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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2810#0131

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3L


Svqntqg. s. Fchrnar 1862.

Die Collegialgerichte erster:
Jiistanz.

EZ sind in der letzten Zeit einzelne Stim-
Mfn laut geworpen, welche gegenpber der lange
ersehnten und nunmehr beabsichtigten Einfüh-
rung von Collegialgerichten erster Jnstanz für
Cipilsachen die bestehende Einrichtung des Ein-
zelrichteramtes für zweckmäßiger und wün-
schenswerther halken. Eö können diese Stim-
men nur v.on Laien ausgehen, die Sachver-
stäfldigen sind längst über den Vorzug der
Collegialgerichte einig, aber auch dem Volke
Müß unb wird es bald klar werden, welch'
großer Fortschritt in der beabsichtigtcn Ein-
richtung liegt. Die dem Entwurf der Ge-
richtsverfafsung beigefügte Begründung gibt
Denjenigen, welche etwa die V?rzüge der Col-
legialgerichte noch bezweifeln und gegen die-
selben eingenommcn sind, besonders folgendss
Momeute zu berücksichtigen:

Sssitdem diese Frage in den badischen Kam-
mern zum letzten Mal besprochen worden ist,
sind fast in allen Staatcn, in den größeren
wie in den kleineren, die Collegialgerichte ein-
geführt worden, und diejenigen Staaten, welche
dieselben noch nicht haben, sind im Begriffe,
sie anzunehmen. Würde Baden die Collegial-
'gerichte auch jetzt noch verschmähen, so würde
es wohl in kurzer Zeit ganz isolirt mit dem
Institut der Einzelrichter stehen. Sollte anders
eine allgemeine deutsche Prozeßordnung zu
Stande kommen, so wird sie'ganz unzweifel-
haft bie Collegialgerichte erster Instanz als
Grundlage haben, und wir müßten dann diese
Einrichtung dennoch adoptiren oder uns von
der Gemeinsamkeit eines solchen Gesetzes aus-
schließen.

Es ist ferner zu beherzigen, daß wir zur
Verbefferung der Strafrechtspstege die Coüe-
gialgerichte nothwendig vermehren müssen. Soll
nun ein Theil derfelben mit Strafsachen allein
beschäftigt werden, wie es im Jahr 1845
beabsichtigt war? Eine solche EiNrichtung
wäre wegen ver praktischen Tüchtigkeit des
Richterstandes schwer zu beklagen. Ihre Fort-
bildung würde durch langjährige ausschließ-
liche Beschäftigung mit Strafsachen eine sehr
einseitige werden und den nachtheili'gsten Ein-
fiuß auf dic Intelligenz und Brauchbarkeit der
Richter ausüben, während doch eine gute Ver-
waltung der Rechtspstege hauptsächlich durch
die tüchtige Bildung ber Richter bedingt ist.

Auch die Einführung collegialisch besetzter
Handelsgerichte wäre neben Beibehaltung der
Einzelrichter für aiiderc Ptözeffe nicht möglich,

ohne Wch^sprüche in die Gesetzgebung zu
hringen , oher H^ivilegien für HMibelsprozeffe
zu schaffen^

Alle Nechtsstreitigkeiten können .jedoch fo
wcnlg yff bie Lollegtalgerichte' gewiesen wer-
sen, als alle Straffachen. Prozeffe von ge-
ringerer Bedcutung oder besonderer Natur stnd
überall den Ct'nzelrichtern verblieben; doch wei-
chen die Gesetzgebungen in den betreffenven
B'estlmmungen, namentlich sö weit sie. bie
Summe fts Streitwerths zum Gegenstande
haben,' von einanver ab.

'Hp dem voraeieaten Gesetzentwurf ist die
Summe vyn '200 'fl. als Grenzlinie zwifchen
Einzei- und C'öllegiälgerichten angenommen.

Wenn nun aber die Begrünhung sagt : „in
keinem Fall.'schien eö räthlich Zu sem, unler
die Summe von 200 fl. herabzugehen, eS
könnte sich eher frägen, .ob dieselbe nicht etmas
höher beftimmt werden sollte",' sö sind wir in
diefem Pünkte gerad'e der entgege'n'gesetzten
Meinüng.' Söü bie Lüohlthat der Collegial-
gerichte wirklich dem Völke so recht zu Güte
kominen, so müß'bieses Institut fü'r möglichst
viele Prozesse eingefiihrt werden, nicht'bloß
für 'die geringe Minderzah! vö'n'.'A^chtsstrei-
ten , deren Gegenständ 200 fl. überstelgt. Ge'-
räde die Prozeffe im Betrage von 50—200 fl.
büden die größe Mehrzahl und herühren so
recht den eigentlicheN Verkehr, das Woy! und
Wehe des' Bürgerständes. För diese ist 'die
Garäntie der CoÜegrälentscheioung'nothwendlg,
für' ste chie' endsi'che Entfernüng ber vie'len Miß-
stände llnseres jetzigen Verfahrens dringender
gebotön, als für die verhältnißrNäß'ig g'er'inge
Anzahl von bedeutenden Rechtsstieiteil, wclche
anßerdem die Möglr'chkel't dreier Iiistanzeii
haben. Nur für wirkliche Bagätellfüchen ein-
pfiehlt sich das Institut der Einzelrl'chter, und
ist dasselhe auch in andern Peutschen Gesetz-
gebungen eingeführt. Hoffentlich wird quch
bei uns eine veM entsprechrnde'Äönöerüng des
'Etttchllrf^s"eilltretön!

Badischer Landtag.

*1-* Karlsruhe, 7. Febr. Nach Eröff-
nung der 14. Sitzung ber Zweiten Kammer
zeigt das Sekret'ariat foläende Petrtionen an:
Von mehreren Bürgern des Ländamtö Frei-
bürg, das Waidablösungsgesetz betr., von
Nonnenweier, die bürgerltche Gleichstellung
der Iuden betr., von Stockach wegen Abän-
derung der Gemeindeordnung in Bezug auf
die Einrichtlmg deö Ausschüffe und Wieder-
herst'eünng' der Urwahlen, mehrere Bitten, den

B.ap einer ^iyzigthal-Bodensee-Eisenbqhn und
Skraßenhau betr. -

Der Präsident theilt mij, daß von hen
Abtheilungen in die Commission für den Ge-
setzentwurf siher 'd'ie Gerichtsorganlsatiyn die
Äbgeordneten Häuffer, Haager, v. Stockhorn,
Walli ünd Achenbach gewählt worden seien.
Diese Commission wird auf Stockhorn's An-
trag am Schluffe der Sitznng durch folgende
6 Mitglieder verstärkt: Prestinari, Kusel, Eck-
haxdt, Mays, Kirsner und Moll. Die aus
den Abgeordneten Häusser, Fingado, Prestinari,
Wälli und Gschrey bestehende CommMon für
den Gesetzentwurf über die bürgerliche Gleich-
stellung der Jsraeliten wird durch die Äbge-
ordneten Heidenreich, Paravicini, Hoffme'ister
und Schwarzmann verstärkt. Der Tagesord-
nüng gemaß wurde oer Bericht des Abgeord-
neten Mvll über bas provisorische Gesetz vom
7. Februar 1861, fdie Aufhebung der Durch-
gangszölle und der die Stelle von solchen
vertretenden Ausgangszölle betreffend, sowie
däs weitere provisorische Gesetz Vom 15.
März 1861, nach welchem vom 1. April je-
nes Iahres an Zinn in Blöcken, Slangen
u. s. w. und altes Zinn abgabenfrei in den
Zollverein elngeht, berathen und diesen Ge-
setzen einstimmig die nachträgliche Zustünmung
ertheilt. Bei Gelegenheit der Besprechung
ves erstgenannten Gesetzes richtet. der Com-
missionsbericht an die großh. Regiexüng fol-
gende dringende Wünsche :

1) Dieselbe wölle ihren ganzen Einffnß da-
hin verwenden, daß auch das jetzige, wcnn
gleich ermäßigte Octrof auf dem Rheine
so bald wle möglich ganz abgeschafft
werve.

2) Zur Erhaltung der Leinpfade möge eine
mäßige Recognitr'öris-Gebühr beibehqlten,
dagegen von allen betreffenden Eerstaa-
ten die unzweifelhafteste Verbindlichkeit
anerkannt werden, für Herstellung und
Unterhaltung eines für jede Jahreszeit
genügenden Fahrwassers stets vollkommen
genügende Mittel anfzuwenden.

3) Es möge die in öer letzten'zu Karlsruhe
vom Oktober bis Dezember 1860 stattge-
häbten Coyferenz vereinbarte Verkehrs-
Erleichterün'g, nach welcher es den Schif-
fern und Flößern gestattet sein söll, böi
jedem Nheinzollamte nicht blos den be-
treffenden Antheil, sondery ben Gesämmh-
berrag ber Abgabe für die ganze'Strecke
bis an den Ort ihrer Bestimmüng bezah-
len zu dürfeN ünd dadurch des Anhältens
asi den übrigen Nheinzollstätten enthoben

Prorlß Iakoliy,

verhandelt vor dem Ajsisenhof zu Darmstadt.

(Fortsetzung.)

— 2. Febr. Gestern hielt das Schwurgericht nur
eine Sitzung, welche indessen in den NachmiÜag
hineinreichte. Der heutige Sonntag ist eine Zeit
des Ausruhens, nicht nur für den Gerichtshof mit
setnem Secretariat, für den Staatsanwalt, den
Vertherdiger, die Geschworenen, die Stenographen
und die übrigen Chronisten des dcnkwürdigen Straf-
processes, sondern auch für die Hunderte von Zu-
hörern, wclcke sich dürch dic bis zur Qual steigen-
den Unbcquemlichkeiten bisher nicht abhalten ließcn,
den einzelnen Schrittcn des Verfahrens zu folgen.
Dcr Schluß der Sitzung hatte etwas Drastisches.
Die Vertheidigung hatte den pensionirten Oberstcn
v. Bcchtold als Schutzzeugen laden lassen: er er-
schien aber nicht nnd entschuldigte sich in einem
Schreiben, welchem kein ärztliches Zeugniß bcilag,
mit Unwohlsein. Die Staatsanwaltschäft vereinigte
fich mtt dem Vertheidiger dahin, daß die Verlesnng
des Protocoüs über deffen Vernehmung im Vor-^
verfahren geni'igen solle. Der Präsident verordnete
damit diese Verlesung. Der Jnhalt des kurzen
Protocolls geht dahin, Jakoby sei ein redlicher Ach-

werther Mann"); er, Zeuge, sei Mitarbeiter an
dessen Zeitblatt: der „hessijche Anzeiger" gewesen

und habe so Gelegenheit gehabt, die tüchtige Ge-
finnung seines Jnhabers kennen zu lernen. Wel-
ches Gewicht die Geschworenen dem Zeugnisse bei-
legen werden, steht dahin. Das gestrige Verfahren
verfolgte mehrere Richtungen; namentlich bemühte
es sich auch, einiges Licht über die Art der letzten
Krankheit der im Jahr 1851 verstorbenen ersten
Gattin des Angeklagten zu verbreiten. (Män ist
jetzt darin eiuverstanden, baß auch deren Lerche hätte
erhoben und obducirt werden müffcn, da es bekannt
ist, daß Arsenik eine Lciche sehr conservirt und auch
nach Jahren nöch aufzufinden ist). Zu diesem Zwcck
wurde der Ehemann der Schwefter dieser' ersten
Ehesran Heilgehilfe Jochheim, und zwar nur als
AuskilNftsperson vernommen, also unbeetdigt. Nach
seiner Angabe lebte seine Schwägerin in erncr un-
glücklichen Ehe mit dem Angeklagten, der sie sehr
mißhandelt habe, auch ihre Schwester, welche am
letzten Tage der letzten Krankheit, die sich in den
Merkmalen von Krämpfen und Kälte der Glieder
geäußert, die Nacht über zur Pflege habe dablei-
ben wollen, genöthigt habe, wegzugehen. Der vor-
geladene Arzt, Dr. Heybenreich, welcher in dicser
letzten Krankheit zu einer Operation beigezogen
worden war, vermochte nicht^etwas anzugeben, was

Huber während einer TheatervorstellOung' im vori-
gen Frühherbst von etnem Uebelbefindcn befallen
wordcn sei. An zwei Abenden war kie Oper Lu-

gcgriffen", aus der Loge getrercu. Vorgerufen stsllte
sie AUes, mit Ausnahme des Wetnens, in Abretztz.
Es konnte nicht ermitrelt werden, ob an di^sem

lichen Ve^hältnisse zwischen dcm Angeklagteü unv
seiner zweiten Gattrn und dem Benehmen dessel-
ben in der er^cn'Zeit nach ^dein Ableb^ derse^ben

Angeklagtei? vor dem Grabe seiner Ehefrau ver-
löbt habe (d. h. lange vör dem Ableben der zwei-
ten Gattin) bejaht. Geheimerath Schenk, der bet
dem Angeklagten in Miethe wohnte, ettheilte dem-
selben ein günstiges Zeugniß, will aber vom Be-
ginn des Iahres 1861 an eine Trübung des ehe-
lichen Zusammenlebens bemerkt haben und bezeügte,
er habe einmal einen heftigen Wortwechsel vernom^
men, dem ein Wehklagen der Frau, als ob fie ge-
schlägen worden, gefolgt sei. Eine weitere Attgabe
des Zeugen deutete darauf hin, daß der Angeklagte
bet Krankheiten dek Gattin cs ihr an Erquickungen
habe fehlen lassen; -denn sie habe ihn, Zeuge, uni
Suppe gebeten. Dessen Magd fügte bei, die Kranke
habe, wenn sie ihr die Labung gebracht habe, fich
scheu umgesehcn. Der Angeklagte gab vor, dex
 
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