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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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Dienstag, 6. Mai


'i'i Ueber die Reform des Zvllvereins
und die deutsche Zukunft

ist von L. Frauer aus Saulgau (in Würt-
temberq) in den jüngsten Tagen eine beachtcns-
werthe Schrift erschienen. Wi e viele andere pa-
triotische Deutsche, geht der Verf. von der Idee
einer Bundesreform aus; sein Verfassungs-
entwurf unterscheidet sich jedoch von den an-
dern bisher gemachten Projekten durch das
wesentliche Merkmal, daß ihm diese Bundes-
reform nur vermictelst einer Zollvereins-
reform erreichbar scheint. Zu dem Ende
beabsichtigt er den Zollverein hauptsächlich
durch eine Volksvertretung und ständige Re-
gierung zu verbeffern; er wolle deshalb das
Princip der Stimmeneinhelligkeit aus der Or-
ganisation des Vereins entfernt und der
Bevölkerung' der Vereinsstaaten .eine ent-
scheidende^ Mitwirkung hei der Gesetzgebung
des Vercins, ejne Controle der Verwaltung
und des Bubgets eingeräumt wissen'. Dem-
gemäß soll der Verein drei Organe erhalten;
eine Regierung, ein Staatenhaus und ein
Volkshaus. Die dreiköpfige Regierung (Di-
rektorium) soll von Preußen, Bayern und
wechselsweise von einem der drei übrigen Kö-
nigreiche gebildet werden. Preußen ist Vor-
ftand des^.Directoriums und behält die Leitung
des Vereins, namentlich in seiner Beziehung
nach Außen; es erhält zugleich die durch die
neue Organisation zuwachsenden Regierungs-
und Verwaltungsrechte, so weit nichc Aus-
nahmen festgesetzt stnd. Die Mitwirkung der
beiden andern Direktorialmitglieder soll erfor-
derlich sein bei jedem Act der Gesetzgebung.
Auch das Ministeriunr des Vereins wird von
allen drei Mitgliedern gemeinsam nach dem
Vorschlage Preußens besetzt. Dasselbe gilt
von ber* Ernennung der höchsten Beamten,
der Consuln und eventuell der Gdsandten.
Das Staatenhaus tritt gewissermaßen an
die Stelle der bisherigen, von Commiffarien
der Vereinsstaaten beschickten Conferenzen.
Seine Mitglieder sollen auch künftig von den
Regierungen ernannt werden, und der Verfas-
ser schlägt vor, Preußen etwa 8, den übrigen
Königreichen je 4, Baden 3, jeder andern
Vereinsregierung 1—2 Stimmen einzuräu-
men. Das Staatenhaus soll jedoch nicht
blos ein Verwaltungsorgan des Vereins, son-
dern zugleich der Bestandtheil einer parlamen-
tarischen Vertretung sein.

Ueber das Volkshaus spricht sich der
Verfasser im Ganzen genommen etwas zu
allgemein und ungenau aus. Die Mitglieder

desselben können zwar durch die bestehen-
den Vertretungen der einzelnen Länder ge-
wählt wcrdcn, doch sollen diese nicht an
die Wahl ihrer eigenen Mitglieder gebun-
den sein.

Den beiden Häuserg werden alle Acte der
innern Vereinsgesetzgebung und alle Verträge,
mit dem Auslande, soweit sie bisher der Zu-
stimmung der Etnzelkammern unterlegen sind,
durch das Directorium zur Prüfung und Ge-
nehmigung vorgelegt. Dieselben erlangen recht-
liche Gültigkeit, wenn sie von der Majorität
in beiden Häusern angenommen und von dem
Directorium verkündet worden sind. Bis jetzt
ist zwar in Zollvereinssachen die Zustimmung
der cinzelnen Kammern nöthig: es ift dies
jedoch mehr oder weniger eine constitutionelle
Fiction. Die Regierungen nämlich sind er-
mächtigt, Tarifsätze aufzusteüen und zu än-
dern, Verträge zu schließen und zu vollzie-
hen —'Alles unter Vorbehalt nachträgli-
cher Zustimmung der Landtage. Aus beson-
deren Nücksichten erfolgt diese sodann in der
Regel, und kann durch dieseS Verfahren leicht
in derselbcn Weise illusorisch werden, wie
z. B. die Mitwirkung der Landtage bei dem
allgemeinen beutschen Handelsgesetzbuch. Als
Gegenstände der allmäligen Erweiterung deS
Wirkungskreises der Zollvercinsorgane bezeich-
net Dr. Frauer namentlich:

1) Gemeinsame Grundsätze über das Post-
und Telegraphenwesen; 2) Regulirung des
Münzwesens; 3) Gemeinschaftliche Gesetzge-
bung über Papiergeld und Banknoten; 4)
Herstellung dcr Maß und GewichtSeinheit;
5) Gemeinsame Patentgesetzgebung; .6) Re-
gulirung der Flußzölle; 7)» Feststellung ge-
meinschaftlichcr Grundsäße über das Eisen-
bahnwesen und Entscheidung von Eisenbahn-
streitigkeiten zwischen den einzelnen Staaten;
8) Fortbildung des deutschen Wechsels- und
Handelsrechts; Bildung eines obersten Ge-
richtshofes für einschlägige Streitigkeiten; 9)
Gemeinsame Gesetzgebung über Vertragsrecht,
Civilprozeß n. s. w. — Auch die Schöpfung
einer Zollvereinsflotte könne nach des Ver-
faffers Ansicht weit eher als die einer Lan-
desflotte in's Bereich der Wirklichkeit treten,
und durch die Ernennung von Zollvereinsge-
sandten würde der erste Schritt einer gemein-
samen Vertretung Deutschlands nach Au-ßen
geschehen. In Bezug auf Oefterreich hätte
der Zollverein an der Stelle der Einzelnre-
gierungen die auf die fraglichen Gegenstände
einschlägigen Vertragsverhältnisse fortzusetzen;
in der Äusarbeitung der betreffenden Ent-

würfe hätten österreichische Fachmänner Theil
zu nehmen, und wäre dahin zu wirken, daß
diese von dem österreichischen und Zoüvereins-
Parlament in gleicher Fassung angenommen
würden.

Badischer Lanbtag.

Karlsruhe, 3. Mai. 43. öffen tliche Si-
tzung der H. Kammer. Vorsitz rHildebrand.
Am Regierungstische befinden sich: Geh. Nath
Wetzel, Direktor Zimmer und Ministerial-
rath Nikolai.

Das Sekretariat zeigt den Einlauf folgen-
der Petitionen an:

1) Bitte der Stadtgemeinde Külsheim,
die Weiterführung der begonnenen Staats-
straße zwischen Bronnbach und Hardheim von
Külsheim nach Hardheim betr.;,übergeben vom
Abg. Schmitt.

2) Bitte des Gemeinderaths der Stadt
Eberbach, die Herstellung der Staatsftraße
von Eberbach nach Mosbnch betr.; übergeben
vom Abg. Schaaff.

3) 25 vom Abg. Kirsner übergebene li-
thographirte /Petitionen um Fortsetzung der
Reklifikation der durch das Bregthal führen-
den Straße von Vöhrenbach her nach Donau-
eschingen.

Die Kammer setzt die Berathung der Post-
und Eisenbahnbudgets sort und zwar über
H. „Eisenbahnbetriebsverwal tung" §. 3 „Te-
lrgraphengebühren." Wagner wünscht Her-
absetzung derselben. Ministerialrath Nik o lai:
Wenn irgend möglich, werde die Negierung
eine Ermäßigung eintreten lassen. Kirsner:
Der Staat foüe durch den Telegraphen kei-
ncn Gewinn ziehen; der Telegraph erziele
aber eine 8prozentige Nente und es ffei daher
eine Ermäßigung des Tarifs wohl möglich.
Geheimerath Weizel erwidert, däß die Rente
noch nicht sicher sei; nach einer andern Be-
rechnung sei noch ein Defizit vorhanden. Bei
§. 7 beschwert sich Krausmann über scho-
nungslose Behandlung der Güter durch die
Spanner beim Ein - und Ausladen: Moll
wünscht für den deutschen Handelsstand mehr
Sicherheit gegen Veriust von Handelswaaren.
Geh. Nath Weizel verweist auf die bevor-
stehende Berathung der Kammer über das
deutsche Handelsgeseßbuch. Nach der dritten
Lesung des Handelsgesetzbuch es sei ein Trans-
portreglement für ganz Deutschland zu Stande
gekommen; aber einen A ugenblick lang habe der
Abbruch des directen Verkchrs gedroht, wenn
man auf den Anforderungen bestanden hätte,

Amerikanische Miscelle.

(Aus Nashville.) Am nämlichen^Tage als
die Bundestruppen in Nashville, dem Regierungs-
sitz von Tennessee, einrückten, fand dort ein Act
der Privatrache statt, dessen Beweggrund zwar der
Politik ganz frcmd ist, der aber bei dem bestehen-
den Parteihaß leicht eine bedeutende Einwirkung
auf den Gang der Dinge hätte üben können.

Vor etwa dret Iahren ließ die Frau eines jungen
Newyorker-Kaufmannes von dem intimsten Freunde
ihres Gattcn sich cntführen. Trotz den umfasserid-
sten Bemühungen gelang es dem Letzteren nicht,
die Spur des schuldigen Paares aufzufinden. Un-
glücklicher Weise war der junge Mann von einer
Tiefe des Characters, wie man sie unter denDol-
larsjägern kaum suchen sollte. Er gab es endlich
auf, die Spur zu sinben, verließ New-York und
zog nach dem Westen. Als einem Mann von großer
Energie und Intelligenz gelang es ihm binnen
Kurzem sich zu Cairo (Jllinois) eine glänzende
Stellung zu schaffen. Man war daher sehr er-
staunt, ihn bei Ausbruch des Bürgerkriegs als einen
der Ersten unter die Fahnen des Nordens eilen zu

sehen: es fiel dies um so mehr auf, als er zur
democratischen Partei gehörte, welche.wenigstens
dawals der Sache deS Südens nicht allzu feindlich
schien. Iedeyfalls konnten seine nächsten Freunde
sich diesen Schritt in keiner Weise erklären.

In der That war es auch nicht der Patriotismus,
welcher den Mann von Vermögen und Ansehen be-
wogen hattc, als einfacher Freiwilliger zur Muskete
zu greifen: Ekel am Dasein war es, welcher ihn
antrieb, dieses baldmöglichst in anständiger Weise
zu endigen. So suchte er benn die Gefahr auf,
wo er konnte und erwarb fich allgemeine Bewun-
derung seiner Tapferkeit. Bei dem Angriff auf
Fyrt Donelson pflanzte er das Banner der Union
auf der ersten genommenen Redoute auf, was ihm
die Capitainsepauletten eintrug. Als sein Regi-
ment in Nashville eingerückt war, begab er sich
kurz nach der Ankunft mit einem anderen Offizier
iy ein Restaurationslocal. Plötzlich stößt er einen
Schrei der Ueberraschung aus. Der Restaurateur
war Niemand anders als der verrätherische Freund.
Außer sich vor Wuth stürzt er sich auf ihn und mit
den Worten: „Elender, finbe ich Dich endlich!" —
feuert cr seinen Revolver mitten in die Brust des

Entführers. Während dieser sich im Todeskampfe
wandl eilte auf den Schuß eine junge Frau in den
Saal. Ein cinziger Blick genügte ihr zur Erklä-
rung der Situation und ließ sie in wirkliche oder
erkünstelte Ohnmacht fallen. Wahrscheinlich hätte
der beleidigte Gatte seine Waffe auch gegen sie ge-
kehrt, wäre sie ihm nicht von seinem Kameraven
abgenommen worden. Beiseiner Verhaftung glaubte
die Bcvölkerung nicht an.ders, als es sei cin poli-
tischer Mord. Obgleich das Separatisten-Lorps
schon abgegangen war, hörte man doch zahlreiche
Nufe: „Nieder mit dem unionistischen Mörder
Das Schickfal des Cäpitains ist noch nicht ent-
schteden. Was die Occupationsarmee betrifft, so
beklagt Ieder den Mörder und scheint insgehetm
seine That zu billigen.

Unerhörtes Gaimerraffinement in London.

In Gutzkow's „Unterhaltungen am häuSlichen
Herde" erzählt ein Londoner Bcrichterstatter:

In Bond-Strect sind so großartige Friseur-Eta-
bl.iffements, wie vtellcicht nirgends in der Welt.
Douglas, einer der Hauptfriseure, nimmt alljähr-
 
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