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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Januar
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N II


DienstÄg, I», Zq«Wx L8G2.

Politische Umschau.

Nach der' „Bad. Ldszta." bezieht sich dic
auch in dicse Blätter übergegcrngene Nachricht
von dcr Aufhehung der Spielbank in Baden
auf eiuen. an das großherzogliche Bezirksamt
daselhst gelangtcn' Ministerial - Erlaß, der
Vorschläge über sach- und zweckgernäße Anord-
nungen und Einrichtungen yerlangt, die nach
dem Aufhören des Spieles zu treffen wären
Der Spielpacht-Vertrag läuft noch bis 1870,
kann aber von 1864 an ohne Entschädigungs-
zahlung gekündigt werden. Welcher Zeitpunkt
von dem großh. Staatsministcrium in Aus-
sicht gesiommen, ist bis jetzt nicht bekannt.

Zn Ettlingen wurde Herr Bürgermeister
Speck von hier mit 37 von 40 Stimmen zum
Vertreter des Vereins bei dem Gesammtaus-
schuß krwählt.

Dem Unternehmer des Dienstmanns-Jnsti-
tut, Kaufmann Michael Wirsching in Mann-
heim, wurde von der Direction Großh. Ver-
kehrsauftalten die Concession ertheilt, seine
Dienstmänner bei den ankommenden unp ab-
gehkttdeu Eisenbahnzügeu zur Dienstleistung
'des cisenbahnreisenden Publikumtz hn dem
Bahnhof aufstellen zu lasseu.

Zn der Bundestagssißung vom 9. Zauuar
wurden keine mittheilenswerthe Gegenstände
verhattdelt.

Das neue Zahr hat den Angchörigen des
Großherzogthums Heffen ejn Dgnaer-Gcschens
gebracht: Eine sehr bedeutende Steuererhöhung
von 50 bis 80 pCt. im Durchschnirt. Man
fragt sich erstaunt, wozu dicse Erhöhung, wah-
rend man in andern Staaten sie vcrringert?
Ein Fabrikant in Offenbach muß nach der
neuen Tarifirung, zuzüglich der Cvmmuual-
steuer, aber ausschließlich des Octroi, jährlich
gegen 1000 fl. Steuer zahlen. Eine svlche
Summe will schon verdlenr seiu, und in stillen
oder ungijnstigen Geschäftsjahren, wie z. B.
das vergangene, arbeitet man danu letiglich
für den Staat und kann im Uedrigen aus
dem eigenen Schmalz zehren; nicht Zeder ist
aber in dem Fatt, dieß zu können.

Nach dem „Nürnb. Corr." ift zur Ersetzung
des bisherigen badischen Oberkriegscymmiffärs
Feinaigie der würtlembergische Oberkriegs-
kommiffar Habermaß in Stuttgart bestimmt.

Mber den Abschluß eincs Handelsver-
trages zwischen dem dcntschen Zoüverein und
Frankreich sind in unseremGroßherzogthuin, Gut-
achten von Seiten des Handelsstandes und der
Lanvwirthe erhoben wordcn. Aus sicherer Quelle
xann versichertwerdeu, daß die Mehrzahl der er-

hobenen.Gutachten sichgegendenHandelsvertrag
mit Frankreich ausgesprochen hat. Es scheint
Gkeiches in Wilrtemberg der Fall gewesen zu
st.in, ebenfo in Rheinbayern, wo man den Wein-
bau sehr gefährdet Hält.

Nachrichten aus Gotha melden die forkschrei-
tende Bcfferung im Befinden des Herzogs.

Her Nedacteur der „Magyeb. Ztg," sollte
auf bernburgische Requisition durch Zeugen-
eid angehaltcn werden, die Verfaffer mchrerer
Artikel namhaft zu machen. Tn'e ber de.m
Obertribunql geführte Recurs-Beschwerde ist
bedauerlichcr Weise für den Redacteur ab-.
schkägig ausgefallen. Dieser Fall hat eine
Petition an das Abgeordnetenhaus um Ab-
änderung der bezüglrchen Paragraphen der
Gerichtsordnung hervorgerufen.

Das Obertribunal in Berlin hat eine den
telegraphischen Verkehr betreffende wichtige
Entscheidung gefällt. Es handelte sich um
die Erfüüung eines auf telegraphischem Wege
abgeschlossencn Vertrages wegen Ankaufs von
Aktien. Der Antraggeber verweigerte die
Annahme der bestellten Actien und wurde ver-
klagt. Das Obertribunal hat die telegra-
phische Bestellung, bezikhungswcise die Ant-
wort darauf als einen schriftlichen Vertrag
erklärt und den Vcrklagten zur Abnahme der
Actien verurthcilt.

Die Kreuzz. unterhält ihre Leser wit einer
eingehenden denunciatorischen Betrachtung über
die Verhältnisse der Protestantcn in Baden
und der Rheinpfalz, der wir folgende Stelle
entnehmen: ' „Wir haben schon oft Anlaß ge-
uommen, anf die Gefahren hinzuweisen, welche
die Icider unter dem schützenden Beistande der
Staatsgewalt in Baden und in der bayerischen

kvangelischcn Kirche an die von Agitatorcn
aufgeregten Massen mit sich führt. Es ist
die alte Geschichte. An den Altar machen sich
die Wühler zuerst, um den Thron desto sicherer
zu untergraben; erst wird die Achtung vor
dem Worte Gottes hinweggespült, der Respect
vor deu; Wvrte der Obrigkeit flieht dann von
selbst.

Wie der „Mitteldeutschen Volkszeitung"
geschrieben wird, hat die Tochter Röckel's,
der sich seit dem Maikampse nun fast zwvlf
Zahre (!) im Zuchthause befindet, vor eini-
gcn Wochen ein Gnadengesuch für ihren Va-
ter eingereicht, das jedoch zur Zeit noch kei-
nen Erfolg gehabt habe.

Der „Woch.-Schr. des Nat.-Ver." wird
äus Mecklenburg mitgetheilt, daß eine Anzahl
dortiger Zuristen nach der sorgfältigsten und

vorsichtigsten Prüfung zu der Ueberzengung
gelangt ist, das Verbot des Natiynalpereins
vom 1. Okt. 1859 habe keinerlei rechtsver-
bindliche Kraft und der Beitritt zum Verein
sei vollkommen straflos.

Zn Wien scheint man sich ernstlich mit dem
Gedanken zu beschäftigen, die Geistlichengüter
zu einer ungewöhnlichen Leistung heranzuzie-
hen, um die dringende Finanznoth des Staates
zu bewältigen.

BeiGelegenheit derbevorstehenden Zndustrie-
Ausstellung in London soll eine.Vereinigung
sämmtlicher deutscher Freimaurer, welche die
Slusstellung hierher führen wird, veranstaltet
werden.

Die ungarischen Zuristen jüdischer Confes-
sion haben auf ihr Gesuch um Z.ulaffung zur
Advocatenprüfung von der königl. Curie in
Pesth einen abschlägigen Bescheid erhalten.

Die czechische Zeitung in deutscher Sprache,
welche demnächst in Prag erscheinen soll,
wird den Namen „Union" führen.

Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat
im Congreß zu Madrid erklärt, daß die Ne-
gierung eine ausführliche und eingehende
Diskussion des Budgets und der anderen Ne-
gierungsvorlagen wünsche.

Herr Mires, der stch gegenwärtig in der
Kranken-Anstalt des Herrn Dr. L5e befindet,
genießt große Freiheit. Er darf in unaus.ge-
setzter Berührung mit seiner Familir bleiben.

Der „Moniteur" tadelt die Versenkung von
mit Steinen beladenen Schiffen vor dem Hafen
von Charleston, wodurch dieser für immer
unbrauchbar wird, als eiuen Act der Nache,
der'nicht durch den Krieg gerechtfertigt wer-
den könne.

Gestern wurde im Assisenhof der Provinz
Hennegau (Beigien) das Urtheil über die
Räuberbande, welche sich zwischen Sambre
und Meuse herumgetricbcn und bort viele
Gräuelthaten verübt hatte, gefällt und neun
der Angeklagten wurden zum Tode verurtheilt.

Der „Advertiser" sieht voraus, daß Amerika
fortan übcr Rachegedanken brüten werde, und
dringt in die Regierung, mit den Vertheidi-
gungsanstalten in Canadw ja nicht abzulassen,
sondern dieselben energischer alS bisher zu
betreiben.

Aus Belgrad wird berichtet, daß dort
eifrig an der Conscription der Landesmiliz ge-
arbeitet wird, so daß dieselbe binnen 2 Mo-
naten in der Stärke von 50,000 Mgnn vpllx
kommen ausgerüstet dastehen dürfte.

Pius IX. soll darauf bestehen, die sämmt-
lichen Bischöfe der Christenheit im Mai zu

Der LLebesbrLef.

Novelette von E. Reber.

(Kvrtsetzung.)

„Jch kann es ihr wahrlich nicht verdenken", sagte
cr, „daß sie mich nicht lieht. Sie war zu einem
idealen Leben bestimmt, und was bin ich anders
als die leibhafte Prosa! Wie konnte ich mich ver-
meffen, eine so schöne geistreiche Frau, die Tochler
eines General-Lieutcnants, hcirathen zu wollen."

Er warf sich ruhelos urnher, und seine Pulse
klopften hefkig. Voü Sehnsucht fah er dem kom-
mcnden Tag entgegen und schmiedete Pläne, wie
er erfahren^ wolle, was Malvinc geschrieben. —
Noch hätte sich weder Diener noch Magd gerührt,
das Zisirmer war ciskalt, als Adalbert fich nach

erhob. Er schlich auf dcn Zehcn, als thue er etwas
Böses, nach dem Schreibtisch seiner Frau und flü-
sterte dabei vor sich hin: „Jch bin cin Narr, ein
armer, cingebildctcr, einfältiger Mensch; wie konnte
ich glauben, daß meine reine, heilige Frau ... ?"

Mit einem lauten Schrei fuhr er zurück. Auf
dem polirten Schreibtische lag ein zierliches rosen-

farbenes Briefchen mit der Adresse: „An Professor
Faust."

„O mein Gott, mein Gott!" rief Adalbert, beide
Hände vor das Gesicht hattend, indem er in heiße
Thränen ausbrach, „däs habe ich nicht um Dich
verdient, Malvine. Jch gab Dir alles, alles, was
ich hatte, mein Herz, mein Vertrauen, mein Ver-
mögen. Was konnte Dein Pater, der pensionirte
vcrschuldetc General-Lieutenant für Dich thun? Dfe
hundert Louisd'or, die ich an Deinem Geburtstage
in Dein Arbeitskörbchen legte, solltcn si)ir die Freude
gewäbren, einzukaufen, was Dein Herz begehrte,
denn meine Wohnung war ausgestattet, wfe Du es

Er erschrack vor dem Ton seiner eigenen Stimme
und fuhr leise fort: „Malvine, Malvine, habe ich
Dir je ein Wort gesagt, wenn.der Braten vcrbrannt,
wcnn meine Wäsche nicht fein gefaltet war? Habe

Schlimmeres ist."

Ein grenzenlofts Verlangen, den Jnhalt dcs Brie-
fes zu wiffen, ergriff ihn, und doch hielt ihn eine

Hör' meine letzten schwacken Liebestöne,

, Die Tugend stört den Schmerz um Todte nicht,
i Gewähr' die letzte Bitte —, eine Thräne —

- Die einz'ge Frucht, die meine Liebe bricht.

Gedenke mein, o, gch' ufcht kalt vorüber,

Wo meines heißen Herzens Asche ruht.

Von Dir vergessen, o, Du ewig Lieber,

Nicht den Gedanken trägt dcr Seele Muth.

Adasbert sank auf den Sessel zurück, Verzweif-
lung im Herzen. „Das ift zu viel^, grollte er,
„welche Leidenschaft! Wäre sie nicht meine Frau,
ich könnte Mitleid mit ihr haben. Sterben will
sie und fieht so blühend aus? Ach, sie ist bezaubert!
 
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