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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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März
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N'.'; 7«.


Sonntag, 8«. Mäi,;


Badische« Lanblag.

Karlsruhe, 27. März. 27. öffentliche
Sitzung der II. Kammer. (Fortsetzung.)
Lamey von Karlsruhe: Ueber die Wichtigkeit
des Gesetzes sei keine verschiedene Ansicht,
fast Niemand im Lande bleibe davon unbe-
rührt. Man werde aber von ihm nicht er-
warten, daß er dafür der großh. Regierung
Dank ausspreche, aber dem Berichterstatter
müffe er seine Anerkennung zu erkennen geben
für den ausgezeichneten Ben'cht, welchen er
erstattet habe. Wenn man auch nicht mit
allen einzelnen Artikeln einverstanden sei, so
müffe man den Bericht doch unter die besten
rechnen, welche in diesem Hause erftattet
worden seien. Er müsse aber auch die Art
und Weise lvben, wie der vorliegende Gesetzes-^
entwurf im ganzen Lande aufgenommen wurde
und wie überhaupt die Gewerbefreiheit im
ganzen Lande gewürdigt werde; das ursppüng-
liche, natürliche, einfache Gesetz trete wieder
an uns heran. Redner erinnert daran, daß
^vor etwa 40 Iahren in diesem Saale die
Studienfreiheit votirt worven sei, denn vor
jener Zeit sollten Bauern- und Bürgersöhne
nicht studiren dürfen, wenn sie nicht „erorbi-
tant gescheidt" gewesen; die Gewerbefreiheit
gehe noch weiter, als die Studiensreiheit; ber
Studirende habe noch viele Prüfungen. abzu-
legen, die jungen Gewerbetveibenden Mache
man jetzt freü Das Zunftwesen habe eigent-
.lich einen förml'tchen Bdrufszwang hervorge-
rusen, denn die Vorbereitunqen zu einem Ge
werbe seien groß und bedürften langer Zeit
(Lehrlingszeit, Wanderjahre rc ), bei einem
Wechse! des Gewerbes müffe man lange Zeit
nochmals znr neuen Vorbereitung verwenden;
deshalb hätten auch Gewerbewechsel nur sel-
ten und auSnahmsweise stattgefunden, abge-
sehen von dem Capitale, welches mau bereits
in die erste Gewerbeanlage gesteckt hat. Daß
dieser Berufszwang durch das neue Gesetz
abgeschafft werde, das sei es, was ihn am
meisten zu diesem ziehe. Paravicini theilt die
Ansicht, die bereits von Frick über die Wahl
des Augenblicks der Einführung des Gesetzes
geäußert worden. Prestinari: Jn der deutschen
Geschichke hätten die Zünfte eine große Rolle
gespielt und mit Wehmuth müffe man die
letzten Reste derselben verschwinden sehen, allein
diese Zünfte hätten sich nun einmal überlebt
und er stimme deshalb für das Gesetz und
glaube, daß die'verschiedenen Befürchtungen
nicht in Erfüllung gehen werden, daß insbe-
ffondere die freie Concurrenz ausgehalten

werden könne. Es seien dies meistens vor-
übergehende Uebelstqnde,,ein bleibender Uebel-
stand vürfle aber im Gefolge der Auflösung
der,Zuüftverfaffung sein — die Gewerbsge-
nossen würden der Vereinigung entbehren und
auseinanderfallen; doch auch das sei nicht zu
ändern, denn der Gesetzgeber könne nichts
anderes thUn, als den Gewerbetreibenden
selbst überlaffen, Verbindungen herbeizuführen
und sie in solchen Bestrebungen unterstützen.
Nachdem noch Achenbach gesprochen und
namentlich den Abg. Schmitt wegen der
Armenversorgung zu beruhigen gesucht, Federer
der Regierung für das Gesetz unv die Art
und Weise der Vorbereitung deffelben gedankt
und Berichterstatter Knies dem Abg. Presti-
nari gegenüber Pie Erwartung ausgesprochen
hatte, daß durch das neue Gesetz das Zu-
sammenhalten der einzelnen Gewerbe, welchem
das Zunftwesen bisher entgegengeftanden, erst
recht krästig zu Tage treten werden, schließt
das Präsidium die allgemeine Discussion und
eröffnet sofort die spezielle Diskussiou unter
Art. 1. Die Debatte dreht sich um die
Frage, ob zum selbstständigen Gewerbebetrieb
das Volljährigkeitsalter mit 21 Iahren, wie
die Regierung will, oder das 24. Iahr,
worauf der Commissionsantrag geht, bestimmt
werben soll. Geheime Rath Weizel: Das
Landrecht setze das Alter der Verehelichung
auf 25 Iahre, das Bürgerrecht thue dasselbe
bezüglich, der Befähigung Zur Bürgerannahme.
Das Alter der Volljährigkeit sei nach dem
Landrechte auf das 21. Iahr festgesetzt. Es
handle sich nun um die Frage, ob man zum
Gewerbebetrieb das Volljährigkeitsalter ober
das Heiraths- und BÜrgerrechtsalter annehmen
solle? Beiden Ansichten ständen gewichtige
Gründe zur Seite. Die Negierung habe an-
fänglich auch das füufunvzwanzigste Iahr für
geeignet gehalten. Die Krage sei bekanntlich
genau geprüft worden uud auch die Presse
habe sie in atterkennenswerther Weise erörtert.
Wschtigss Einweudungen hätten sich gegen das
2o. Jahr erhoben. Nach reiflicher, eingehend-
ster Prüfung habe man sich für das 21. Iahr
entschieden. Die Commission des Hauses
wolle nun weder das 25. noch das 21., son-
dern das 24. Lebensjahr. Damit köune sich
die Regierung nicht, einverstanden erklären.
Nl'cht Sucht, an einmal Gegebenem festzu-
halten, souvern reifliche Erwägungen, die ge-
wonnene Ueberzeugung veranlaffen sie dazu.
In der Durchführung müffe die Bestimmung
des 24. und 25. Lebensjahres große Schwie-
rigkkiten hervorbringen. Der Äolljährige soll

sein erlerntes Gewerbe selbstständig betreiben
können; er sei vollberechtigt, über sein Ver-
mögen zu schasten und zu walten, er müsse
doch wohl auch das Recht haben, sich und
die Seinigen durch sein Gewerbe zu crnähren.
Wäre dieses nicht, so wäre er ja unter der
Gewerbefreiheit übler daran, als unter dem
Zunftzwange; der 21jährige Handelsmann
kann jetzt sein Gewerbe selbstständig betreiben,
unter dem neuen Gesetze, unter der Herrschaft
der Gewerbefreiheit müsse er dazu das 24. Iahr
abwarten; das würde dem Handelsstande
eine empfindliche Wunde beibringen und auch
allen nicht zünftigen Gewerben. Uebrigens
wird gewiß nicht jeder 21jährige gleich sein
Geschäft anfangen, es werde Vielen dazu
das angefallene Vermögen schlen^, haben sie
es aber, warum'sollen sie nicht anfangen
dürfen? oder haben fie keincs, warum sollen
sie nicht fremdes Kapital, das ihnen anver-
traut wird, benützen dürfen? Gegen die dritte
Classe, welche weder Vermögen, noch Ver-
trauen, noch Fleiß und Sparsamkeit besitzt,
sei der Commissionsantrag allein gerichtet,
allein zum Schutze des Publikums sei diese
Schranke nicht nöthig. Die Hauptfrage, ob
durch die Mittel der Commisston das erreicht
werde, was man erstreben woUe, müsse die
Regierung verneinen. Die Commission suche
Härten ihres 'Äntrages zu mildern, indem sie
Auönahmen von der Regel, gesetzliche und
administrative Dispensation, vor)chlage; solche
Dispensationen hinderren aber die einfache
und freie Bewegung im Gewerhewesen, mach-
ten viele Schreibereien unv verursachten Be-
lästigung des Gewcrbestandes. Die Regie-
rnng trage diese Nachtheile nicht gerne und
der Gewerbestand werde sie noch viel weni-
ger gerne sehen. Das seien formelle Beden-
ken, auch materielle tiegen vor., Redner be-
spricht solchc und beharrt auf der Ansicht dcs
Regierungs - Entwurfs. Küsel beantragt
Wiederherstellung des Regierungsentwurfs und
wird mehrfach unterstützt. Er führt aus,
daß die' Volljährigkeit wenig benützt werden
dürfte, der Einfluß der Eltern, Vermögens«
verhältniffe, die Lust zum Wandern rc. wür-
den Abneigung gegen die Uebernahme der
Äorgen des Geschästsbetriebs hervorrufen.

Gschrey ift für den Commissionsantrag aus
den Gründen des Berichts. Fingado ist eden-
falls für dcn Commissionsantrag, denn die
Gründe der Regierungsbank hätten ihn nicht
anders belehrt. Der selbstständige Gewerbe-
betrieb verlange Kenntniffe, Ausbildung im
Geschäfte, Festigkeit des Charakters, reiche

Frühliiigöuiahmmg.

Lieb Mütterlein! laß uns zum Busche gehen ,

Wo die duftenden zarten Veilchen stehen,

Will sehen, ob die Knospen sich alle erschließen
Und denFrühling, den wonnigen, froh begrüßen.

Deß freut sich die Mutter an ihrem Kind
Daß cs an den Blümchen Gefallen find't,

Mein Mädchen, merk auf, was ich dtr will sagen,
Sollst es wohl geborgen im Sinne tragen.

Wie das VeUchen still verborgew blüht
So seie der Einfachheit stets bemüht
Ein eitler Sinn und stolzes Begehren
Kann nimmer im Leben fich gut bewLhren.

Die Rose nnd Tulpe, sie prangt wohl schön,

Doch wenn sie die stürmischen Lüfte umwehn
Da sinkt oft Blatt um Blatt hinab^

Und die Schönheit, die stolze, sie fand ihr Grab.

Zum Veilchen, voll Demuth im Grase gebückt,
Manch freundliches Auge herniederblickt;

Lieb Sträußchen! verweht auch detn süßer Duft,
Bereitet man dir zwischen Blätter bie Gruft.

Da ruhst viele Jahr, wie im Sarge gebannt,
Wenn zu Staub schon verfallen die pflückende Händ,
Des Bescheid'nen Andenken wird noch bestehen
Wenn ihm längst um den Hügel die Abendwind wehen.

_, ' Ä. D.

Das Sechseiäute« in Zürich.

(Schluß,)

ZumZetch-n, daß „die Rarrheit fti allcinig Trumpf"
cröffnktkn den Zug der Alten eine Avantgarde von
Narren aller Sorten zum Theil in sehr reicher Klei-
dung auf p'rächtigen Rossen. Die erfte Figur in
einem Wagen war „ein großer Unbekannter, der
Prinz Zncognito", begleitct von einer Sckaar Ge-
trcuen zu Pferd, ihnen folgten die weltberühmten
Witztrabanten Master Vorwärts und Crinolinde,
Blanmaier und.Frau Nanni, Wühlhuber und Heul-
maier, Eiscle und Beisele rc. in täuschend ähnlichen
Copien vderOriginalen, wie man will. Die schwei-i
zerische und europäische Politik wagtc man nicht
hineinzuzieben. Von Napoleon, der so viel Aulaß

gab, war keine Nede, auch Kurhessen rc. wurden
verschont, dagegen mußten dann die weit entfernten

repräsentirt durch den glänzenden Generalstab
des Generals Scott, eines dicken, phlegmati-
schen, gutmüthigen Alten in, Gestalt eines bekann-
ten Lohnkutschcrs, dann das Sternenbanner, die
HH. Wilkes, Mason, Slidcll, See-, Landtruppen
und Freiwillige in kostlichen Aufzügen. Die Son-
derbündler, bestehend aus Soldaten, Pöbel, Pflan-
zern, Negermusik, führten eine ganze Baumwollen-
plantage mit und bombardirten das Publikum mit
ihren Producten. Auch etn Gefangener wurde,
rücklings auf ein Pferd gebundcn, mitgeschleppt.
Das Programm frcut sich, daß die Züricherschen
„Baumwollenen" besscr tractirt werden, als die
amerikänischen. Ein köstliches Bild bot der Mutz
und die Tigurina, welch letztere ihren Spinnrocken
nur mit Mühe vor den gefährlichen Umarwungen
ihres Nachbars rettete. (Änspielung auf die Berner
Eisenbahnpolitik). Großcs Gelächter erregte das
Lycomobile, welches bekanntlich vor einiger Zeit
Zürich burchrauchte, aber den Straßenkrümmungen
nicht zu folgen yermochte. Das der Polizei vor-
 
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