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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Juni
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Samstag, 21. Juiii


'll- Die Lage des nordamerikanischen
Burgerkricgs.

Zn Folge der letzten Ereignisse in Nord-
amerika, insbesondere der Einnahme von New-
Ärleans, hat sich jetzt das Uebergewicht des
Aordens über den Süden so entschieden her-
ausgestellt, daß nicht allein jener, sondern so
ziemlich die ganze Welt die Uebrrzeugung hegt,
er werde sich von den schwersten Schlägen er-
holen, und daß man allmälig die Sache der
Secessionisten verloien gibt. Der Ümschwung
in der öffentlichen Meinung, die weniger über
die Rechrssrage, wohl aber über den Ausgang
der Secession Ansangs sekr getheilt war, ist
damit vollständig geworden. Von einer euro-
paischen Intervention kann ohnehin keiue
Reve mehr sein. Es hatte diese nur so. lange
Sinn, als man hoffen konnte, der darbenden
Fabrikbevölkerung Eurvpa's die nöthigen Roh-
stosse zn verschaffen. Da jetzt die Sübläiider
in ihrem patrionschen Eifer die BäumwoUe
selbst vernichten, so fehit das Objecl ber Zn-
tervcntion. Hierdurch werten die hungcrndeii
Spiimer und Weber Europa's schwerer bc-
troffen als der siegreiche Norden, in dessen
Häiiben weiiigstens der Bobeii für die künflige
Erndte bleibt. Zn Englanb und Frankreich ^
wird man daher Ursache haben, in diescm Acle
ebenso sehr eine Handlung äer Rache gegen
das Auslaiid für die sicher erwartete, aber
versagte Anerkennung und Untcrstützung der ^
Cönsöderalion zu sehen, als einen Kriegsact
gegen den heimischen Feind. —

Was die Armee der Sscessionisten selbst
betrifft, so beftndet sich diese zur Zeit in kei-
ner glanzenden Situation. Den Weg nach
Osteri hat ihr das Mitchel'sche Corps verlegt,
den Rückzug über den Mississippi brohen die
von Neworleans hinaufgegangenen Kanonen-
boote der Union, denen sich vieUeicht bald die
von Fort Wigs herabgekommene Flottille des
Comöbore Foote anschließen wird, abzuschnei-
den. So bleibt dem seccssionisiischen Feldherrn
nür ein mäßiges Terrain für seine Be-
wegungen übrig, und auf die Daüer wird es
ihm unmöglich sein, ben entscheidenden Kampf
mit der Armee untrc General Halleck zu ver-
meiden, er wird ihn sogar suchen müssen,
denn je mehr er ihn verzögert, unter besto
ungünstigeren Bedingungen und Aussichten
wird er für ihn stattfinden. Das unionistische
Heer kann sich fort und fort verstärken und
die Zuführen an Kriegsbedarf und LebenS-
mitteln fiießen ihm uliuntetbkochen zuz'vagögen
hat Beaüregard jetzt Alles unter seinen Fäh-

nen, was sich überhaupt auftreiben läßt, und
der Ersatz für das Verbrauchte und Aufge-
riebene ist immer schwieriger für ihn zu be-
werkstelligen.

Seitdem Neworleans und der untere Missis-
sippi von den Föderalisten occupirt ist, muß
namentlich auch die reiche Zufuhrquelle von
Teras her aufhören. Außex diesem südjichen
Rebellenheere steht nun bekanntlich noch Eines
weiter nördlich >in Virginien. Es hat seine
fkstkn Positivnen bei Norktown verlaffen, ohne
den feindlichen Sturm abzuwarten, und sich
Nichmoiid genähert, um diese Hauptstadt der
Conföberirten zu schützen. Will es dort Stanb
halten, so muß es ebenfalls eine Entscheibungs-
schlacht unter nicht ganz besonders gllnstigen
Bedingungen annehmen, auch wird dcr fort-
währende Rückzug überdies den M»th der-
Truppen gebämpst haben. (Nach neuerer te-
legraphifcher Nachricht ist cine solche für die
Südländer ungünstige Schlacht bei Nichmond
bereils geschlagen worden.) Gibt die südliche
Conföderation bagegen die Vertheidigung ihrer
Hauplstadt ohne Schwertstreich auf, so hat
.sie ihre Sache.dadurch allein gleichsam für
verloren gegeben, oder dieser doch jedenfalls
eiue sehr verhängnißvolle Schlappe beigebracbt.
Trotz AUedem liegt es übrigens durchaus
nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit, daß
die Consöderirten durch irgenb einen glückli-
chen Verzweifiungskampf ihre Sache für den
Augenbliü rehabilitir.en können, bcsonders Felv-
herren gegenüber wie Hallcck und M'Elellan,
die durchaus nicht zu deu Wagehälsen gehö-
ren. Vor UuglücksfäUen sind auch die Streit-
kräfte des Nordens keineswegs ganz sicher/
wie kürzlich die Niederlage des General
Banks bewiesen hat, unb je unerwarteter
diese komme, einen um so größern Eindruck
würde sie hervorbringen. Doch könnte dieses
der jetzigen Sachlage nach offenbar nur noch
eine temporäre und vorübergehende sein, und
würde an dcm schließlichen Ausgang des Waf-
fenkampfs wenig oder nichts änbern. Eine
andere Frage ist freilich, ob der durch die
Waffen besiegte Süden für die Dauer wieder
zu ber Union zurückkehren wird, und —
was wohl nur durch einen freiwilligen Act ge-
schehcn kann — zu einem nützlichen Gliede
eines republikanischcn Staatenbundes werden
kann. Wir werden uns hierüber vielleicht in
der Folge näher aussprechen.

Badifcher Landtag.

Karlsruhe, 18. Zuni. 63. öffentliche
Sitzung der 11. Kammer. Vorsitz: Hildebrandt.

Regiervngs-Commiffare: Vogelmann, v. Rog-
genbach, v. Böckh. Berathung des Berichts
des Abg. Buhl, den Bau eines Gebäudes
fvr die Großh. Hofbibliothek, die naturhisto-
rische, ethnographische und Alterthümersamm-
lung betr. Allgemeine Discussion. Lamey
v. Pf.: Seinen Committenten gegenüber fühle
sich mancher Abgeordnete bei derartigen An-
forderungen etwas beengt; allein die Zntereffcn,
die hier in Frage seien, kommkn dem ganzen
Volke zu gut und er glaube, die Genehmigung
bevürfe keiner weitern Empfehlung, als deren
sie fich im Commissionsberichte erfreue. Ned-
ner berührt beispielsweise die Hofbibliothek,
wie sehr werthvoüe Werke bci dem Mangel
an Raum unsichtbar würden, ja Gefahr lie-
fen, verloren zu gehen. Hoffmeistvr be-
merkt, die Restdenz habe zwar schon viele
schöne Anstalten, die ihr eine hervorragende
Stellung verleihen, aber es sei nicht gu läug-
nen, daß ein Gebäube fehle, welches den be-
tressenden werthvollen Sammlun^en den ge-
nügenben Raum gebe. Er habe sich persönlich
überzeugt, daß dies zur Zejt nicht der Fall
und Abhilfe nothwendig sei. Spezielle Dis-
cussion. Art. 1 verlanqt für den Bau die
Summe von 334,000 fl. aus Mitteln des
Domanialgrundstocks, während cher Bauplatz
von ver Ctvilliste zu Verfügung gestellt wer-
den soll.

Fr.iverich stimmt dem Artikel vollständig
bei und ekenso ber Auösiihruiig im Couums-
sionöberichte. De-r Bau sei nothwenbig, um
die schönen Sammlungen unterzubringen.
Daburch werde dann doch den Forschern Ge-
legenheit gegeben, sich mik Muße den Stubien
hinzugeben. Zctzt reichlen die Naume nicht
einmal zur obeiflächllchen Beschauung aus.
Er erwarte aber, daß ber Kqsteuanschlag des
der Residenz zur neuen Zierbe gereichenden
Baues nicht überschritten werde. Der Artikel
wird angeiiommeuz ebeuso ohne Discussion
Art. 2, welcher das neue Gebäude an die
Csvilliste verweist, welcher die Unterhaltungs-
pflicht oblicgt. Zn namentlicher Abstimmung
erhält der Gesetzesentwurf einstimmige An-
nahme. Geh. Nath Vogelmanu füsslt sich
verpflichtet, dem Berichterstatter und der
Kammex seinen Dank auszusprechen, daß sie
in Mitte ihrer Beschäfligung mit materiellen
Fragen das heutige Gefetz so rasch und ein-
stimmig genehmigt habe.

Berathung des Berichts hes Abg. Schmitt
zum Gesetzeskntwurf über das Budget der in
den Zahren 1862 unb 1863 aus dem Domä-
neygrundstock zu schöpfenben außeryrdentlichen

Schlaues Cntwischen und Erwifch^N.

Äm Sonntage vor acht Tagen entkamen zwei
verzweiselte Sträflinge, Meggs und Carly, von
denen der Erstc zu 15 und der Zmeite zu 10 Jah-
ren Transportation verurthcilt waren, aus der
Strafanstalt Millbank Penitentiary. Die curiose
Geschichte ihrcs Entschlüpfens und Erwischens in-
nerhalb dreier Stunden liefert einen so schlagenden
Beweis von der Thätigkeit und Wachsamkeit der
englischen Polizei, daß sie wohl nacherzählt zu wer-
den verdient. Der Plan wurde von drei Sträflin-
gen entworfen, und zwei rissen aus. Nach der Art,
wie derselbe ausgeführt wurde, muß viele Wochen
daran geaxbettet worden sein. Die drei Leute waren
in ciner der Souterrain-Zellen eingesperrt,' von
welcher ein eiserner Ventilator (Luftgang) m der
Mauer mit einem Keller in Verbindung stand. Um
2/4 auf 9 werden die Hängematten in den Zeslen
hcrabgelassen, gegcn 9 sind alle Sträflinge zu Bett,
und ein offenes Gitter in jeder Zellthür gestattet
der Wache zu sehen, daß jeder liegt, während die
Zellen selbst nächtlich ein- bis zweimal untersucht

werden. Die erste Sorge der drei Kerle bestand
darin, eine Figur (äumm)0 zu verfertigen, dieselbe
mit einer Nachtmütze zu versehen und in die Hän-
gematte desjenigen zu lcgen, welcher sich bei der
Ärbeit befand. Dann handelte es sich darum, die
Ziegel um .ben Ventilator zu entfernen, was eine
sehr mühselige Operation gewesen sein muß, da das
Werkzeug schlecht und die Mauer dick und dazu noch
weiß angestrichen war, um die Entdeckung aller Ver-
suche solcher Art zu erleichtern. Die Sträflinge
wußten fich jedoch Rath. Sie ahmten drn Anstrich
nach, indem sie^aus dem weißen Stoffe, welchen
sie zur Reinigung ihrer Zinngefäße erhielten, eine
Eomposition Herstellten, welche dem weißen Kalk
glrch, und mit welcher sie Alles überstrichen, wenn
sie am Morgen die herausgenommenen Ziegel der
innern Mauer wieder an ihre Stelle gebracht hat-
t'en. Dies wurde mit solcher Geschicklichkeit und
Genauigkeit ansgeführt, daß man selbst, nachdem
die Leute fort waren, und jedermann sich wunderte,
wie das Entwischen möglich gewesen wäre, die Oeff-
nung nicht entdeckte. Sobald man den Keller er-
reicht hatte, arbeitete- man blos von 1—4 Uhr Mor-
gens. Jn diesem Keller befand sich ebenfalls ein

Ventilatop, welcher nach den Gefängnißplätzen
hinausführte. Dem Sträflinge, welcher an der
Entfernung der Ziegel um diesen Ventilator ar-
beitete, wurde eine Schnur M seine Taille befkstigt,
deren anderes Enhe die Gefflhrten in der Zelle

glaubtM sis, die Wache wolle dioZelle betreten,
so zogen sie an der Schnur, undderArbeiterkehrte '
sofyrt durch das engeLoch in dieZeflezurück,, brachte
Ventilator und Ziegel in Ordnuqg und befand
sich in einer Minute fn seiner Hängematte.

Endlich war Alles fertig, und^cn drei Sträflin-
gen, welche während des Tages Sdlhatenröcke ma-
chen mußten, war es gelunge», aUmälig drei solche
und eine große Quantität von Schnuren bei Seite
zu bringen, aus denen sie eine Dtrickleiter verfer-
tigten, die sie im KeUer verbargen. Dre erwählte
Zeit zur Flucht war zwischen halb 9 und 9, wo
die Leute nach ihr.en Zellen entlassen werden. Nach
9 Uhr befinden sich rings. um die Außcnmauern
Wachen; was, also gescheden sollte, mußte vor dieser
Stunde gcschehen oder gar nicht. Sie begaben sich
demnach nach ihrer Zelle, ließen die Hängematten
herab, und zwei legten ihre Puppen mit den Nacht--
 
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