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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2810#0183

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L7.


Dienstag, 23 Z-ebruar 18«2.

Mexiko und die europäische Jnter
vention.

II

Daß die europ. Mächte sich dazu entschlos-
sen, ihren Beschwerden geflen die mericanische
Negierung mit den Waffen Nachdruck zu geben
und auf dem Weg der Gewalt sich Genug-
thuung und Entschädigung zu verschaffen, ist
nach der ganzen Haltung, welche'die Regiernng
des Präs. Iuarez ihnen gegennber eingenom'
men hat, ganz begrciflich. Allein derZweck der
Intervention. geht ausgesprochenermaßen wei-
ter. Es soll, so verkündiqen namentlich die
officiösen Blätter Frankreichs, die Wiederkehr
ähnlicher Unbilden unmöglich gemacht werden
durch die Einrichtung eiiier starken und defini-
tiven Negierung, mit der die europ. Mächre
allzeit ungestört freundschaftliche Verbindungen
unterhalten könnten. Diese Negierungsfoim
aber könne nach Geschichre und natürlicher
Änlage der spanisch-amerikanischeu Völker
keine andere sein, als die monarchische. Selbst
der Fürst, der für diese Nolle sich eignen
würde, wird mit wachsender Bestimmtheit
bezeichnet. Daß hiebei von französischer Seite
das civilisatorische Intereffe wieder in den
Vordergrund gerückt wird, versteht sich von
selbst; und wäre es wirklich das Intereffe
der CivLlisation und Humanität, welches die
Streitkräfte der Alliirten nach dem merikani-
schen Busen führte, so dürftc man der dorti-
gen Bevölkerung nur Glück wünschen, deren
Wohlstanddurch die ununterbrochen fortdauernde
Anarchie aufs äußerste hkrabgebracht ist, die
von dem einen ränberischen General nui da-
zu befreit wird, um iu die Hände eines andern
zu fallen, die, um es mit eiuem Worte zu
sagen, innerhalb 40Iahren mit 58 Präsiden-
ten und 27 Derfassungen gcsegnet war. Allein
an so kostspielige Unternehmungen, uneigen-
nützig im Dienst der Humanität unternommen,
wird Niemand in unserem Iahrhundert glau-
ben, das überdieß aus Erfahrung weiß, was
es mit den angeblichen Kampfen „für Line
Idee" für eine Bewandtniß hat. Selbst wenn
das Resultat der Unternehmung schließlich ein
Gewinn der Civilisation ist-, so sind doch die
Motive der verbündeten Mächtk sicher nichts
weniger als uneigennütziqe. Spanien zuvör-
derst hatte, indem es zum Kriege drängte,
und ihn zunächst auf eigene Faust führen
wollte, keinen anderen Zweck, als die Wieder-
gewinnung der alten Colonie. Seitdem im
Mutterland nach langen Kämpfen eine festere
Ordnung wieder eingekehrt ist, glaubt es sich

stark genug, die Blicke wieder nach Außen
richten zu können. Die Zustände im spani-
schen Amerika waren verlockend. Jn den anarchi-
schen Wirren, welche bald die Liberalen, bald die
Clerikalen oben an brachten, fandSpanien, wel-
ches die Letzteren begünstigte, Gelegenheit genug
zu heimlr'cher Einmischung. Der Anfang ward
mit San Domingo geniacht, und der Erfolg
war über Erwarten: das Volk war so treff-
lich bearbeitet worden, daß es „aus freien
Stücken" die Herrschaft des Mutterlandes' zu-
rückrief. Ietzt sollte die Reihe an Meriko
kommen. Der clericale Erpräsidcnt Miramon
hielt sich r'n Madrid auf und conspr'rirte von
da gegen die Heimath. Er mochte der Regie-
rung vorspiegeln, daß die Herrschaft des Mut-
terlandes auch dort sehnlichst erwartet und
begrüßt würde. Da machte die Eifersucht
Eiiglauds und Frankreichs einen Strich durch
die Nechnunz. England und Frankreich zwan-
gen Spanien, er'nem Vertrag zu eiiier gemein-
schaftlichen Erpedition beizutreten, wo dann
von Verfolgung jener Plane nicht mehr die
Rede sein konnte. Als es sich daun um die
Aufstellung eines europäischen Thronkandida-
ten für Meriko handelte, konnte Spanien
schon durch die Anzahl der der iberischen Halb-
snsel angehörr'gen Prätendeiiten hoffen, im
Vortheil zu sein: es konnte aufwarten mit
Don Iuan> Don Alfonso, Don Carlos,
Don Sebastian. Allein um jede Rivalität
abzuschneiden, da auch Frankreich einen ver-
wendbaren Throncqndivalen desaß, kamen die
Mächte überein, daß der künftige Erbe des
Throns Montezuma's keiner der drei Inter-
ventionsmächle angehören dürfe. Allein dr'ese

beschleunigte nur das Vi)rgehen der zwei an-
dcrn Mäct'te, ihr eigentlicher Beweggrund zur
Einmischung lag tiefer: er lag in dem Ver-
hältniß Meriko's zur amerikanischen Union.
Die europ. Jntervention, beschlossen zur Zeit,
als ein Krieg zwischen England und-Amerika
drohte, ist ein Protest gegen die Monroedok-
trin, ein Protest gegen die Regierung zu Washing-.
ton, wie gegen die Sclavenhalter im Süden,
die aus Selbsterhaltnngstrieb nach immer
größerer Ausdehnnng ihres Gebiets streben,
wie sie aus demselbcn Grunde die Ervberung
von Teras betrieben haben, ein Protest gegen
den Anfall Mer'ico's an die Verein. Staaten
von Amerika.

Depesche

des bad. Ministers Freiherrn v. Roggenbach
an den großh. Gesandten am kön. sächsischen
Hofe, Freiherrn v. Marschall, in Berlin.

(Fortsetzung.)

Proeeß Dumollard.

Eröffnet zu Bourg am 29. Ianuar.

(Fortsetzung.)

Dumollard : Madame Laborde ist in großem Jrr-
thum über die ganze Sache. Niemals hab' ich ein
Weib in eine Herberge gebracht. Wollte ich mich
mit einem Mädchen amüsiren, so bin ich gleich di-
rect in ihre Kammer gegangen! Alles was sie sagt,
ist falsch, grundfalsch!

Folgt die Vernehmuna der Louise Michel, ver-
ehelichten Morel. Die Thatsache ist bekannt. Sie
wiederholt diese dem Angeklagten mitgroßer Energie
in's Gesicht.

Dumollard: Allerdings habe ich diese Person
aus Lyon weggeführt, aber sie erzählt mehr, als
an der Socke.jst. Sie haben wohl gehört, daß fie
sagt, ich häuc sie-von 10 bis 2 Uhr warten lassen,
ehe wir uns auf den Marsch machten. Nun, sehen
Sie! Warum war ich so lange weg? Weil ich meine
beidcn Herren davon unterrichten mußte, daß ich
ihnen dicse Iungfer züführen würde!

Präsident: Also war dieses arme Mädchen auch
für sie bestimmt?

Marie Michel, lebhaft die Hände ausstreckend:
Ach mein Gott, mein Gott!

Schicksal w,e

Marie Michel: Heilige Iungfrau! O Gott!

Dumollard: Aber nachher habe ich sie vor diesen

„Bärtigen" gerettet; als ich mich auf den Baum-
stamm setzte, hab' ich da nicht gesagt: „Du wirst
nicht von der Stelle gehen!" Das war, um sie zu
warnen! «>

Marie Michel: Nein, nein! Es war, um mir mein
Geld zu nehmen, und Sie haben mich dabei ange-
sehen, wie ein Dämon; und der Stock, den Sie in
der Hand hielten?

Dumollard: Gehen Sie, Mademoiselle! Man
muß auch die Sachen nicht übertreiben; haben Sie
sich um Nichts gefürchtet, so ist das nicht meine
Schuld.

Man geht zu dem schwersten Anklagepunkt, der
Ermordung der Eulalie Bussod, über. Ein Beamter
der Charite constatirt, daß dieselbe im Iahre1860
im Hospital von einer Tochter entbunden worden
ist. Daher rührt der Schein, wodurch man ihren
Namen erfuhr. ibr^ z^ge^örigen Effecten be-

dcn drei Sänvestern anerkannt, von der einen zu-
gleich die Person Dumollard's. Die innere Em-
pörung. dieser Zeuginnen ist so mächtig, daß der
Präsident zu seinem Bedauern genöthigt ist, sie zu
ersuchen, ihrem bercchtigten Schmerz einige Mäßi-
gung zu gebieten. Alles ist auf's Tiefste crgriffcn,
nur Dumollard bleibt der Alte und bemerkt gleich-
giltig: .

Das ist ein Weib gewesen, welches ich den Bär-
tigen .zu ihrem Vergnügen zugeführt habe, wie ge-
wöhnlich. Von ihnen hab' ich diese Sachen be-

kommen. Was sie mit ihr selbst gemacht haben,
weiß ich nicht.

Marie Pichon wird aufgerufen, was allseitig mit
lebhaftem Jnteresse vernommen wird. Sie tritt
mit ebenso viel Entschlossenheit als Anmuth auf,
und erklärt, sie sei27 Jahre alt, verwittwete Bertin.
Sie erzählt die bekannten Thatsachen mit vieler
Präcision; als sie Dumollard bei dem Engagement
bemerkte,'sie sei Wittwe, hatte er erwidert: „Ei,
desto besse'r, dann könncn wir uns ja heirathen."
Nach der Erwähnung der nach ihr geworfenen
Schlinge erklärt Dumollard: Ich hatte keine Schlinge,
keinen Strick. Sie sagt auch, ich set ihr nachgelau-
fen. Nein! Ich bin mehr als zehn Minuten stehen
geblieben.

Marie Pichon: Sie sind mir allerdings nachge-
laufen!

Dumollard: Ich sageJhnen: Nein, dennich war
sehr froh, daß Sie sich rctteten und Jhnen weiter
kein Leid geschah.

Präsident: Aber wenn Sie so froh darüber waren,
warum haben Sie ihren Kosser, Schirm und Car-
ton gestohlen?

Dumollard: Die Bärtigen waren sehr böse, daß
ich sie hatte entwischen lassen, und sagten mir-- sie
wird dich arrgeben, du mußt also alle ihre Sachen
verbrennen.

Präsident: Warum haben Sie ihnen denn nicht
gesagt, sie sollten sie selbst verbrennen? Das hätte
Sie wett weniger compromittirt!
 
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