Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Mai
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2810#0423

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Utidtlbrrger Itilung.

N 1«7

-j-f Die österreichische Finanznoth

zeigl sich hauptsächlr'ch in zwei Erscheinungen:
einem alljährlich wiederkehrenden Deficit, und
einer unverhältnißmäßig großen Menge von
Papiergeld (Banknoten). Beide stehen in
allernächstemZusammenhange miteinander. Das
Deficit ist hauptsächlich aus bem Berhältniß
beö Staates zur Bank cntstanden. Zm Jahr
1816 zu dem Zwecke begründet, dem Slaate
bei der Einziehung der umlaufenden Wiener
Währungsscheine zu helfen, schlug dieses Zn-
ftitur selbst im Zahr 1820 dem Staat eine
nähcre Berbindung vor, welche von dem Letz-
tern auch eingegangen wurde, und bald ge-
nug dahin fnhrte/vaß der Credit des Staa-
tes und der Bank miteinandcr verschmolzcn
und die Banknoten im Grunde nur eine be-
sondere Form vo» Staatspapiergeld wurden.
Die Bank befand sich bei dieser Verbindung
wohl, sie besaß zum Lohne fnr ihre dem
Staate geleisteten Dienste ein Monopol, unb
erhielt außerdem solche Vortheile eingeräumt,
daß sie in Zeiten, wo alles Andere litt, ihren
Actionären beträchtlichc Dividenden auszuzah-
len im Stande war. Um so größere Nach-
theile entsprangen aus der Vermengung des
Staats- und Bankcredits für den Staat und
vie Allgemeinheit. Die Banknoten wurdcn
allen Wechselfätten des Staalscredits ausge-
setzt, wovon die natürliche Folge war, daß
ihr Werth oftmals in sehr verderblicher Wcise
schwankte, und daß bei politischen Erschütte-
rungen ans diesen Schwankungen bedeulcnde
Entwerthungen entstanden, so daß der Staat,
um seine Verbündete nicht sinken- zu lassen,
ihr die Einstellnng ihrer Bankiioten-Einlösuu-
gen gestatten und ihren Baiiknoten Zwangs-
kurse beilegen mußle. Für den Staat insbe-
sondere erwuchs als weiterer Nachtheil aus
feiner Verbindung mir der Bank die Ealami-
tät, daß bei ver verführerischen Bequemlichkeit,
aus der Bank nach Bedarf Geld jchöpsen zu
können, an eine durchgreisendc, auf Ordnung
unb Sparsamkeit gegrünbete Regeiung des
StaatshaushalteS nichlgedachtwurde. Manver-
säumte es, so jange cs noch anging, die als
nöthig erkannte Trennung bes Staates von
der Bank durchzuführen und half sich dei ent-
stehenden Verlegenheiten mit einer Vermeh-
rung ber Banknoten. Wenn aber die Zeiten
so schlecht wurden, daß die Aushilfe ber Bank
nicht mehr genügte unv der Staat zur Emis-
sion von Staatsschuldscheinen schreiten mußte,
so hatte er, weil die sich verrathende Zerrüt-
tung sciner Geldverhältnisse schreckte, hohe

Donnerstag, 8 Mai

Zinsen zu gewähren, durch die er unglcich mchr
verlor, als er bei seinen Geschäfteu mit der
Bank gewonncn hatte.

Auf den tiefsten Stand sind die österreichi-
schen Finanzen in den zehn Zahren von 1850
-bis 1860 gesunken. Die kostspieligc Bethei-
ligung Oesterreichs an den orientalischen Hün-
deln, der unglückiiche Krieg von 1859, der
rasche Wechsel, die durchgreifende- Umgcstal-
tung in den Verwaltungsformen und inneren
Verhältnissen überhaupt (die freilich an und
für sich nothwendig waren) haben ungeheuere
Summen gekostet. Die Staatsschuld hat sich
um 1500 Millionen Gulben vermehrt, die
gegcnwärtige Finanzlage aber läßt sich mit
den inhaltsschweren Worten därstellen:

Es bestcht kein Gleichgewicht zwischen Ein-
nahme unv Ausgabe, es gibt eine drückende
schwebende Schuld, und der Vcrkehr ist mit
Banknotcn überbürdet. Das Deficit beträgt
mindens 60 Mittionen Gulden, die schwebende
Schulb einschließlich des. Guthabens der Bank
än den Staat 427 Mill. und an Banknoten sind
469Mill. im Umlaufe. Die schwebende Schuld
und die Bankttotenlrrenge zu verminderrr, ift
die unerhäßlichste Maßregei, auf die, wenn
überyaupt die nöthige Ordnnng und Spar-
samkeit beobachtet wird, die HcisteUung dcs
Gleichgcwichts in den Finanzen znletzt folgen
wird. Für den Weg, den die österreichische
Rkgierung zu diesem Endzwcck auch wirkich
einzuschlagkn gedcnkt, ist nun cine Erhöhung
der Staatskinnahnien durchaus nothwendig,
und ba auf einc gewöhnliche Zunahme der
Staatseinkünfte nichl zu rechnell ist, ss bleibt
schließlich nichts übrig als eine Steuexcrhö-
hung. Daß diese die Regierung wirklich be-
zweckt, ist aus dcs Finaiizministers von Ple-
ner Vorlagen irn Neichsrathe bekannt, wie
man scrner aus ben Versammlungen des Fi-
nanzausschuffes weiß, daß diese Maßregel
trotz ihrer kaum abzuwkisenden Nothwendig-
keit aus Schwierigkeiten stößt. Man streitet,
ob die Grundsteuer oder Eiiikörumensteuer er-
höht werden soll, und man wird noch mehr
streiten, wenn die namentlich in ber directen
Besteuerung zwischen den einzelnen Kronlän-
dern bestehenden Ungleichartigkeiten zur Sprache
kommen werden. Schließlich wirb der Reichs-
rath gewiß dem Gebote der Nothwendigkeit
folgen und selbst die schwersten augenblickli-
chen Opfer ciner längern Dauer des seit Zahr-
zehnten sich immer verschlirnmelnden Finanz-
Zustandes vorziehen. — Uebrigens ist die
jetzige ständische Controle ein Glück. Sie
macht cinen Rückfall in frühere Fehler unmög-

JnsertionSgebühr^a für die Zspaltige Petit-

lich. Denn es läßt sich nicht läugnen, man
hat unter der früheren Verwaltung im Ver-
trauen auf die unerschöpflichen materiellen
Hilfsqueüen Oestcrrerchs mit allzuwenig Spar-
samkert gewirthschaftet, und hierdurch die Fi-
nanzen des Staates mit ruiniren helfen. Zns-
besondere ist jetzt von der politischen.Neform
für die finanzielle viel zu crwarten; nament-
lich kann beim Heere gespart werden, daher eine
friedliche Politik für den österreichischcn Stäat
in der nächstcn Zeit durchaus nothwendig ist.
— Eine endliche befriedigende Lösung der
deutschen Frage im friediichen Verein mit
Preußen könnte für eine Verminderung der
beiberseitigen Heere und die Vermehrung der
Chancen einer friedlichen Politik nach Äußen
sicher das Meiste beitragen.

Das isolirte Oesterreich braucht, wie das
isolirte Preußen, großc Heeresmaffen, von
denen colossale Summen verschlungen werden;
unter sich und mit dem übrigen Deutschland
geeinigt, köniiten Beive Staaten bedeutende
Verminderungen im stehenden Heere eintreten
laffen, und dabei doch gegen jeden feindlichen
Angriff in guter Wehiverfaffung bleiben.

Badifcher Landtag.

Karlsruhe, 6. Mai. 44. öffentliche Si-
tzung der zweiten Kammcr, unter dem Vorsitz
des Präsidenten Hildebrandt.

Von Seiten der Regicrung anwesend: Der
Präsibent bes Ministeriums bes Großherzogl.
Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten,
Frhr. v. Roggenbach; der Präsident bes
Ministeriums des Znnern, Geh. Rath Dr.
Lamey.

Das Secretariat zeigt dcn Einlauf folgen-
der Peticroiien an:

1) Bitte der Stadtgemeinde Osterburken,
den Bau der Odcnwaldbahn, hier bie Grün-
dung eines Mittelplatzes für den Bahnver-
kehr des Baulandes belreffend; übergeben von
dem Abg. Roggenbach.

2) Bitte' des Eisenbahn-Comite's in Furt-
wangen um Untersuchung der Elzthal - Linie
behufs der Erbauung einer Schwarzwalb-
Eisenbahn; übergebcn vom Abg. Baer.

3) Bitte einiger Gemeinderäthe des Amts
Mullheim um einei^ Staatsbeitrag zur
Straßcn-Unterhaltung.

Die Abgg. Kamm undFederer erhalten
auf kurze Zeit Urlaub.

Abg. Wenzler zeigt einen druckfertigen
Bericht über die Nechnungsnachweisungen und
das Budget der Bavanstalten an.

Dritte General-Versamurlurrg

des volkswirthschaftlichen Vereins für Südwest--'
Deutschland.

(Fortsetzung.)

Mannheim, 3. Mat. Cs kann (fährt der
Berichterstatter über die Reform der Wehrverfas-
sung fort) nicht die Absicht der Volkswirthe sein,
die Wehrkraft des Landes zu schwächen; würde diese
durch Beschränkung und Umänderung des stehenden
Heeres verringert, man müßte von dem Vorhaben
abstehen; nun haben abcr die tüchtigften Fachmän-
ner, wie Nadezky, Rüstow, der dänische Kriegsmi-
nifter u. A., erklärt, daß cine volksthümlichere Or-
ganisatton der Heere die Wehrkraft des Volkes we-
sentlich erhöhen würde. Ein richtig gegliedertes
Volksheer kann z. B. in eben so kurzerZelt mobil
gemacht werden, als ein stehendes. Preußischx Of-
fiziere haben vor sechs Iahren ihr Erstaunen aus-
gedrückt, daß sic in dcr Schweiz Bataillone in 24
Stunden marschfertig dastehen sahen, was bci cinem
ftehenden Heere kaum möglich gewesen tdäre. Der
Berichterstatter führte sodann aus seiner eigencn
Erfahrung betm psterreichischcn Hecre eine Menge

interessanter Bcispielc an, welchc alle die Nachtheile
der stehenden Heere klar ins Licht setzten. Die epi-
demischen Selbftmorde (in einer Wiener Caserne
binnen einer Woche 7), die Krankheiten in den Ca-
sernen, die geringe körpcrliche und die jctzige ein-
seitige Ausbildung der Soldaten, sie sind ein wei-
teres Motiv zur Minderung der Wehrkraft- —
Kolb, Verfasser einer vergleichenden Statistik, zeigte
in ciner intereffanten Reihe von statistischen Bele-
gen die Verderblichkeit der stehenden Heere. Die
Staatsschulden verdanken ihre Höhe hauptsächlich
den stehenden Heeren; bas Militärbudget ist überall
im Steigen; in Preußen verfchlingt es fast die Hälfte
der Staatseinnahmen (42 Vr Mill. Thaler von
94'/r Millionen), und trotzdem sind zugestandener-
maßen große Mängel im Heerwesen. Die heim-
liche Auswandcrung hat so zugenommen (in der
Pfalz 1854 allein 4492 Personen), daß die Wehr-
kraft des Landes darunter leidet. Nicht die Schwa-
chen wandern aus, sondern die jungen, die kräfti-
gen Leutc; die Untauglichkeit dcr Conscribirtcn,
der Mangel an Leibeslänge nimmt zu, weil die
Gesunden, die Großen auswandern. In den Län-
dern, wo die Auswanderung gcring, nimmt die

Selbstverftümmelung der Conscribirten in erschre-
ckendem Maße zu; in Oeftcrreich 1853 allein 1400
Fälle. Kolb theilte namentlich die Urtheile mehrerer
anerkannten militärischen Autoritäten mit, worunter
Radezky sich am entschiedensten für die Volksheere
aussprtcht; „nur bie Regicrungen (sagt Radezky)
brauchen ein stehendes Heer, welche gegen das etgene
Volk Krieg führen wollcn." Militär-Ztg. von 1834.)
Der bayerische General der Infanterie Rakowich,
einer der tüchtigsten Miiitärö, erklärte, daß nie Kriege
leichtfertiger und schlechter geführt worden seien,
als seit stehende Heere eriftiren; „nur ein Volks-
heer könne ein Land wirksam schützen." Bei Bau-
tzen und Lützen waren es französische Rekruten,
welche die stehenden gut gcdrillten preußischen Sol-
daten schlugen, ebenso wie später dte alten gedrill-
ten Soldaten Napoleons gerade von der Landwehr
gcschlagen wurden. Rolb machte noch besonderS
darauf aufmerksam, daß stehende Heere auch für
die Regierungen nicht die Garantie bieten, daß sie
willenlose Werkzeuge sind, wie die Geschichte viel-
fach zetgt. — Mar Wirth wies auf die geschichtliche
Wahrnchmung hin, daß alle Völker zu Grunde
gegangcn, welche die Wehrkraft deö ganzen Volkes
 
Annotationen