Heidelberger Zeitung (1862 (Januar bis Juni))

N; Z«


Kreitag, 7. März


L8S2.

/X Aschermittwochsbetrachtungen.

Die schönen Feste sind dahin; erblaßt ihr
Glanz, verrauscht die zauberischen Klänge; dem
künstlichen, trügerijchen Lampenschimmer ist der
graue Morgenhimmel der Wirklichkeit gefolgt;
der heitere Traum ist ausgeträumt; wir kom-
men wieder zu uns selbst nach der süßen,
schwärmerischen Zeit des „Sichselbstvergefsens",

— Aschermittwoch ist angebrochen; wir wcr-
den nüchtern und fühlen — den Iammer der
Zeit!

Ja, der deutschen Nation ist ein Aschermitt-
woch angebrochen; sie hat in einem schönen
Traum sich gewiegt: sie sah Recht und Frei-
heit, das edle Geschwisterpaar, hoffnungsvoll
wachsen und erstarken, von den „Großen" ge-
pflegt und beschützt; sah Fürsten mit Völkern,
Deütsche mit Deutschen einträchtig Hand in
Hand einem schönen Ziele, einer großen, herr-
lichen Zukunft entgegengehen; sie rief entzückt
aus in ihrem süßen Schlummer: „die alte
Zeit, die Zeit der Lüge und der Gew^lt, sie
ist abgethan mit ihreu hohlen Formen, ihrem
erlogenen Prunke, der die innere Fäulniß ver-
barg; abgethan ist dieZeit der Falschheit, dcr
Wortbrüchigkeit, der diplomatischen Kniffe —
und sie kann nimmer wiederkehren, nimmer
wird es dem „Geist, der stets verneint," ge-
lingen, Unkraut unter den üppig sproffenden
Waizen des Fortschritts zu saen; es siegt die
Wahrheit endlich und das Recht." Unsanft
ward sie aus diesem Traume erweckt, sie sah
das Rccht noch zu jung und schwach zu siegen,
sah es verhöhnt von solchen, die es schützen
sollten und schmählich zu Boden geworfen und
zertreten: das allgemeine Mitleid konnte ihm
nicht wieder aufhelfen und die Mächtigen blie-
ben fern.

So hätten wir nun einen glänzenden Car-
neval durchlebt, bei dem „Necht" und „Frei-
heit" nur als Hauptfiguren gedient hätten,
zur allgemeinen Belustigung? Wir können eS
nicht glauben und rufen verzweifelnd: Wo
sind die Männer der kühnen Reden und der

— großen Tha^ten? wo — doch es ist Ascher-
mittwoch geworden, wir waren berauscht vom
neuen. Weine der „neuen Aera"; man muß
uns verzeihen; jetzt beginnen wir nüchtern zu
werden und wir sehen, daß von aller Herr-
lichkeit uns Nichts geblieben, als der allge-
meine „Iammer" und das tröstliche Bewußt-
sein: „wir waren heuer wieder einmal rechtc
Narren!" — und wir schweigen.

Motion des Abgeordneten Larney

auf Abänderung des Z. 37 der Verfaffungs-
urkunde begründet.

(Fortsetzung.)

Meine Herren! Jch habe diesen Punkt stärker be-

Commission, welche im Jahr 1858 die vorliegende Frage
zu behandeln. hatte, lresfenden Ausdruck gegeben: „Die
festesten Bände", heißt es dort, „die dcn Bürger an den
Slaat fesjeln, sind ganz andere, als die Jnteressen oes
Vermögens; eö sind dies jene höheren suttichen Triebe,
die ibn bestimmcn, im Fall der Noth sein Hab und
Gut,'ja das Leben selbst dem Vaterland zu opsern.
Diese Triebe sind ties in der Brust des Menschen ge-
wurzelt und cheseelen alle Slände gleichmäßig."

Jch meine, jeder Unbefangene müsse es diesen Wor-
ten anfühlen, daß sie die Wahrheit tresfen. Aber, meine
Herren, sollte ich mich irren 'uttd sollte es doch seine
Richligkeit haben mit den Zweckmäßigkeitsgründen, die
man ^efunden

der Mann, dem eine Wählerschaft ihr Verlraueu schenkte,
die Bedingungen des §. 37, Ziffer 3 nicht vollstäudig

ersüllte sre die Verfassungsbestimmüngen nach Geist und
Buchstaben, aber sie setzke sich in Widersvruch mit dem
eigenen Billigkeitögesühl und mit dem gesunden Jnstinct
der gayzen Bevölkerung, die dem §. 37 nie eine solche
'Geltung zuerlannte; odcr sollte sie die Scheinkäufe gel-
ten lass^^Dann war zwar der Buchstabe erfüllt, und
man köWc'zur Nolh Zein Gewissen beruhigen, aber
man wak^un Widerspruch mrt dem Geiste des §. 37.

(Schluß f.)

* Politische Umschau.

Eine Einigung in «er kurhcfflschen Fruge
jwischen Preußen und Oesterrcich lst, gutem
Vernehmen liach, noch Nlchl ersolgt. (Hlenach
würe die gestrige Nachricht dcr Aüg. Z. zum
Mlndcsteu vcrsrüht.)

Gleich den eeipziger Mitgliedern dcs Natio-
nalvercinS haben gcstern anch die des Vcreins
in Hamburg cine Zustimnlnngs- und Dankadreffe
an Herrn v. Cariowltz nnd zngleich eine
Erklärnng in der deutschen Frage beschlossen,
ll> welcher sie von Preußen rückhaltslvse An-
crkcnnnng des badische» Standpunktes ver-
langen.

Privatbcrlchte aus Tricst melden, daß in
Folge eingctroffencr Bejehle auS Wleii die
Umdlldung der österr. Flotte encrglsch bctrie-
ben wird.

Jn ber gestrigcn Scnatssitzung hielt der
Minister Billnult seinc angekündigte Rcde.
Der Kaiser, sagte er, habe bei dem italieni-
schen Krieg nicht dic italienische Einheit znm
Zweck gehabt, svndern er habe dle Herrschcr
auf ihrcn Lhrvnen halten und Jtalien nur

Schneeberge in Afrika.

Als die crste Aunde von den Entdetungcn der
deittschen Mlsfion-irc Rebmann und Kraps an der
Ostküste von Afrlka nach Eurvpa kam mit derwun-
derbarenMeldunghoherSchneebergeinjenem Aequa-
torialgürtel des heißesten ContingentS, fand fie bei
Viclen keinen Glaubcn und ward vor Allem tn
England auf jegliche Weise angegriffen und lächer-
lich gemacht; di- kurzfichtigcn, bebrilltcn Deutschcn
hättcn Qnarz für Schnee gchalten, hieß es.

AllerdingS waren die Beschretbungen, besvnders
dcS Hrn. Rcbmann zu unbcstimmt, nm sich einen
klarcn Begriff zn machen, wie in der Acquatortal-
gegend in s° g-ringer Entfernung von der Knste ein
Bcrgkegcl zn sv großcr Höhc fich erheben könne, daß
er dte Schnccltnie überfteigc, und dic vvllständig-
llnterbrechung dcr früheren VcrkchrSlinien zwischen
dcr Küstc und dem Binnenlande durch auS dem
Anncrn eingebrochcne räuberischc und demgeregel-
ten, seßhasten Lebcn feindtlche Stämme verzögerte
die ganze Reihc der fnnfziger Jahre hindurch die
genauere Untersuchnng diescr merkwürdigcn Land-

schaft, b>S eS nnn endlich nach sv eten eingetros-
fencn brlcflichen Mitthcllungen dem Herrn Carl
von der Dccken gclungen ist, den Schleier dcr Un-
gcwtßheit zu lüsten.

Dem Herrn von der Decken, dcr im Mai I8SS
fich nach der ost-afrikanischen Küste cmgeschifft, ge-
lang es nach -inem crstcn sehlgeschlagcnen Versuche,
in daS Jnnerc etnzndringen, im August vorigen
Zahres, den südlichcrcn jencr Alpenhörncr, dcn
Kilimandjaro zu erreichen, und obgleich rr ihn nnr
bis zu eincr Höhe »on 8üllg Fuß ftlbst erstcigen
konnte, vergewifferte er sich doch vermögc trtgonv-
metrischer Meffungcn, .die er in Gemeinschaft mit
ftrnem in Zanzibar engagirten Rciftgefihrtcn, einem
cnglischcn Gevlogen von 8 »crschtedenen, mit der
Küstc trigvnomctrtsch verbnndencn Stationen an-
stellte. daß der Berg eine Höhe von mehr als
20,»üg -ngl. Fnß habe, nnd daß vollc 300g Fnß
mit Schnee b-deck« ftien; ja sie hatten während ihres
lgtägigen Aufcnthalts am Fuße deS Berges, d-n
sic von drct Seiten nmkrristen, das Schauspicl
dretcr i» die Tiefc herabstürzender Schneelawincn.

Der Herr von der Decken gedenkt dic Erforschnng
jener so mannigfach vrganisirten Landschasten fort-

zufttzen und nach Kräftcn für dtc Wissenschaft aus-
zubcuten, so daß wir eine große Bcrcicherung dcr
Kenntniß dcs nun immer mehr und mchr, wenn
auch langsam stch enthüllenden afrikanischen Fest-
landes von dort her zu erwarten haben zum Ruhme
deutscher Tüchtigkcit, Opfcrsählgkeit und Ausdauer,
die sich anf solche Weift anch in größter Fcrne im
Auslande Geltung vcrschafft.

Die Zeitschrift dcr Gcftllschaft snr Erdkundc wird
btc näheren Bcrichtc deS Rctsenden mittheilcn.

(Für 8ü,0gg Frankcn Kupfcrstiche.) Trotz dcr
Ansklnandcrsetznngen Fonld's gibt es in Frankreich
immer noch ctwas Geld für dic Kunft. Socben hat
der Generaldircctor dec kaiftrl. Muscen in Paris
Contracte mit fast allen rcnommirtcn Knpserstechern
daftibft adgcschlosscn, nach welchcn dlese sich zum
Copircn einer Anzahi dcr berühmtcsten Gemäloe
im Louvrc »erpfilchten. Dic Summe, welche fir
ihie binuen de„ nächstcn Jahrrn zu liefernden Ar-
beltcn ftipulirt worden tst, beiänst sich jährlich auf
gg,00Ü Krcs.