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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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April
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M 98


Sonntag, 27 April


L8«2

Badischer Landtag.

Karlsruhe, 25. Apr. (2. Kamm-r, äO.
öffenll. Sitzung.) Dorsitzender: Hildebrandt.
Reg.-Kommissäre: Geh. Rath Dr. Lamey und
Ministerialrath von Dusch. (Die Gallerie
ift ftark besucht.) oEinläufe: drei Bittschriften
aus dem Amtsbezirke Breisach wegen Erbau-
ung einer Eisenbahn von Donaueschingen über
Freiburg nach Breisach; von verschiedenen
Hofguksbesitzern bei Freiburg um Hebung der
Pferdezucht; von Kollnau um Abänderunq
des Elzthalflusses oberhalb Kollnau; von 147
Einwohnern um Freiburg um Herstellung einer
Straße von Freiburg nach Staufen durch das
Herenthal; von Ueberlingen und einigen an-
dern Gemeinden dcs Amtsbezirks, Verbesserung
von Staatsstraßen betr.; von Pforzheim und
Wertheim für die bürgerliche Gleichstellung
der Iuden, erstere mit 300 Unterschriften ver-
sehen. Artaria und Fröhlich zeigen drnckfer-
tige'Budgetberichte an. Der Präsident schrei-
tet zur Tagesordnung, Berathung des Berichts
deS Abg. Häusser zu dem Gesetzentwurf über
die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten.
Der Berichterftatter trägt nach, daß die An-
zahl der allein in Mannheim wohnendcn
Israeliten 2041 (nicht' 1041, wie im Kom-
missionsbericht steht) betrage, und sonach mehr
als im ganzen Seekreis. Gieb spricht sich
für das Gesetz aus, weil er dassetbe als einen
Akt der Gerechtigkeit erblicke gegenüber den
bis jetzt geschaffenen neuen Zuständen. Es
seien zwar aus seinem Wahlbezirke Bittschrif-
ten gegen den Gesetzesentwurf bei dem h'ohen
Hause eingetroffen, allein er hobe die Ueber-
zeugung, daß das gegenwärtig bestehende Ver-
hältniß nicht mehr tauge, und er sei ferner
überzeugt, daß sein Wahlbezirk erwarte, daß
er nicht anders, als nach seiner Ueberzeugung,
über das vorliegende Gesetz abstimmen werde.
Paravicini. erklärt sich ebensalls für das
Gesetz und bemerkt, daß er nur bei Art. 3
einen Antrag stellen werde. Federer hätte
gewünscht, daß dieses.Gesetz auf einem spä-
teren Landtage vorgelegt worden wäre.
Fischler betont, daß es gute und böse
Menschen gebe, er hosse aber, daß unter ben
Iuden die Meisten zu den Guten gchörten.
Sollte durch Schacher oder Wucher eine be-
trügerische Handlung verübt werden, so solle
der Beschädigte eine Kriminaluntersuchung
veranlassen. Redner spricht dies aus mil
Bezug auf den Satz im Kommissionsbericht,
der da sagt, daß man sich vor dem Schacher
und Wucher selbst schützen ünd ihnen die

Gine Wild-iebsgeschichte.

Mitgetheilt von Adolf Beneke.
(Fortsetzung.)

Auch der Bursch blickte finster und mit bewegter
Stimme sagte er dann:

„Hätt's wohl, wenn die Iungfer für mich 'nen
Augenblick Zeit über hätt'!"

„Das klingt einmal ernst, grad'wie der Pfarrer,
wenn er 'nem verstockten Sünder in's Gewiffen'red't",
war die Erwiderung des Mädchens, indem fie ihrem
Antlitz eine -freundliche Miene zu geben versuchte.

„Ist auch ernst", sagte der Bursch grollend.

„Nun?" fragte ungeduldig werdend die Dirne.

Ietzt brach plötzlich der in der Brust des Bur-
schen schlummernde Zorn los, und heftig aufbrau-
send sagte er:

„Gretel, ich duld's nicht länger, daß der ver-
dammte Grünrock, wie gestern Abend wieder, um
Dich herumscherwenzt. Du bist meine Braut und
nicht sein Licbchen. -Mir 'hast Du Treu' verspro-
chen und nicht thm. Das mag er fich merken.
Doch kommt er mir einmal in den Weg, so —"

Thüre verschließen solle. Moll erblickt in
dem vorlikgenden Entwurfe den Abschluß einer
Reihe von Gesetzen über bürgerliche und
materielle Freiheiten, und spricht seiue Aner-
kennung über den trefflichen Kommissionsbericht
aus, der so schätzenswerthes Material für
diese Sache an die Hand gebe. Ein großer
Theil der Schuld des jetzt noch herrschenden
Zustandes bei einem Theil der Israeliten
falle auf-uns selbst zurück, und es sei darum
Pflicht des intelligenteren Theils der christ-
lichen Bevölkerung, demsesben ein Ende zu
machen. Das bezwecke die Gesetzesvorlage,
die er mit großer Freude begrüße. Haager:
Er werde für das Gesctz stiMmen, nicht nur,
weil der gegenwärtige Zustand ein großes
Unrecht in sich schließe, sondern weil die
Iuden durch das Gesetz von 1849 politisch
emanzipirt seien. Man habe ein begangenes
großes Unrecht wieder.gut zu machen, und
wer anders, als das badische Volk und seine
Vertreter, seien besonders dazu veranlaßt, an
dessen Spitze ein hochherziger Fürst und eine
volksthümliche Regierung die Fahne der
Civilisation für bürgerliche und materielle
Freiheit vorantrage! Artari'a ftellt eine
Vergleichung des Charakters der Iuden zwi-
schen früher und jetzt an, und gelangt zu der
Behauptung, daß ein großer Fortschritt darin
eingetreten sei. Ietzt gehörten von den
Israeliten Viele zu Vertretern der Künste u.
Wissenschaften, zu den achtbarsten Bürgern
der Gemeinde. Das heute der Berathung
unterliegende Gesetz sei ein Akt hoher Ge-
rechtigkeit; denn in demselben Maße, als die
Oesetze voranschritten, werde auch die jübische
Nation vorwärts kommen. Lamep v. Pf.

Iahren schon in diesem Saale die Emancipation
der Iuden befürworteten., der Abg. Grimm
und Spcperer. Die jetzt noch herrschenven
Vorurtheile seien, wie Schacher, Wucher und
Nothhandel, lediglich Dinge, die nichts als
Worke wären. Redner beweist. dies durch
Beispiele. Der Abg. Federer werde in spä-
terer Zeit die Wohlthat des Gesetzes einfthen.

Kirsner gibt die Hoffnung nicht auf, daß
Federer im Laufe der Verhandlung von seiner
Ansicht bekehrt werde, damit das Gesetz ein-
stimmig an die Krone gelange. Aus seinem
Wählbezirk sei aus einem Orte auch eine
Bittschrift gegen das Gesetz eiugekommen, von
andern Orten habe man dies unterlaffen,
und man habe wohlgethan. Sie hätten zwar
auch eine Furcht vor dem Nothhändel und
dem Schacher, allein er glaube, daß gerade

„Nun?" fragte dic Dirne fast höhnisch, als der
Bursche grollend einhielt.

„Dann gibt's nichls Gutes, Gretel, verlaß Dich
d'rapf."

„Prahlhans, der —"

„Gretel, halt' ein", fiel der Bursch fast bittend
dem Mädchen ins Wort, „halt' ein, ich bitt'Dich;
Du weißt, ich bin lammfromm, hab' ein wahr'
Kindsgemüth; doch, wenn's dann 'mal losbricht,
dann kenn' ich auch kein Maaß und Ziel."

„Schlimm genug für Dich und andcre Leut'."

„So sprichst Du, Gretel?" fragte verletzt der
Bursch. „Wär' Dir's denn lieber, wenn ich's ruhig
duldete, daß der Förster bei Dir den Liebenswür-
digen spielt und Dir Flattusen sagt?"

„Wär' mir freilich lieber. Weiß recht gut, daß
solchc Herren es nicht so meinen, wie sie's sagen,
daß fie gern mit unsereins freundlich scherzen."

,>Und das, meinst Du, sollt' ich mir ruhig ge-
fallen lassen. Doch es ist ja bekannt", fuhr er bitter
fort, „wie gern's die Jungfer hört, wenn ihr der
Grünrock SchöneS sagt, wie sehr ihre Augen glän-
zen, sobald fie ihn fieht."

„Dummes Gered' der Leute! Die Wirthslcut'

die Wirkungen des Geietzes das Gegentheil
hervorrufen werden. (Schl. f.) — Wir thei-
len mit, daß das Gesetz nach den von der
Commission vorgeschlagenen Aenderungen, von
welchen nur die von besonderer Bedeutung
ist, daß der Eintritt in den Allmendgenuß
und die Armenunterstützung erst in 10, statt
schon in 5 Jahren erfolgen soll, einstimmig
angenommen worden ist. Federer hatte
sich läugere Zeit bor der A b st i m m u n g
aus dem Saale entfernt und dieser nicht
angewohnt. Knies erhob sich noch zur
Anzeige, daß er an die großherzogl. Regierung
eine Anfrage wegsn des preußisch-französischen
Handelsvertrages zu stellen beabsichtige. Der
Präsivent wird diesen Gegenstand auf eine der
nächsten Tagesordnungen seßen.

*Politische Ümschau.

Eine am 21. April in Nürnberg stattge-
habte Nationalvereittsversammlung beschloß,
Zustimmungsadressen an die badische Regie-
rung, an die preußische Fortschrittspartei und
an das preußische Volk zu richten.

Dem „Mähr. Corr." wird unter allem Vor-
behalte von Wien geschrieben: „Im Staats-
ministerium werde der Antrag vorbereitet,
sämmtliche Preßprocesse, welche sich auf
politische Vergehen und Verbrechen gründen,
im Wege der Gnade aufzuheben und die be-
reits Verurtheilten zu amnestiren — auch sollte
Hoffnung vorhanden sein, daß Se. Maj. diesen
Antrag annehme.

„La Presse" hat eine neue Frage, dic skan-
dinavische, erfunden. Nach heftigen Aüsfällen
gegen Preußen, das eine Seemacht werden
^ unv Kiel erobern wolle, versichert sie, der
deutsche Herzog von Glücksburg werde trotz
des Londner Protocolls nie König von Däne-
mark werven, sondern es werde nach dem
Tode des gegenwärtigen Königs aus Schwe-
den, Norwegen und Dänemark ein skandinavi-
sches Reich gebildet werden; Graf Bliren,
der für diesen Plan arbeitet und voriges
Iahr mit dem Kaiser in Fontainebleau confe-
rirt habe, werde ein neues Ministerium bil-
den, welches das gegenwärtige schwache er«
setzen werde,

Die Budgetcommission wird große Modi-
ficationen des 'Fould'schen Finanzplanes be-
antragen; sie will durch Verminderung der
Ausgaben das Gleichgewicht herstellen, däs
jener durch Vermehrung der Steüern herzu-
stellen beabsichtigt; sie wird daher die Salz-
steuer nicht genehmigen und auf Vermiude-

wollten mich schön anfahren, wenn ich- das Schenk-
mädchen, ihre Gäste uNfreundlich und brummig be-
diente."

„Also nur deswegen? Nun die Iungfer bedient
andere Gast' unfreundlich und brummig genug."

„Werden wohl Leut' sein, die gegen das Schenk-
mädchen unfreundlich und brummig find."

„Sind wenigstens ehrliche Leut'."

„Ehrliche Leut'? Wohl Mlderer, wie Du, wie—"

Eine flammende Röthe bedeckte bei solchen Wor-
'ten der Dirne das bleiche Antliß des Burschen, und
heftig ihre Hand ergreifend fagte er bebend und
leise:

„Das von Dir, Gretel? Für wen wildere ich
denn, für wen bin ich denn Verbrecher geworden?

' Für wen arbeite ich denn am Tage wie ein Last-
thier, und für wen hetzc ich mich des Nachts ab,
mein Leben und meinen guten Namen auf's Spiel
setzend? Für wcn thu' ich's denn and'ers, als für
Dich, Du schlechte Pers -"

(Fortsetzung folgt.)
 
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