgedrückt. Der

! Edle rettet setn unsterblicheS Lebcn, tndcm er
^ ihn flieht" — dtese Wvrte dcS Mtßtranens
- habcn wahrlich eine nur zu schrecklichc Erfül-
lung erhalten. Doch glücklicherweise war ihm
dicse Zeit der Vcrstockung crspart. Es war
ihm erspart, die Pcriode der wahren „tiefsten
Erniedrigung" des dentschen VolkeS zu erlcben,
in welcher „dte Reden an dtc deutsche äiakton"
von den Dtenern der durch daS Blut deS
Volks wtederhergestellten Fürstcngewalt als
staatSgefährliche Verbrechen bezeichnet, und
der Kampfgenosse der Stein unb Arndt alS
Bcrführer und Jrrlehrcr der Jugend gebrand-
markt werden durfte. Fürwahr, setn früher
Tod war der Kranz, den daS gütige Schick-
sal alS Lohn für sein edles Leben dcm Geistes-
hclden anf dte Stirne drückte:

Zu edcl war Er für die Zcit der Schmach,

Ftchtc wärc in dtcscr Zeit der Schmach
wahrscheinltch im Kerker odcr an gebrochenem
Herzcn gestorbcn.

Man hat gefragt, ob das dcutschc Volk
dem dentschcn Gclsteshcldcn, der cS tn seiner
ticfsten Nolh getröstct ulld crhobcn, der es zn
seinem glorretchsten Kampfe für Frethclt und
Sclbstständlgkett begetstcrt und klihnen Mnths
auf das Endziel setner hohen Besttmmung
hingewtcsen habc, nicht mtt einem Denkmal
chren wollc? Doch mehr als durch Aufrich-
tung seincr vergänglichen äußeren Gestalt tn
einem Denkmale von Stetn oder Erz werden
wir Ftchte ehren durch Aufrichtung und Er-
weckung setnes manncskiihncn, tapfern und
patriotischen Sinnes tn unferem eigencn Her-
zen, durch die Erhebung unserer Gcmüther zu
zu dcni festen Entschliisse: mit Setnem aüe
Gcsahr verachtenden Mnthc und mtt Seiner
Bcharrltchkctt zu wirken und zu streben für
daS großc Ztel, das Er, dcr Helb unter
Dcutschlands Dcnkern, Seinem Volke unvcr-
rückbar vorgezcichnel hat, für das eiiilge und
freic Retch dcutfcher Natiou l

Badischer Landtag.

Karlsruhe, 16. Mai. (2. Kammer.
50. öffcntl. Sitzuilg.) Borfltz: Hildebrandt;
Regierungscommiffärei Stabel, Ammann,
Der Vorsttzende eröffnet die weitere Berathung
der GerichtSverfassung. § 23 wird ohnc
Bcraihnng angenommen. Bct 8 24 erklärt
StaatSmlnister Dr. S ta bcl auf Anfrage des
Abg. Haager, daß bie Regierung selbst dcr
Anstcht sei, daß baS Strafgesctzbuch mancher
Aenderung bedürfe, namcntlich jctzt tn Fvlge
der Einführung der Schöffen; das Justtzmini-
sterium habe bcreits Gutachten der GerichtS-
hösc kinvcrlangt unb erhalten; auch i» ein-
zelnen Malerien schon Aenderungen gemacht,
aber noch nicht bcrathen. Wann Vorlage er-
folgen könnc, sei nicht zu bestiminen, aber er
könne vcrstchern, baß ste tn ber Abstcht der
Regicruiig liege. Prestinart wünscht das
Nothwendigcre vorher. Angeregt durch Moll,
stellt Nrtaria den von Moll unterstützten
Antrag, bei Berusungen gegen handelsgericht-
liche Urtheilc auch Handelslente tn das Appcl-
lationSgericht z» berufen. Schaaff, Mahs,
Kusel, Presttnari und StaatSminister
Stabel erklären sich gegen diesen Antrag,
»d-r mit allen gegen 3 Slimuien (Artaria,
Moll und Stüber) v°» der Kämmcr verworfen
wird. 8 25 wtro nach cinigen Bcmerkungen
des Miuistcrs und der Abg. Maps, Prcsti-
nari unb Kusel nach bem Connnissionsantragc
aiigenoinmen. 8 26 wird nach kurzer Be-
rathung, woran Maps, Kusel, Haager, Walli,
Hclbcnreich, Berichterstatter Prcsttnari, und
StaatSmini'ster Stabel iheilnchmcn, angenom-
men; eben so werden angenommen, und zwar

ohne Besprechung, dte 8l 26 s, 27, 28, 29,
30, 32, 33, 34, 36, 37, 38, 39, 39», wo
stch Krausmann gegen die AusnahmSge-
rtchtsbarkeit der Mtltlärpersonen erklärt, und
40; nach vorauSgegangener kurzer Bcsprechung
werden nach dcn Cvmmisstonsanträgcn ange-
nvmmcn dse 88 26, 30 n und 35. Längere
Besprechung rufen hcrvor: §31. Htcr wünscht
Minlster Stabel, daß die Worte «und tn
Rechtspolizctsachen" gestrichcu werden, denn
es frage stch ja noch, ob bei dem darauf be-
zügltchen, erst zu machenden Gesetz tn solchen
Sachen auch wirklich eine 3. Jnstanz beltebt
werde; eS set dies allerdings wahrscheinlich,
abcr Kammcr und Regierung sollten stch doch
freieS Feld wahren; in dem kommenden Ge-
setze könnc man ja tmmer noch die Bestim-
mung treffen. Kusel, Maps und Prestt-
nari thun dar, daß cS gleichgiltig sei, ob die
Worte gestrichen werden odcr nicht; Knies
stellt ben Antrag, ste beizubehalten, zieht lhn
aber wieder zurnck, obgleich er »vn Eckhard
untcrstützt war. Der Commlsstonsantrag wird
angenommen. Bei 8 37 » stellt Fischler
^ den Antrag, solchen solgcndermaßen zn saffeni
„Jn allen bürgeriichen Rechtsstreitigkeiten zwt-
schcn Parteien, die tn einer Geineinde wohnen,
hat der Bürgerinei'ster auf Antrag etner dcr
Partcten nntcr Zuzug zwcier von den Par>
tetcn gewähltcn Urkundspersoncn eine Vcr-
mittiung zu versuchen. Ehe dieses geschche»,
kann kcine Klage erhobcn werden." Gschrei
ehrt die Absicht, glanbt aber ntcht, daß ste
aussührbar sei, namentltch in größcren Städ-
ten; cbenso Walli'. Fröhllch wtll nicht
weit gchen mit den Bcrglcichen. Mintster
Stabel wünscht, daß tn den Paragraph
aufgenommen werde, wcnn beidc Parteien tn
dcmselben Orte wohnen. Schaaff lil'mmt
dtesen Wunsch als Antrag auf und wtrd von
Schmitt, Eckhard, Kirsner u. A. unterstützt;
Presttnari findct kcin Bedürfntß zn dtesem
'Znsatze, dte fremden Kläger werden eben nicht
erschetnen. Gschrei und Artaria stnd
ebenfalls gegen den Schaaff'schen Antrag, wel-
cher sedoch verworfen wird. Ftschler'S An-
trag ward nicht unterstntzt. Dic Kammer
nimmt tn namentltcher Abstimmung das Gesetz
etnsttmmtg an. Haager kündigte ctne An<
srage an großh. Regiernng an über den gegen-
wärti'gcn Stand aügeweiner deutschcr Gesetz-
gebnng. Schlnß der Sttzung.

* Politische Umschau.

Der österrelchische Prvtest gegen dcn Han-
delSvertrag i'st nunmehr veröffentlicht und
macht das größtc Aussehen. Oesterrcich soll
stch für die directen Untcrhandlungen mlt
Frankrei'ch frete Ha»d halten wollen. Es fürch-
tet, wcnn der französtsch-dcnlsche Handelsver-
trag erst endgültig abgeschloffen sei', so möchte
Frankreich thm sreihändlerische Bedmgnngen
mlt Erfolg anferlegcn könncn. Dnrch dcn
Einspruch hofft es den Abschluß in Deutschland
zu seinen etgenen Gnnsten aufznhalten. Seit
gestern sah man daher di'c Chanccn der Un-
terzeichnung für Ende Mai wicder ctwas ge-
fährdet.

Der Handels- und Geiverböpcretn tn Kas-
sel hat den Beschluß g-faßt, der Regterung
aus das verlangte Gniachlen über den mtt
Frankreich abzuschltcßeaden HandelSver-
trag zu crklären: »aß der Abschluß deffelben
der Jndustrle und dem Hanvel Deulschlands
förderltch und der Beltritt Kurheffens dem-
nach wnnschenSwerth cischeme.

Das Zonrnal vvn Neapel cnthält folgeiide
Note: Dic Ankunft des Prtnzen Napoleon
dars bezüglich d-r römischen Frage keine über-
eilten Hoffnungen erwecken, welche, anstatt
 
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