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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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Zr i i 7


Dienstag» 20 Mai


18«2.

Badischer Landtag.
Karlsruhe, 15. Mai. (1. Kammer.
19. öffentl. Sitzung. Schlud.) Prälat Dr.
Ho ltzmann dankt im Namen der evangel.
Kirche sür dieses großmüthige Anerbieten, aus
welchein die Kirche, Geistlichkcit und GemeLn'
den Vortheile zögen. Wenn aber die Lasten
auf dem Wege, welchen Herr v. Berlichingen
vorgeschlagen, abgelöst werden sollten, so be-
zahlte die Geistlichkeit allein, nichi aber aucy
die Kirche und Gemeinde die gemeinsamen
Vortheile. Es svrechen noch Frhr. v. Gö-
ler, Graf Berlichingen unb Geh. Rath.
Dv. Lamcp hier'über, worauf die Kammer
diese Frage Verläßt. Bei Titel „Sicherhcits-
polizei" wünscht Graf v. Kageneck Aufbes-
serung der Gehalte der Gendarmerie.. Graf
v. Berlichingen unterstützt diesen Wunsch
und rügt, daß der Gendarm, welcher nach
einer Krankheit das Spital verläßt, 42 kr.
Kosten zahlen müsse,.während der Üiiterosfi-
zier der Linie yur 9 kr. zu bezahlcn habe.
Redner wünscht Abhilse. General Kunz un-
terstützt beibe Wünsche. Geh. Rath Dr. La-
m e p wird die nöthigen Erhebungen wachen.
Bei Pos. „Schulanstalten" entspinnt sich eine
Verhandlung über die Dotation der Universi-
täten Heidelberg und Freiburg, wie vorher
in der 2. Kammer. Für Freiburg sprechen
Schmidt, v. Stotzingen und KLrchgeß-
ner; für Heidelberg Iollp und Bluntschli.
Geh. Rath Dr. Lamep gibt die Erklärungen
wie in der 2. Kammer, welche berühigten.
Lauer bittet die großh. Negierung, gegen
die Vermehrung der Schulaufgabcn in ben
Gelehrtenschulen zu wirken, solche seien ein
wahres Mittel zur Geistcstödtung. Zollvirek-
tor Kirchgeßner drückt sich in ähfllichem
Sinne aus. Geh. Raih Dr. Lamep: Daran
seien die Profefforen schuld, das Gesetz wolle
das nicht. Er würde den Schülern rathen,
wie er und seine Schulgenoffen gethan, die
Aufgaben eben nicht alle zu machen. Lauer
bemerkt hierauf, daß er gestehen müsse, die
Erfahrung schon gemacht zu haben, baß Solche
schon die gescheidtesten Leute geworden, wäh-
renv die Anvern verunglückk seien; übrigens
seien die Pfiichten der Eltern in Betracht zu
ziehen. Graf v. Kageneck finbet, baß an
den Gelehrtenschulen bie franzöfische Sprache
zu wenig berücksichtigt werde; es sei das eine
allgemeine Klage.

Prälat Holtzmann bespricht das Turnen
in ben Schulen. Die Jdee, welche dem Tnrn-
wesen zu Grunde liege, daß nämlich der ge-

bildete Geist auch in schönem, gesunden, be-
weglichen Körper wohne, sei sehr sHön, aber
volkfthümll'ch könne sie nie werden; nur der
Gebanke der Deutschheit, bes Patriotismus,
könne das Turnwesen volksthümljch machen;
diese Idee aber verlange auch die Abstcht der
WehrHaftmachung des Volkes, und wenn diese
im Zwccke liege, so müffe das Turnwesen auf
eine Weise bctrieben werden, daß der Fweck
auch erreicht werden könne. Diese, Art und
Weise der Aiisführung stehe abcr mit der
Schule und den Schullehrern nicht in Ver-
bindung. Wie in der Schweiz und in Wür-
temberg müßten Mr'litärpersonen an die Spitze
treten; die Schüler werden bann auch gcrne
turnen, wenn sie einmal sehen^ daß es auch
bie Großen thun. Der Nedner bittet die großh.
Negicrung, die Aufbesserung der Gehalte der
^ehrer an Gelehrtenschulen nicht zu schr „all-
mälig" erfolgen zu lassen und wünscht, dgß die
untern Claffen mit definitiven Hauptlehrern,
welchen auch die sittliche L.eitung über die
Classe zuftehe, besetzt werden, denn da sei es nö-
thiger als in den höhcren Classen, wo nichl
bie Erziehung, sondern der Unterricht vorherr-
schend sei. In 2 Anstalten seien seit zehn
Jahrcn die Lehrer der untersten Classen keine
Hauptlehrer; die Jugend verwildere dadurch,
mau mnsse bem Praktikantenunwesen ein Ziel
stecken. Dem Grafen von Kageneck ist noch
unflar, wie auf dem Lande der Turnunter-
richt populär werden khnne; der Bauer wolle
und könne Abends, wenn er müde sej, nicht
mehr turnen. Dagegen sei die Errichtung von
Pompiercorps aus dem Lanbe wünjchenswerth.
Geheimerath Lameip glaubt auch, daß man
i'll den Volksschulen keine Lurner mache; das
Turnen habe aber wenigftcus so gut wie das
Lescn und Schreiben einen erzieligen Werth.
Wenn sich die Regierung vor den Turnern
nicht fürchte, brauche man auch das Turnen
nicht zu fürchten. Prälat Holtzmann habe
Vieles gesagt, womit er einverstanden sei.
Die Rcgierung werde das Turnen noch in
weitere Erwägung ziehen und sei deshalb
auch im ordentlichen Budget noch keine Posi-
tion vorgesehen. Damit schlicßt die Bespre-
chung über das ordentliche Bubget des Mini-
steriums des Jnuern für die laufende Periode
und werden.,alle Positionen im Einverständ-
nisse mit den Beschlüffen der H. Kammer ge-
nehmigt. Pas Haus geht über zur Bera-
thung des Berichts des Abgeordneten Lauer,
die Rechnungsnachweisungen über die in den
Iahren 1859 und 1860 verwendeten Staats-
gelder betr. Dennig bringt die Begebung

der 4prozentsgen Staatsobligationen im Jahre
1859 zur Sprache, worauf sich nach der II.
Kammer ein Rabatt von 310,315 fi. 15 kr.
berechnete" und „welch' großer Berlust in
Uebereinftimmung mit bem ständischen Aus-
schuß ernstlich zu beklagen fei." Der Bericht
sagt u. A.:

Bcträgen für die Eisenbahnbauten däs KriegSmintsterium

ltttschen Verhältniffe auch höhere Vorsicht geboten. Das
Ftnanzmtnistertum hatte mehr als je Veranlaffüng. Even-

Dieser Erklärung müsse er, als Mikglied
des ständischen Ausschusses, dessen Ausspruch
er für richtig halte, entgegentreten. Lauer
vertheidigt kräftig und klar das Verfahren
des Fl'nanzministeriums im Iahr 1859, es
habe mit allem Nechte Vorkehrungen in au-
ßerordentlichen Zeiten getroffen und verdiene
durchaus keinen Vorwurf; ja es habe seine
Pflicht gethan, denn wenn der allgemein er-
wartete Krieg ausgebrochen nnd die Lttaats-
kasse ohne Gelb gewefen wäre, hätte der Fi-
nanzml'nifter Vorwürfe verdient, die jetzt aber
nicht an dem Platz seien; der geeignetfte Zeit-
punkt könne nie vorausgesehen werden. Frhr.
v. Göler, welcher ebenfalls dem ftändischen
Ausschuß angehörte, ist mit der Ansicht der
II. Kammer einverstanden. Geh. Rath Vo-
gelmann vertheivigt, wie schon Ln der H.
Kainmer, das damalige Finanzministerium,
welches nichts gethan, als was seine Pflicht
gewesen und was jede gute Verwaltung thun
müffe. Sollte er in derartige Zeitverhältniffe
kommen, so werde er sich zwei Conti ausbit-
ten, einen Glücks- und einen Pnglücks-Conto,
die jeder Bankier habe, und er erwarte dann,
daß wenn der Glücks-Conto gut ftehe, man
auch darüber wegsehe, wenn einmal der Un-
glücks-Conto belastet werde. Frhr. v. Gö-
ler wünscht, daß bei der dermaligen Ber-

Kunst-Notiz.

Jn der nächsten Zett wird der weltberühmje Pro-
fessor Kratky-Baschik mehrere brillante Vorstel-
lungen im Gebiete der natürlichen Zauberkynst dq-
hier veranstalten. Frankfurter Blätter schreiben über
denselben: „Er ist da! Er ift da! Erist da!" Schon
seit Wochen prangt seine Visitenkarte, eine foloffale
Hand, an alien Straßenecken und Muthet uns fol-
gende mit einigen Schwierigketten verknüpfte Opera-
tionen zu: „Seht noch nie Gehörtes!" und „Hört
noch nie Gesehenes!" Hatte uns schon diese Hand,
sofern sie Porhrätähnlichkeit beanspruchte, einen ent-
schiedenen Respect eingcflößt und hatten wir von
ihren langen Fingern auf etnen hohen Meister in
der Prästidigitation oder Schnellfingerkunst geschlos-
sen, so imponirte uns doch Noch mehr der bald da-
rauf an den Ecken erschienene Kopf mit dey viel-
sagenden Worten: „Er ist da! Er ist da! Er ist
da!" Wer ist da? Das war die brennende Frage
des Tages. Baschik hatle auf unsern Scharffinn
gebaut und er hatte nicht auf Sand gebaut. Dieser,
kolossale Kopf konnte nur zu der kolossalen Hand

gehören, als deren Träger Kratky sich schon vorher
legitimirt hatte. Wir hatten uns nur dartn ge-
täuscht, daß wir auch diesen Kopf, ein ächtes Klad-
deradatsch-Gesicht, für sein ihm voraus eilendes
Porträt hielten. AlS aber wiederum einige Tage
verflossen waren, grüßte uns eines schönen Mor-
genö, als wir rasch um eine Ecke bogen, derganze
Baschik, wie er letbt und lebt, von einem rothen
Zettel herunter. Wir waren in der That begierig,
dte Leistungen des Mannes, der sich so in unsere
Gunst hineingezettelt hatte, nun auch einmal ken-
nen zu lernen. Sie sind in der Thät überraschend
und sollte man es für möglich halten —uherbieten
die seiner Vorgänger in manchen Punkten, oder
bieten wenigstens ganz Neues. Schon sein Theater
macht einen angenehmen Eindruck. Es ist ein ele-
ganter Salon ohne allen Firlefanz magischer Ap-
parate. Wir wollen hier nicht bavon reden, wie
Kratky mit Karten, Geldstücken, Taschentüchern,
Ringen u. dgl. umspringt, wie er sie hin und her
escamotirt und sie gleichsam mit einem persönlichen
Willen auszustatten scheint, — das Alles ist schon
dagewesen. Neu war uns aber z. B. sein ans Un-
erklärltche gränzendeS Kunststück mit der wahrsa-

genden Trommel, neu waren uns ferner seine mu-
sikqlischen Productionen auf den von ihm erfun-
denen Jnstrumenten, dem Hornmelodicon und des
Physharmontlor. Grsteres Instrument, aus vier
Hörnern bestehend, welche Herr Kratky abwechselnd
bläst, während er auf einer Art Guitarre spielt,
erzeugt annähernd den Effect eines ganzen Orche-
sters. Eine eigene, wahrhaft magische Wirkung
aber bringen mehrere kleine Mundharmonika's her-
vor, die er mit rapider Geschwindigkett abwechselnd
zum Munde führt und so die complicirtesten Mufik-
stücke in allen Tonarten ausführt. Die Töne seines
Spiels erinnern bald an das sehnsüchtige Hauchen
der Aeolsharfe, bald an die sanften Wirbel der
Flöte. Schon. allein um dieser in ihrer Art ein-
zigen Productionen lohnte sich der Besuch des Tau-
sendkünstlers.

Jn Marseille ift der Rrese Murp hi, etn Schotte,
gestorben. Er war 2 Meter und 28 E. hoch. Sein
Körper soll einbalsamrrt und im naturgeschichtlichen
Museum zu Paris aufgestellt werden.
 
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