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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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Hndelbtrgtr Iritung.

N» 11«. Sonntag, l, Mai


L8«2.

Badischer Landtag.

Karlsruhe, 9. Mai. Fünfuudvierzigste
öffenrltche Sttzmig der Zweiten Kammer,
uuter dem Vorsitz des Präsidenten Hilde-
b r andt.

Von Seiten der Regierung anwesend: Staat.s-
minister Dr. Stabel; der Geh. Rath Dr.
Lamep; Geh. Nath Dr. Weizel; später
Geh. Rath Dr. Brauer.

Das Secretariat zeigt Petitionen an aus
Lichtenau, um Aufhebung der großen Aus-
schüsse, und von 20 Ortschaften, um Erbau-
ung einer Eisenbahn von NadolphzeÜ nach
Meßkirch.

Abg. Lhoma zeigt an, daß der Bericht
nber das Budget des Finanzministeriums, über
Münzverwaltung rc. drucksertig sei.

Der Präsident theilt mit, daß in die
Commission für das Gesetz, die Vervollstän-
digung der Schienenwege betreffend, gewählt
wordenseien: die Abgg. Paravlcini, Haa-
ger, Thoma, Schaaff, Kirsner. Auf
den unterstützten Antrag des Abg. Paravi-
cini wird diese Comlrission am Schlusse der
Sitzung um folgende 4 Mitglieder verstärkt:
Schmitt, Häusser, Eckhard, Spohn.

Die Tagesordnung führt zur Be-
rathung von Petitionsberichten, und zwar be-
richtet

1) Abg. Kusel über die Bitte mehrerer
Einwohner von Achern, Oberachern und Ober-
kirch, um Erwirkung einer aügemeinen Am-
nestie.

Die Commission bemerkt, wenn man das,
waS bisher in unserm so schwer von Stür-
men heimgesuchten Lande bereits zu Gunsten
der politischen Verurtheilten geschah, mit den
Zuständen anderer Länder vergleiche, so finde
man, daß die badische Regierung auch in der
schweren Kunst des Vergeffens und Vergebens
keiner andern nachsteht. Nichtsdestoweniger
giaubt die Commission aussprechen zu müffen,
daß auch sie den Augenblick sreudig begrüßen

letzten politisthen Verbrecher die straffreie
Rückkehr in das Vaterland gestattet werden
kann. Nur darin stimmt bie Eommisfion nicht
mit den BittsteÜern überein, daß eö nun Sache
der Stände sei, auf die alsbaldige Gewäh-
rung jener Wünsche hinzuwirkeu. Gegenüber
der so vielsach bewährten Milde des Lanbes-
herrn und gegenüber einer sreisinnigen Ne-
gierung scheint es der Commission fast. nicht
erlaubt, dem schönst.en Vorrecht der Krone ein
bestimmtes Ziel vorschreiben zu wollen.

Dritte General-Versammlung

des volkswrrthschaftlichen Vereins für Südwest-
Deutschland.

(Fortsetzung.)

Mar Wirth machte auf die vielen Schwindel-
bureaur aufmerksam, welche die Stcllensuchenden
ausbeuten und führte aus der Erfahrung des von
ihm herausgegebenen Blattes, der „Arbeitgeber",
der sich speciell mit dem Nachweis offener Stellen
und von Arbeitkraft befaßt, mehrere Beispiele an.
Der Vorschlag von Lammers wurde angenommen
und nach Verlcsung einer freundlichen Abresse des
Mannheimer Arbeiterbildungsvereins auf den An-
trag von Edinger aus Worms beschlossen, die Ver-
hanblungen über die Militarfrage als drittes Flug-
blatt herauszugeben. — Unter den anwesenden Theil-
nehmern bemerkt man Mitglieder aus Stuttgart,
Pforzhcim, Prof. Rau und Dr. Pickford aus Hci-
delbcrg, Mainz, Worms, Frankfurt, Bonn, Saar-
brücken, Dürkhcim,. Speier, Neustadt rc.

— 4. Mai. Die Verhandlungen über den Han-
delsvertrag eröffnete der Berichterstatter Sonnemann
mit einer Zergliederung desselben. Er tadelte die
Geheimnißkrämcrei, mit der Preußen dabei ver-

Von der Ueberzeugung durchdrungen, daß
der letzte Schritt der Gnade nicht länger wirv
auf sich warten laffen, als gebietende Gründe
es erheischen, schlägt die Commission vor,
auszusprechen: „Die Zweite Kammer, ver-
trauensvoll der Regierung anheimgebend, zu
entscheiden, wann die Erfüüung der Wünsche
der Petenten möglich und rathsam sei, geht
zur Tagesordnung über."

Staatsminister Stabel: Durch den Gna-
denact vom 1. Dec. 1860 ist allen politisch
Verurtheilten ohne Unterschied, selbst den
schwerst betheikigten, die Aussicht auf straf-
freie Rückkehr ins Vaterland eröffnet worden,
syfern sie darum nachsuchen.

Daß dies kein leeres Wort, sondern ernst-
lich und wohlmeinend verstanden war, beweist
am schlagendsten die Thatsache, daß bis jetzt
keinem einzigen, selbst nicht dem am schwer-
sten Verurkheilten, die straffreie Rückkehr ver-
sagt wurde, wenn er darum nachsuchte. Es
befinden sich überhaupt von den Schwerbethei^
ligten nur noch etwa-15 im Ausland, und
diese haben bis jetzt noch keine Bitte um
straffreie Rückkehr gesteüt. Bei dieser Sach-
lage könnte die Erlassung einer allgemeinen
Amnestie keinen andern Zweck haben, als die
Verurtheilten oer Nothwendigkci^ zu ^ntheben,
eine Bitte einzureichen, in der sie straffreie
Rückkehr verlangen. Man kann jedoch in der
Austage einer solchen Bitte keine Härte und
keine unbillige Zumuthung finden, benn man
fordcrt ja gar nichts weiter, als ein einfaches
Gesuch um die.Erlaubniß, ftraffrei ins Vater-
land zurückzukehren. Jch kann auch unmöglich
glauben, daß irgcud ein Flüchtling deshalb
nicht zurückkehien will, weil er es unter seiner
Würve hält, Allerhöchsten Orts ein solches
Ansuchen zu stellen. Sollte indeß dies wirk-
lich der Fall sein, so müßte man annehmen,
daß der Glaube vorhanden sei, die Begnadi-
gnng sei kein Act der Milve, sondern eine
Amnestie, die dcshalb erlaffen werde, damit
das Vaterland die Flüchtlinge dafür um Ver-
zeihung bitte, daß sie von den Gerichten ver-
urthettl worden sind.

Die Erlaffung eiuer Amnestie hat aber auch
noch eine andere Schwierigkeit, die die Re-
gierung bis jetzt nicht zu besiegen vermochte.
Sl'e hat noch keinen Ausweg gefunden, bies
Hinberniß zu beseitigen. Es ist notorisch,
daß sich unter den Flüchtlingen einige, wenn
auch sehr wenige, befinden, die im Ausland
ihr revolutionäres Treiben bis zur Slunde
fortsetzen, indem sie durch Wor§ und That an
solchen Unternehmungen und Verbindungen

fahrcn; allein die Retzierungen in Süddeutschland,
welche demselben abgeneigt sind, hätten keine Ur-
sache, sich darüber zu beklagen, indem sie bei Zeiten
Nachricht von den Bedingungen desselben erhtelten.
Das Publikum wußte wenigstens so viel, daß Fran-
reich für seine Grenzen gegen den Zollverein den-
selben Tarif aufstellen wolle, wie gegen Belgien.
Der volkswirthfchaftl. Verein hat deshalb auch gleich
in seiner 1. Versammlung den Vertrag gründlich be-
sprochen, und vas hätten Handelskammern u. Fabri-
kanten wohl auch thun können, ohne die genauen Be-
slimmungen des Vertrags zu kennen; man konnte we-
nigstens seinc Wünsche ausdrücken. Die materiellen
Vortheile des Handelsvertrags mit Frankreich sind,
wenn auch nicht jede Jndustrie Antheil daran hat,
so groß, daß fast Niemand dieselben leugnen kann.
Es sind vtelmehr, wie aus allen Bcrichten hervor-
geht, mehr politische Bedenken, welche bei den Re-
gierungen vorwalten und egoistisches Sonderinteresse
bei den Schutzzöllnern. Dtcse geftchen zwar zu,
daß etne Aenderung der Zölle nothwendig sei, ver-
langen aber, daß dteselbe durch eine allgemeine
Tarifreform bewirkt werde. Dieses Verlangen kann
abcr nicht sehr aufrtchtig gemeint sein, weil cine

Theil nehmen, die einen allgemeinen Umsturz
der Staatsordnung herbeizuführen bezwecken.
AnH diesen bie straffreie Rückkehr zu gestat-
ten, wäre nicht wohl rathsam. Zwar glaube
ich nicht, daß die Regierung in der That Be-
sorgnisse hegen bürfte, daß dieselben unserer
StaatSordnung besonbere Gefahr bringen;
allein es ist noch ein anderes Moment hier
zu berücksichtigen. Jch glaube und die Re-
gierung glaubt, es würde das sittliche und
das Rechtsgefühl des Volkes verletzen, wenn
man auch solch'e Jndividuen, die die Revo-
lution gleichsam gewerbsmaßig betreiben und
dafür allgemein im Lande bekannt sind, ein-
laden würde, in das Vaterland zurückzukeh-
ren. Das ist ein Hinderniß, das bie Regie-
rung bis jetzt nichl zu beseitigen vermochte;
und bei dseser Sachlage kann ste wohl behaup-
ten, daß thatsachlich Das schon besteht und
gegeben ist, was die Petenten wollen. Dem
Wesen nach haben wir eine Amnestie, und es
ist wahrscheinlich, daß die Pctenten dicse ihre
Bitte selbst nicht gestelll hätlen, wcnn sie von
der Sachlage genau unterrichtet gewesen
wären.

Gegen den Antrag der Commission hat die
Regierung nichts zu erinnern, denn ihr.Stre-
ben ist auf die größlmöglichste Milde gerich-
tet; auch glaube ich nicht, daß Grund vor-
handen ist, im gegenwärtigen Augenblick die
Regierung zu einem weiteren Schrilte zu ver-
anlaffen.

Da sich Niemand mehr zum Wort meldet,
wird der Commissionsantrag angenommen.

Fingado berichtet über zahlreiche Pett'tio-
nen um Hebung der Pferdezucht auf dem
Schwarzwalde. Antrag: Ueberweisung der
Pelittönen an das Handelsministerium zur
Kenntnißnahme und geeigneten Berücksichti-
gung. Geh. Nath Weizel hat gegen diesen
Antrag nichts einzuwenden; die Vorarbeiten
zur Bilbung der landwirthschaftlichei: Wahl-
bezirke seien soweit gediehen, daß der Central-
ausschuß bald zusammentreten könne und die-
sem werve über Hebung der Pferdezucht Vor-
lage gemacht werdeü. Kirsner unterstützt
den Commisstonsantrag und erklärt sich durch
die Regierungserklärung beruhigt. Der An-
trag wird -angenommen. Fauler berichtet
über die Bitte um Errichtung einer Telegra-
phenstation in Rencheitt Ant*ag: Ueberwei-
sung an großherzogliches Handelsministerium
zur Kenntnißnahme. Angenommen. Mays
berichtet über Petitionen um Abänderung des
§. 35 des Forstgesetzes und des Waidablö-
sungsgesetzes. Tagesordnung wird beschloffen,

solche Reform die Fabrikanten in ihren Privilegien
noch mehr beschränken würde. Ein Punkt aber ist
im Vertrag (§. 31), für den der Berichterstatter

von Pferden und Kriegsmaterial nämlich, welche
bei einem Kriege oder bei einem Verbot gegen Frank-
reich auch ein solches gegen Oesterreich zur Folge
hätten. Jm Uebrigen sind die Zölle gerade der
Jndustrien, welche am meisten schreien, immer noch
außerordentlich hoch. Die Zölle auf Baumwoll-
garn z. B., welche von 3 auf 2 Thlr. herabgesetzt
werden sollen, bringen den Spinnereten immer noch
cinen enormen Gewinn. An den letzten ^ahren
(nichk blos 1860) sticgen die Dividenden derselben
von 10 auf 12 und sogar auf 16 Procent; daS
sind keine Erfolge, welche die^Spinner berechtigen,
noch ein Geschenk von 2 Thlr. zu verlangen. Außer-
dem ist aber die Weberci hier zu berücksichtigen,
welche eine so bedeukende im Zollvercin ist und unter
dem Garnzoll außerordcntlich leidet. Der Zoll-
verein führt jetzt so viel Baumwollwaaren aus, daß
deren Betrag 32 Procent der gesammten desglei-
chen Einfuhr beträgt. Von der größten Bedeu-
tung ist aber die Ausfuhr von Wollwaaren, wo
 
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