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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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März
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Donnerstag, «. März


18«2.

Drei Petitionen.

Von Seiten der Fortschrittspartei in Mann-
heim surd in den letzten Tagen vrei inhalts-
schwere Petitionen ausgegangen, welche un-
serer zweiten Kammer vorgelegt werden soüen.
Die erste Petition bezweckt eine Reviston der
Gemcindeordnung und des Bürgerrechtsgesetzes,
die zweite eine zeitgemäße Schulreform, und
die dritte eine Revision der vorhandenen Ge-
setze über die Presse, die Vereine und Ver-
sammlungen.

Zu 1. Die erste Petition hat haupksächlich
die WiederhersteÜung der Gemeindeord«
n ung von 1831 in ihrer ursprünglichen Rein-
heit und Volksthümlichkeit zu ihrem Gegen-
stande nnd damit die Aufhebung, beziehungs-
weiseAbänderung derdurchdie Gesetze von 1837
und 1851 derselben auferlegtenSchranken. Die
Petition beantragt demgemäß die völlige Auf-
hebung der großen Bürgerausschüsse für die
kleinen Gemeinden, und für die grvßeren Ge-
meinden, wo auch fernerhin solche Ausschüffe
bestehen sollen, die Vermehrung der Anzahl
der Mitglieder derselben. Zugleich befürwortet
sie die Aufhebung der hiermit in Verbindung
stehenden Geldherrschaft und die Wiederein-
führung der Gleichberechtigung aller Bürger
nach dem Gesetze vom Jahre 1831, ferner die
geheime Abftimmung bei allen Gemeindewah-
len, ebenso eine sechsjährige Amtsdauer für
die Bürgermeister, eine zweijährige für die
Gemeinderäthe und eine vierjährige für die
Ausschüsse, und die Oeffentlichkeit der Sitzun-
gen für diese Behörden.

Desgleichen werden einige zweckmäßige Ab-
änderungen in Bezug auf die Feststellung der
Gemeindebedürfnisse und das hiermit in Ver-
bindung stehende Besteuerungsspstem der Ge-
meindebürger beantragt, endlich desgleichen in
Bezug auf verschiedene Bestimmungen des Bür-
gerrcchtsgesetzes, welche durch die einzusüh-
rende Gewerbefreiheit ohnedem einer Umge-
staltung unterliegen werden.

Zu 2. Hinsichtlich der Schulreform
weist die einschlägige Petition auf die vom
Staate völlig unabhängige Stellung hin, welche
der Kirche 'durch das Gesetz vom 9. October
1860 eingeräumt worden ist. Jn Folge deffen
soll die Schule grundsätzlich eine ebenfalls von
der Kirche unabhängige Stellung einnehmen.
Mit der Anerkennung der Nolhwendigkeit der
Einsrtzung einer obersten Schulbehörde sei hier-
zu von der Staatsregr'erung selbft der Anfang
gemacht worden. Eine Folgerung jenes Ge-
setzes sei die, daß die jetzt bestehenden Con-

fessionsschulen in Communalschulen umgewan-
delt werden. ^Der Friede und die Eintracht
der Confessiönen, die wahre Religiosität und
Bildung des Volkes sei an keinem Fortschritte
lebhafter betheiligt, als an der endlichen Auf-
hebung der confessionell getrennten Schulen.
Aus gleichem Grunde unv zur Ermöglichung
einer den Bedürfniffen der Zeit entsprechenden
Lehrerbildung seien an die Stelle der seitheri-
gen confessionellen gemischtk Lchrerseminare zu
setzen. Methodische Leibesübungen mögen für
alle Schulen eingeführt werden. Auch sei die
Befferstellung der Volksschullehrer dringend zu
berücksichtigen. — Es schließt diese Petition
mit dem Antrage, daß wo möglich noch auf
dem gegenwärtigen Landtage ein neues Volks-
schulgesetz in den angedeuteten Richtungen vor-
gelegt werde.

Zu 3. Was die Presse betrifft, so bcan-
tragr die Petition die Aufhebung der geschlos-
senen Reihe von vielen so drückenden Schran
ken, alS Concessionen, Cautionen, Präventiv-
maßregeln, administrative Verwarnungen rc.,
ferner die Zuweisung der Aburtheilung aller
Preßvergehen an Schwurgerichte, ebenso die
Aufhebung aller für Vereine und Versamm-
lungen bestehenden Präventivmaßregelu u. s. w.,
wie dies in England, Belaien, der Schweiz
und andern Ländern schön lange der Fall sei.
Auch die Aufhebnng einiger vagen Gesetzes-
bestimmungen als Zusätze zur Strafgesetz-
gebung (§. 631 3—K) stehe hiermit in Ver-
bindung. — Die um die Mitte der fünfziger
Zahre erlaffenen sog. Bundesgesetze könnlen
einer Reviston der badischen Gesetzgebung in
dieser Hinsicht nicht im Wege stchen^da der
deutsche Bund bloß völkerrechtlichkr Natur und
nicht berechtigt sei, in die innere Gesetzgebung
der einzelnen Staaten einzugreifen. (Ueber
eine zeitgemäße Abänderung der Preßgesetz-
gedung haben wir uns in ähnlicher Rlchtung
schon im vorigen Jahrgange d. Bl. näher
ausgesprochen.)

* Politische Umschau.

Jn Butzbach haben kürzlich Verehrer
und Schüler des unglücklichen Pfarrers Wei-
dig den 23. Febr. gefeiert, — als den 25.
Jahrestag des Todes dieses Märtprers der
deutschen nationalen Sache, der, einem vom
Säuferwahnsinn befallenen Untersuchungsrich-
ter preisgegkben, in noch keineswegs festge-
stellcer LVeise im Untersuchungsgefängnisse zu
Darmstadt — durch eigene oder fiemde Hand
— das Leben verlor. Der Mann verdient

es, daß man sein Andenken erhält. Sein
Schicksal ist aber auch ein Denkzeichen, wie
die Iustiz geübt werven kann. Die Enthül«
lung seines LooseS durch den (auf fremder
Erde, in der Schweiz, gestorbenen!) gleichfalls
so edlen deutschen Patrioten Wilhelm Schulz
aus Darmstadt hat mächtig beigetragen, dem
alten Strafrechtsverfahren in Deutschland ein
Ende zu bereiten. Aber man würde sich ge«
waltig irren, wenn man sich nun dem Ver-
trauen hingäbe, die Justiz gewähre jetzt überall
in Deutschland ausreichende Garantien zur
Sicherung der persönlichen Frkiheit. Dazu
fehlt noch uneudlich viel. Wie viele politische
Proceffe aus der letzten Neactionsperiode be-
weisen, daß die nunmchr erlangten Einrich-
tungen, — wenn üuch entschieden beffcr als
die früheren, — dennoch von einer Bürg-
schaft gegen wahre Mißhandlung politischer
Gegner unendlich weit entfernt sind.

Der Mittheilnng von gestern über den
Stand der kurhessischen Angelegenheit kann
ich heute die positive Nachricht folgen laffen,
daß seit gestern die Verständigung mit Oefter-
reich und Preußen eine vollendete Thatsache
ist. Gestern nämlich hat das Wiener Cabi-
net die letzten preußischen Vorschläge, worin
Graf Bernftorff den österreichischen Anschau-
ungen über die Unthuvlichkeit einer direcren
Anempfehlung der Wahlordnung von 1849
sich möglichst genähert hat, angenommcn. Es
unterliegt sonach kaum mchr einem Zweifel,
daß auch das preußische Cabinet die Herftels
lung des vollen Rechkes, d. h. die Berufung
einer Volksvertretung nach dem allein zu
Necht bestehenden Wahlgeseße von 1849 förm-,
lich aufgegeben hat. Wie man auf diesem
Wege die Beruhigung des Landes und die
Begründung eines gesunven Zustandes erzie-
len zu können glauben mag, ist uns völlig
unerklärbar.

Nach einem Bericht der „Wes.-Ztg." aus
Berlin haben die mit Preußen in der Bundes-
versammlung gehenden Regierungen ihre Zu-
stimmung riber die Haltung unseres Cabincts
den identischen Depeschen der Würzburger und
Oesterreichs gegenüber durch ihre Gesandte
aussprechen lassen.

Der Fürstbischof von Breslau, zu deffen
Diöeese auch Berlsn gehört, hat zur Fasten-
zeit einen Hirtenbrief erlassen, worin er sich
gegen den „neuen Schwindel, dcn Nationali-
tätsschwindel" wendet, der die „Geister be-
herrscht und bereits die Lust Jtaliens ver-
pestet und Europa mit einem allgemeinen
Umsturze bedroht."

Modernes Bündniß.*)

„Hat Sie Geld?" So fragt er und prüft, den
Klemmer im Auge,

Blinzelnd, ob zu dem Geld Fülle fich paare'und
Reiz?

„Recht passabel, auf Ehr'! Pretenttös' süffisante

Frische Toilett' und ^im Tanz leidlich modern de-

Jst fie von hier?^Vom Land?! Etwas dumm?!

^ ^ So so! — Mir Pommade!

Geld bereichert dcn Geist —: Paßt mir vortrcff-
' lich zur Frau!" —

„„Hat Er Geld?"^. So fragt fie verstohlen, und
tandelt am Armband,

Während hinauf vom Parket gleitet derprüfende
Blick.

„„Arrogant, affectirt, wie alle die Herren der Schä-
blone,

Ganz unausstehlicher Geck — aber gewiß, er hat
Geld!"" —

„Hat Er Geld?" So lispcln und flüstern die for-
schenden Eltern,

*) Aus dem „Buch für Edelfrauen und edle

Frauen", Dichtungen von Richard v. Meerheim

(Dresden, Meinhold und Söhne).

Wenn er des kommenden Taas seine Visite bestellt.

„Hat Er Geld? — Hat Sie Geld?" So schleudert
bie zischelnde Neugier

Ihre Raketen empor, Dunkel und Nacht zu ent-
hüll'n.

Freunde, Gevattern und Basen, die nah' und ent-
ferntere Sippe,

Wie auch vcrschiedenen Sinn's, all' sind sie einig
im Klatsch! —

Endlich leuchtet die Antwort, und sei sie auch falsch,
wie der Pbosphor,

Welcher, mit gleißendem Schein, fauligen Spä-
nen entsteigt:

Ia, eS ist glänzend entschieden! Das Geld ersetzte
die Geltuna —

Glückwunsch, huld'ge dem Paar: Wenn nicht ver-
liebt: doch verlobt! —

Was denn, in unseren Tagen modern verklärtcster
Bildung,

Was, nach häuslichem Sinn, fragt der verfeinte

Anmuth des Geistes, Verständniß des Schönen und
weibliche Würde:

Sentimentales Geschwätz einer verwundenen Zeit!

Immer „su -ternier ßvut' zu schürzen OoiS'ur' und
Toilette,

Das ist der Jungfrau Stolz — während die Suppe
verbrennt!

UnorthographischesDeutschschreibtsie, mitKomma's-
Lcrbannung,

Aber Französisch frivol plappert geläufig der Mund.

Kinder-Soireen und Bälle erziehen medisante Co-
ketten,

Leidlich geschult in „äetiors"; — aber verarmt
an Gefühl.

Teint und Händchcn „soigniren" und weiß „con-
serviren" im Nicktsthun;

So lehrt Deutschland jetzt, künftige Mütter er-
ziehn!

Undankbar und parteiisch wohl wär' es, zu schwei-
gen vom Bessren —

Aber nur sparsamblühtedlcreMutter-Natur! —

Finden sich Mängel und Makel; Herbei mit decken-
dem Firniß;

Scheine — Du giltst, wie Du scheinst! — Trüge,
denn Trug ist Triumph!

Flach hinstreichend am Ufer, vermeidend den bläu-
licken Ticfgrund,

Netze der FlügA sich lcis, prahlend bom Lichte

Hübsch von Allem Etwas ! Nichts gründlich. An
der Palette

Und am Clavier! Die Natur wird, wie die Kunst
carikirt.

Bcifallsklatschen belohnt von verhimmelten Iün-
aern das Knnststück,

Und im„Bravissimo!" bläht, eitel, Frau Mutter

Iammert und klagt nur, es schwinde die ritterlich
adlige Sitte,
 
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