Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
April
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2810#0319

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
M; 81.


Samstag, 3. April


1862.

Bestcllungen auf die Heidel-
berger Zeitung fnr das zweiee Quartal
rverden sowohl bei allen Großh. Postämtern,
als auch für Hier ber der Erpedition d. Ztg.
angenommen.

-j-j- Die Krisis in Griechenlan-.

Nach den neuesten Nachrichten ift die Em-
pörung in Griechcnland, welche, soweit sie
äußerlich zu Tage lritt, lediglich den Charac-
ter eines Militäraüfständes an sich trug, völ-
lig niedergeschlaqen. Nauplia iK von den
treugebliebenen königl. Truppen genommen,
pnd damit Vie Autorität der Regierung bis
auf Weiteres mieder hergestellt worden. Eine
so schnelle Beendigung der ausgebrocheuen
Verschwörung war kaum zu erwarten. Das
Gewichkigste an einer solchen Bewegung in
Griechenland ist immer, däß es sich — wenn
auch dem iScheine oder der That nach innere
Angeleqenheiten den äußern Anlaß hiezu qe-
ben —. in den Traditionen der Griechen um
eine wirkliche Idee handelt, die nie aufhören
wird, sn den griechischen Völkern lebendig zu
bleiben, die Ivee der Gestaltung emes großen
Reiches durch Vereinigung der noch unter
türkischer Herrschaft gebliebenen griechischen
Provinzen mit dem jeßigen, kaum 900 Qu.-M.
enthaltenden kleinen Königreiche Otto's des I.
Sobald zu irgend xiner Zeit eine politische
Aufregung in Griechenland stattftndet, drängt
sich jenes politische Ziel von Neuem in den
Vordergrund, und es istdann immer zu ge-
wärtigen, daß die angrenzenden gräco-slavi-
schen Länder des türkischen Reiches mit in
die Bewegung fortgerissen werden. Und da
für diese Letztere bekanntermaaßen Zündstoff
genug in den.Donausürstenthümern, Serbien,
Bulgarien, Montenegro u. s. w. vorliegt, und
die traurigen, auch unter demujetzigkn Sultane
nicht gebessertkn Staatsfinanzen und die aus-
wärtigen Wühlereien einerseits, (von Seiten
französischer. und italienischer, andererseits
russischer Agenten) eine krästige Niederhaltung
einer größern ausbrechenden Bewegung kaum
hoffen laffcn, so liegt der mehrmals in diesem
Blatte ausgesprochene Gedanke nahe genug,
daß an die jetzigen Verwicklungen, die iü Grie-
chenland wahrscheinlich nur momentan been-
digt sind, und im Nordwesten der Türkei noch
fortdauern — sich mit der Zeit der Ausbruch
einer entscheidenden orientalischen Krise anknü-
psen könne. Wie kaum zu bezweifeln, stand
der eben erst gedämpste Aufstand in Gricchen-

land mit der in Italien von der dortigen
ertremen Nationalpartei verbreiteten Bewe-
qunq in nahem Zusammenhange, und verlor
hauptsächlich deßhalb seine auch gegen König
Otto allein gerichtete'drohende Spitze, weil
er aus noch unbekannten Gründen vor dem
gehörigen Zeitpuukte ausgebröchen war. —
Sehr bezeichnend war in dieser Beziehung
die in Syra versuchte Ausrufung des dritten
Sohnes des Königs V. Emanuel zum KöNig
von Griechenland. Die in Itakien mächtig
vorgeschrittene einheitliche Gestältung in libe-
ralem Sinne hat nicht verfehlen können, äuf
das für ein bewegtes politisches Leben von
jeher empfängliche Griechenvolk einen tiefen
Eindruck zu machen. Hiezu kommen noch
manche andere geistige und materielle An-
knüpfungspunkte mit Italien, die eben jetzt
wicder an Farbe und Bestand gewinnen. Jn
einer gewissen Wechselwirkung ständen fchon
in den zwanziger Iahren die über die beider-
seitigen Länder verbreiteten politischen Ge-
heimbunde der Hecäria und Carbonaria.
Auch in neuerer Zeit haben an Garibaldi's
Unternehmungen viele griechische FreilvMste
Antheil genommen. Die hvheren Stände Ita-
liens aber haben die hohen Einfiüffe altgrie-
chischer Wiffcnschaft und Bildung auf eigene
Literatur und Kunst ihres Vüterländes in
dankbarem Angedeuken bewahrt, und die alte
Stammverwandschaft zwischen Süditalien und
Griechenland mag, wie die mannigfachen
neuen Verkehrsbeziehungen zwischen beiden
Völkern ebenfalls das Ihrige zur Knüpfung
eines unsichtbaren geistigen, sowie eines greif-
baren materiellen Bandes beitragen. —
Daher ist allem Anschein nach die Ruhe in
Griechenland uur wieder auf eine Zeitlang
hergestellt. Das Land ist durch die Eifersucht
der Diplomatie auf unnatürliche Grenzen ein-
geschränkt und an einem erfolgreichen Gedei-
hen gehindert wvrden. Auf den Beistand Ruß-
lands, und in neucrer Zeit auch Frankreich's
bauend, wie auf die innere Zerrissenheit .des
ottoManischen Reiches, von einer unruhigen^
aber im Kampfe bewährten Nation bewohnt,
wird es jede weitere Gelegenheit ergreifen,
um die bekannten, mit uralten Braditionen
'zusammenhängenden Tendenzen zur Wahrheit
werden zu laffen. Und wenn auch für dies-
mal der Ausbruch einer entscheidenden, großen
Krisis noch glücklich abgewendet wurde, so
wird sicher dereinst der Augenblick kommen,
wo das Losungswort für die fast ununter-
brochene Unruhe in Griechenland offen auf
das nationale Panier geschrieben wird. —

In einem solchen entscheivenden Zeitpunkte
aber dürfte für die Erhaltung der Dynastie
des Königs Otto die einzige Nettung darin
zu finden sein, daß dieser sich selbst an die
Spitze der Bewegung ftellt, und für alle Lande
griechischer Zunge dieselbe Nolle übernimmt,
wie Victor Emanuel iu Italien. Eine weit
größere BerechtigUng würde ihm ohuehin zur
Seite stehen, und zwar nicht auf der Grund-
lage des natürlichen Nechts der Nationalitä-
ten allein, sondern selbft vom Gesichtspunkte
des histörischen Rechts aus betrachtet. Be-
kanntermaaßen herrschen die jeder wahren
Kultur unfähigen Türken übet die einer bes-
sern Zukunft fähigen Griechen nur Kraft des
Nechts der Eroberüng, und haben in einer
Zeit von vier Iahrhunderten versäumt, den
von ihnen beherrschren Völkern eine feste, srei-
heitliche, den Grunvsätzeu der Humanität und
den Normen eines Rechrsstaats entsprechende
Gestaltung zu geben, und diesilben durch die
Bande der Civiiisation an sich zu ketten,
wodurch nach völkerrechtlichen Gtundsätzen
der vorübergehende Besiitz allein in eine blei-
bende Verjährung übergehen, und der precäre
Titel der Eroberung eine Art von Legirimität
erlangen und zu einem achtunggebietenden
Rechtstitel werden kann. —

Nachtrag. Nach neuesten Nachrichten ist
Nauplia nicht vollständig erobekk, sondern
nur die äußeren Verschanzungen. Ein Fort-
dauern des Äufstandes thut der Nichtigkeit
obiger Betrachtungen jedoch keinen Eintrag,
bekräfttgt diese vielmehr nur um ein Weir-
teres. —

Badischer Landtag.

Karlsruhe, 2. April. 32. össentl. Sitzung
der H. Kammer. (Schluß.) Bei Art. 22
(Privatrechtliche Natur der Dienst- Und Lehr-
verträge) schlägt W a l l i andere Fassung vor,
woraus ersichtlich, daß das Civilrecht geltend
sei, insoweit vcrtragsmäßige Uebereinkunft
nicht vorliege. Knies beantragt, in Abs. 1
zu setzen: Die Festsetzung rc. ist im Allqemei-
nen Gegenstand ber vertragsmäßigen Ueber-
einkunft und sodann in 2 Zusätzen, 22a und
22d, Bestimmungen für den Lehrvertrag zu
geben. Minifterialrath Turban entgegnete
Waüi, daß die Absicht des Artikels nur die
sei, zu constatiren, daß das bisherige Ver-
hältniß , wonach die Entscheidung durch die
Polizei gegeben wird, aufhöre und.die Be-
treffendcn nun selbst zu entscheiden haben.
Dem Abg. Knies bemerkt derselbe, daß man

^

Ileber muficolischen ^ilett.intismus.

F Dilettant, nach eincm besonders auf Musik
bezüglichen italicnischen Ausdruck, ist derjenige, der
zu seinem, wenn auch nicht immer zu Anderer Ver-
gslügen, mit Musik sich beschäftigt: Der Dilet-
tantismus ist dkr Meister- und Kennerschaft ent-
gegengesetzt, und, wie er in neuerer Zeit grassirt,
dcm grsunden Menschenverftande ganz und gar zu-
wider. Ueberall treibt er sein Wesen, in der Kirche,
in Concerten, in den Häusern, auf den Straßen;
ein wahres Tretbjagen; bie gehctzte, geängstete Dkusik
weiß nicht mehr wohinein, wohinaus. In dem
Conccrssaale und in Theegesellschaften hat die Eitle
ihren rrchten Platz gefunden. Da sitzt sie bei flim-
merndem Lampenlicht mit ihren Virtuosenkntffen
am Clavier, hoch aufgedonnert, in glänzendem Putz
und buntem Flitterstaat, gcschmückt, geschnürt, ge-
schniegelt und gebügelt. Und Allis hörcht; die hohen
Gönner und die tiefen Kenncr und die überschwäng-
liche.n Bewunberer; Alles glaubt zu kennen und zu
empfinden und schwatzt mit ungläublicher Virtuo-
fität und Sicherheit über dte bedeutendsten Kunster-
zeugniffc ab; dies ist geniglisch, und das tst

schenial. Es ist des Urtheilens, Nachdenkens und
Nachempfindens kein Ende! Doch rekßt der Theater-
Prinzessin dort am Clavier Schminke, Putz und
Flttter vom Leib, was bleibt?.... Ein Rädet-
werk, ein dürres Holzpüppchen, ohne Geist und Le-
ben, ein Fetisch, angebetet von der bewundernden
Menge. Dem Göttlichen ist der Gott entflohey,
der Musik das Licht des Lebens ausgegangen, die
Wahrheit — und die Keuschheit, ihre Zierde
hat sie eingebüßt. Sie ist zum Gefellschastsklepper
herabgesunkcn, die jeder Schlingel gelegentlich pa-
rabirend besteigt; zur Metze, deren Tansendkün-
steleten jeden Besseren anwidern. Sie ist zu allge-
mein gcworden und allzu gemein. — Und das haben
die Dilettanten gethan. —

Nachruf

an

Friedrich MalM, Pkarrer.

Er war ein Ktnd — von reiner, frommer Seele,
Von Falsch und Lüge rein war ffein Gemüth.

Es lebte tief in ihm ein warmer Glaube,

Manch' schöne Blume ist aus thm erblüht!

Es war ein Iüngling kübn und stolz im Streben,
Fest stand scin Glauve an die bcff're Welt.

Und feurig hat er dem sich hingegeben
Was er erkannt als Wahrheit unv als Recht!

Er war ein Mann — ein rechter, deutscher Mann,
An Wissen reich und reich an hohem Muth;

Ein wack'rer Streiter stets der guten Sache
Schwang er die Waffe gern und- oft für Schwache.

Nicht um der Großen Gunst war er bemüht,

Ihm galt der Dank deö Armen mehr als Orden.
Und Dankesthränen sind ihm viel geworden,

Als schönster Lohn für manche schöne That.

Er, hat gekämpft, mit dem Gcschick gerungen,

Und mit dem Feind, dcr uns rm Busen lebl;

Von Sehnsucht nach dem Ideal durchdrungen
Nach Hohem nur und Ewrgem gestrebt.

Wem er eröffnet seines Geistes Fülle,

Wer je tn ftiner Seele Grund geschaUt

Den hcißen Drang des, Guten und drs Wahren —

Der wird ftin Bild im Herzen treu bewahren! —

8.
 
Annotationen