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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2810#0029

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^ Spanie».

Wir gedachten scho-n zgweilen in den Spal-
ten dieser Blätter des erneuerten Aufschwungs,
welchen die Verhältnisse Spauiens, insbesondere
defsen Heerwesen in neuerer Zeit genommen
hat. Weitere Erörterungen in Bezug auf die
politische und volkswirthschaftliche Lage dieses
Landes behielten wir uns vor. Hierzu dürfte,
da Spatnen eben jetzt durch die nach Merico
thatsächlich ins Werk gesetzte Erpedition die
Augen der Mitwelt von Neuem auf sich zieht,
ein geeigneter Augeilblick gekommen sein.

Seit Beendigung des carlisiischen Bürger«
krieges war Spanien aus uuserer Presse so
gut wie verschwunden. Die wichtigsten Um-
gestaltungen eines Volkes von über 16 Mil-
lionen entzogen sich unserer Kenntniß. Selbst
in unsern größern Blättern fanden sich über
dasselbe nnr hier und da einige Notizen stüchtig
und ohne Zusammenhang äufgestellt, und in
den Zeltschriften, welche sich mit der Tages-
geschichte befaßten, war von Spanien fast nie
die Rede.

Dirser Umstand läßt sich freilich aus Fol-
gendem erkiären. Was sollte uns bewegen,
unsere in politischer Hinsicht sonst vielfach in
Ansprnch genommenen Gedanken auf einen
Staal zu richten, dessen gegenwärtiges Geistes-
leben in Wissenschaft und Knnst allerdings noch
unbedeutend ist, dessen Politik nur sicy einer
leichten und klarcn Einsicht einzieht, deffen
Einfluß auf den Gang der Weltbegebenheiten
wir seit Iahrzehnten kaum verspürt haben,
und deffen Handel selbst uns nur sehr wenig
berührt. Was diesen Letztern betrisst, so ver-
kaufte Preußen vor Zeiten im Iahre etwa
für drei MiUionen Thaler schlesische Leinwand
nach Spanien. Selbst dieser Umsatz hat sich
nun sebr gemindert, nachdem die leidige Po-
litik unserer Großmächte zu Gunsten des ab-
solutistischen Don Karlos jenem Handel einen
vernichtenden Schlag versetzt hat. In Folge
dieses Rückgangs siud auch die politischen Be-
ziehungen zwischen Spanien und Dentschland
sehr zurückgewichen, und mit manchen dcutschen
Staaten ganz unterbrochen worden. Unser
literarisches Interesse an der iberischen Halb-
insel beschränkt sich fast durchaus auf die Zei-
ten ves 16. und 17. Iahrhunderts, wo die
spanische Literatur in ihrer Blükhe war. Nur
hier und da ist auch ein neuerer spanischer
Schriftsteller bei uns bekannt geworden.

Bei alledem ist es jetzt sehr an der Zeit,
uns mit der neuern polttischen und ökonomi-
schen Entwicklung Spaniens bekannt zu machen,

da dieses allem Anscheine nach immer mehr
und mehr wieder in die Reihe der tonangeben-
den Staaten Europas eintritt.

Wenn daS Tuilerienkabinet vor einem Iahre
die Einführung Spaniens in den Rath der
Großmächte beantragte, so hatte hierbei frei-
lich die buonapartistische Politik ihre beson-
dere Absichten, indem sie, ähnlich wie in Ita-
lien, die romanische Race enge mit sich zn
verketten trachtete. Doch war selbst dieses
ein Merkmal der veränderten Stellung Spa-
niens in Europa. Wenn dann in neuerer
Zeit Spanien zu der italienischen Frage eine
sehr prononzirte Stellung einnimmt, nicht nur
in diplomatischen Acten und Nöten, sondern
selbst durch thatsächlicheUnterstützung des Papstes
und des Erkönigs von Neapel, so zeichnet sich
Hierin ebcnfalls das beginnendc Wiedereintre-
ten Spauiens in den Kreis der Mächte, welche
den Anspruch erheben, auf den Gang der aü-
gemeinen politischen Verhältnisse einzuwirken.
Der Krieg mit Marocco zu Ende des Jahres
1859 kam hinzu, und bewährte eine kaum ge-
ahnte Tüchtigkeit des spanischcn Heerwesens.
Noch vor 4—5 Iahren schien dcr Verluft von
Kuba, dem letzten kostbarsten Reste der frü-
hern, so weitläufigen Besitzungen Spaniens
in Amerika, nur noch eine Frage der Zeit.
Nun ist dl'eser Besitz gesichert und selbst ein
großer Theil von Domingo wieder unter spa-
nische Herrschaft zurückgekehrt, und mit leb-
hafter Genugthuung verfolgt man in Madrid
die amkrikanischen Wirren, welche den nie
ganz verleugneten Glauben, daß dem ehemals
spanischen Amerika, insbesondere Merico, nnr
die Herftellung der spanischen Herrschaft Ret-
tung aus den endlosen Wirren des Bürger-
krieges bringcn könne, neue Kraft und Aus-
sicht verleihen. Alle dr'ese Spinptome und
Merkmale entspringen nicht den wiükührlichen,
vorübergehcnden Gedanken einzelner Personen,
es wurzeln diese vielmehr in dauernden Ver-
hältnissen, so daß sich mit Zuversicht voraus-
sagen läßt, daß die Tendenzen und Endziele,
die sie^jetzt nur leise andeuten, sich früher oder
später erfüllen werden.

Es läßt sich daher wohl mit zr'emlicher Zu-
versicht die Erwar^ung aussprechen, daß in
der schließlichen Lösung der italienischen Frage,
in dem Kampfe zwischen Englattd und Frank-
reich um oas Mittelmeer, svwie in den bevor-
ftehenden Umänderungen der amerikanischen
Staatenordnung, dem neu erstandenen Spanien
eine nicht unbedeutende Rolle vorbehalten sein
wird.

Deutschland

Karlsruhe, 8, Jan. Die Bad. Ldsztg.
vernimmt mit vieler Bestimmtheit, daß die
Negierung dem von fast allen zuständigen Stim-
men geäußerten Wunsche nach einer zeitge-
mäßen Aenderung unserer Preß- und Vereins-
gesetzgebung noch auf diesem Landtage nachzu-
kommen gedenkt. Es läge hierin der sicherste
Beweis, daß dem gegenwärtigen Spsteme daran
gelegen ist, selbstthätig die Bürgschaften zu
geben gegen jede mögliche Rückkehk des
Alten.

Aus Baden, 6. Ian. Das Mandatauf-
kündigen gegenüber den Abgeordneten, welche
großdeutsch gesprochen oder gar gestimmt ha-
ben, ist kein Zeicheu eines ächten parlamen-
tarischen Sinnes. Eine eigentliche Forderung
in diesem Sinne ist allerdings nur an den
Abgeordncten Dahmen gestellt worden; Haa-
ger, dem Manne des „castrirten Deutschlands"
gegenüber, blieb es vorerst bei journalistischen
Verwahrungen stehen. Allerdings ist es nun
richtig, daß Dahmen unter Stengel noch ge-
wählt wurde, somit unter dem Reactions-
ministerium, und daß man bei Haagers Wahl
(vor wenigen Wochen) die natürliche Vor-
sichtsmaßregel unterließ, sich vorher ein Glau-
bensbekenntniß geben zu laffen. Diese Er-
fahrung ist jeßt nicht zu theuer erkauft; denn
gebrannte'Wahler werden vorsichtiger. Beide
Abgeordnete sind noch überdies, soferne wir
recht unterrichtet sind, mit Mehrheiten von
nur einer oder zwei Stimmen gcwählt wor-
den. Allein ganz abgesehen davon, das es
eine Aufkündigung des Wahlmandats ver-
faffungsmäßig gar nicht gibt, und daß es von
dem guten Willen des „Gekündigten" abhängt,
ob er gehen witt oder nicht; abgesehen davon
trugen diese Kundgebungen für unsern Ge-
schmack viel zu sehr die Etiquette einer über-
schwänglichen Ministerialloyalität, als daß
man ein wahres parlamentarisches Wohlge-
fallen daran empfinden könnte. Das Mini-
sterium kann sich nur kräftigen an einer Op-
position, die immerhin einen Bruchtheil der
deutschen Volksgesinnung ungescheut vertritt,
und daber nur in einer geringen Minderheit
vertrcten ist. Die Wählcr haben einmal
diese und keine andern Abgeordneten gewählt;
ein Zwangsrecht zum Austritt gibt es nicht;
die Kundgebungen könnten also sehr wohl ge-
gen die Ertravaganzen der großdeutschen An-
schauungen gerichtet sein, ohne daß die Wäh-
ler selbst sich einem falschcn Enlhusiasmus
für den Bundesstaat unter Preußens Führung

Eine Gcrichtssccne in Frankreich.

Zu Perigueur, dem Hauptorte der. alten trüffel-
berühmten Provinz Perigord hat ein gerichtlicher
Vorfall großes Aufsehen erregt. Ein Dienstmäd-
chm war von seinem Herrn des Diebstahls beschul-
digt, von den Geschworenen jedoch freigesprochen
worden. Der Dienstherr hatte bei dem Mädchen
710 Frcs. gefunden, und die Rückerstattung dieser
Summe verwrigert, Sls das Mädchen sie nach ihrer
Freisprechung verlangte; er behauptete immer noch,
er sei bestohlcn worden. Der Advocat de Monte-
gut, der das Mädchen vor den Assisen vertheidigt
hatte, stellte nun für fie eine Klage beim Civil-
gericht an; in seiner Rede kam folgende Stelle vor:
„Vor den Geschworenen erlangten wir einen ge-
rechten 'Erfolg, dort hatten wir zum Gegner den-
selben Staatsanwalt, welchen wir mit Freuden auch
in dieser Sitznng die Jnteresscn dcs Staats ver-
treten sehen; wir benutzen diese Gelcgenheit, um
uns von einer sehr gewagten Bezeichnung zu rei-
nigen, mit welcher cr unsere vor den Assisen ge-
brauchten Rechtsmittel belegte, denn er behandelte
ste als „kindische Possen." Bei dieser Stelle unter-

l brach der Präsident Saintespös-Lescot den Advo-
! caten und entzog ihm das Wort; da aber Herr de
! Montegut antworten wollte, schrie der Präsident:
„Hinaus! Sie sind nicht würdig dte Advocaten-
Robe zu tragen; Gerichtsdtener werfen Sie den
Menschen hinaus!" Dcr Advocat entfernte sich;
die meisten seiner Collegen folgten ihm; selbst fein
Gegner in der Prozeßsache verzichtete auf das Wort.
Noch am nämlichen Tage, den 27. December, ver-
sammelte sich der Vorstand des Advocatenstandes
von Perigueur, und beschloß zunächst^eine genaue
Prüfung der Umstänbe vorzunehmen; am 31. De-
cember entschied er stch dahin, Genugthpung für
die erlittene Beleidigung aufjedem gesetzlichen Wege
zu fordcrn, und sendete sogleich eine Beschwerde an
den Justizminister und an den Generalprocurator
zu Bordeaur ab. Bis die Genugthuung gewährt
ist, plaidirt kein Advocat mehr vor dew Gerichte,
dessen Vorsitz der Beleidiger führt. Der Vorstand
hat seine Beschlüsse in der Sache allen Vorständen
des Advocatenstandes in ganz Frankreich mitge-
theilt. _

preußischen Offizier, welcher später politischer Flücht-
ling in Paris war, und von da im Frühjahr 1848
mit Herwegh den Einfall der socialistischen Arbeiter

cine größere Druckschrist erschienen, worin der Ver-
fasser sehr ausführlich seine Lebensschicksale erzählt,
und insbesoudere auch über die Revolution von
1849, in welcher er eine hervorragende Rolle spielte,
sich näher ausläßt. Corvin hatte bekanntlich am
Rheindamme in Mannheim das Commando, als
von dort aus (im Iuni 1849) Ludwigshafen be-
schossen wurde. Später wurde er in Rastatt mit
eingeschlossen und bei der Ucbergabe dieser Festung
an die preußische Armee kriegsgefangen. Vom
Standgerichte wurde er'zum Tode verurtheilt, je-
doch auf angelegentliche Verwendung seiner Gattin
begnadigt. Nachdem er im Zellengefängniß in
Bruchsal eine mehrjährige Haft abgebüßt hatte,
verweilte er fpäter einige Zeit in Baden, und be-

dortigen kriegerischen Ereignisse dient. Sein Ur-
theil über die militärischen Fähigkeiten Siegel's, der
ihm aus dem Jahre 1849 sehr wohl bekannt ist, und

K Vou CorvinWteczlitzki, einem vormaligen
 
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