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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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Kideltmger Iritlmg.

N 12«


Freitag, 23. Mai


Badischer Landtag.

Karlsruhe, 20. Mai. 51. öffentl. Sitznng
der Lt. Kammer. Vorsitz.: Hildebrandt.
Am RegierungStische: die Geh. Räthe La-
mey und Vogelmann und die Geh. Nefe-
rendäre v. Böckh und Cron. Dxuckfertige
Berichte zeigen an: Schaaff und KrauS-
mann. Die Kammer schreitet zur Berathung
des Berichts des Abg. Thoma über das
Budget des Finaiizministeriums und jenen
über Münzverwaltung, allgemeine Kaffenver-
waltung und Eigentlichen Staatsaufwand des
Finanzministeriums. Bei Titel „Münzver-
rvaltung" stellt Artaria an die Regierung
eine Anfrage bezüglich des Feingehaltes der
österreichischen Ein- und Zwei-Guldenstücke.
Geh. Rath Vogelmann erwidert, daß dsw
Zweifel' an dem Feingehalte dieser österrcichi-
schen Guldenstücke durchaus nicht begründet
sei; Prcußen habe sich zwar gegen einige süd-
deulsche Münzen rügend erklärt, nicht aber
gegen die österreichischen Gulden; im Gegen-
theil, einige Regiernngen haben bei der freien
Stadt Frankfurt den Antrag gestellt, diesen
Stücken Aufnahme zu gewähren. Auf Pa-
ravicini's Anfrage bezüglich der österr.
Sechser erklärt Geh. Rath Vogelmann,
daß die Münzgesetze nicht gestatten, daß die
großh. Kassen die österr. Sechser annehmen,
deren gegenwärtiges großes Zuströmen im
Augenblick aufhören werde, da Oefterreichs
Geldverhältnisse geordnet sein werden. Die
Regierung habe übrigens mit einer bcnach-
barten Regierung verhandelt, aber die Maß-
regeln, welche man etwa in Anwendung brin-
gen könnte, seien mit verschiedenen Schwie-
rigkeiten verbunden und noch schwieriger sei
die Einsammlung dieser Sechser zum Schmelz-
werthe. Iene mit der Jahreszahl von 1848
hätten einen Silberwerth von 6 kr., jene von
1849 einen solchen von 5 kr. Die Frage
sei Gegenstand gemeinschaftlicher Verhandlung
der südbentschen Negierungen. Moll wünscht,
tzaß das Marksystem in Deutschand zur Gel-
tung komme. Regenauer gibt geschichtli-
che Notizen über die süddeutschen Münzver-
hältnisse; bereits seien tiefgreifende Reformen
erfolgt, welche sich als praktisch bewährt hät-
ten. Jn Bezug auf den Großverkehr hätten
wir Münzeinheit, nicht aber im Einzelver-
kehr, nicht die süddeulschen Staaten mit Oe-
sterreich oder mit den nordischen Staaten.
Wenn man vollständige Einheit schaffen wolle,
so müßten die süddeutschen Staaten ihr Sy-
stem aufgeben und zum österr. Gulden oder
zur Mark übergehen. Der österr. Münzfpß
habe alle Vorzüge der Mark, aber freilich
auch dessen Bedenken; übrigens hätten Oe-
sterreich und die Mark-Staaten vollständige
Münzeinheit. Wir seien aber an Gulden ge-
wöhnt, Oesterreich habe Gulden, und aus
diesem Grunde werde man dem österr. Münzsy-
stem den Vorzug geben müssen: vorerst sei aber
der Zeitpuukt zum Uebergang noch nicht ge-
kommen, der jedenfalls schwierig und koftspie-
lig sein werbe.

Knies: Jn Süddeutschland könne man
bei dem gegenwärtigen Systeme nicht ver-
bleiben, gleichviel ob man jetzt zu dem öster-
reichischen Gulden oder zum Marksysteme über-
gehen wolle. Er ziehe letzteres dem ersteren
vor. Nachdem noch Geh. Nath Vogelmann,
Artaria und Hoffmeister gesprochcn, wird der
Gegenstanb verlassen. Der Antrag der Com-
mission: die Einnahmen der Münzverwaltung
für 1862 und 1863 mit jährlichen 822.069
fl. nnd die Ausgaben für diese Perrad.e mit
jährlichen 865,-484 fl. zu genehmigen, wird
angenommen. Tit. VIII. Allgem. Kassenver-
Waltung. Antrag: die Einnahmen mit 33,315

fl. und die Ausgaben mit 71,453 fl. zu ge-
nehmigen. Angenommen. Tjt. IX. Eigent-
licher Staatsaufwand des Finanzmrm'steriums.
Antrag: die Ausgaben für 1862 mit 2,028,704
fl. und für 1863 mit 24)04,301 fl. zu be-
willigen. Angenommen. Bei Pos. „Ober-
rkchuungskammer" macht Knies bezüglich der
Art der Verwendung von Ersparnissen einige
Bemerkungen und Schaaf wiederholt den
frühern Wunsch, daß der Präsident der Ober-
rechnun.qSkammer Sitz und Stimme habe im
Staatsministerium. Nachdem die Kammer
die Rechnungsnachweisungen der Badanstalten-
verwaltung für 1860 uud 1861 genehmigt
hatte, eröffnete das Präsidium die Berathung
über den Bericht des Abg. W enz.ller über
den Gesetzesentwurf, das Bndget der Badan-
stalten-Verwaltung für 1062 und 1863 betr.

Unter den Ernnahmen der Bädanstalten-
Verwaltung bildet der Pachtzins' des Spiel-
pächters zu Baden mit 127,400 fl. die Haupt-
position. Die Commission hat daher, ehe sie
zur Prüfung der einzelnen Positionen über-
ging, sich zuerst die Frage vorge'egt, wie lange
d/ese Einnahmsquelle noch offen zu erhalten
sein werde. Nach dem 1853 abgeschlossenen
Vertrage endet der Pacht am 31. Dezember
1870. Dabei steht vom Anfang des Iahres
1863 an jedem Theile die Apfkündiguug frei.
Sie muß jedoch vor Ablauf des Monats Ia-
nuar desjenigen Iahres erfolgen-, mit dessen
Ende der Pacht aufhören soll. Die Minori-
rät -der Commission sah sich veranlaßt, den
Antrag zu stellen: „Die Kammer möge den
Wunsch zu Protokoll erklären, daß die großh.
Regierung dem verderblichen Institut des Ha-
zarbspieles zu Baden bald möglichst ein Ende
mache und den Pacht im Januar 1863 kün-
dige". Die Majorität der Commission jedoch
möchte, wenn auch von den gleichen Antipa-
thien gegen das vom Staate concessionirte Ha-
zardspiel im Grundsatz durchdrungen, der
großh. Regierung in Beziehung auf die Fokt-
dauer des Spiels jnnerhalb des Zeitraumes
von 1863 bis 1870, in welchem Jahrc der
Pacht ohnehin erlischt und jedenfalls alsdann
unter keinen Urnsiänden erneuert werden sollte,
freie Hand laffen, indem doch gerade die
Frage der Entschädigung nach den genannten
Bestimmungen der §§. 17 und 26, so wie
das Jntereffe der Stadt Baden vielleicht ein
Hinausschieben des Spielpqchtes auf einige
Iahro unter Umftänden wohl begründen dürfte.

Knies: Wenn cr sich je Beredsamkeit ge-
wünscht habe, so sei es heute, obgleich man
sage, die Sache sei eine delikate, man solle
nicht davon laut sprechen. Er erkläre sich für
den Minoritätsantrag und bitte die Kammer,
die Sache in dieser Stunde- noch recht zu
überlegen. In der Regierungsvorlage findk
man leider nichts über die Aufhebung des
Spieles; es habe dies einigermaßen über-
rascht; aber die Negierung habe wohl ge-
dacht, cs handle sich um eine Einnahme und
eö sei Sache der Stände, hier hie Initiqtive
zu ergreisen. Er sei ein entschiedener Freund
der jetzigen Negierung, aber gerade deshalb
glaube er ihr heute entgegentreten zu müffen.
Die Commission sage, im Grunbsatze sei sie
gegen,das concessionirte Hazardspiel, sie bringe
aber gleich ein „aber" und übevlaffe es der
Regierung, die Zeit des Aufhörens zu bestim-
men. In 8 Iahren aber soll dies vielleicht
erst gcschehen. Wer aber habe da wohl zu
bestimmen? Man dürfe nicht vertrauungsvoll
dies bis 1870 der Negierung überlaffen. Der
Staat sei von der Gemeinschädlichkeit des Ha-
zardspieles überzeugt und verbiete es deshalb;
hier aber erlaube er es und concessionire es
noch. Däs sei ein Widerspruch, dessen Auf-
HPren die Ehre des Staats, der Regierung

und der Stände verlange. Man habe Ret-
tungsanstalten für verwahrloste Kinder, die
Spielbank aber sei eine Verwahrlosungsan-
stalt für gerettete Kinder. Nedner bespricht
die dämonischen Reize des Spiels, dessen üble
Folgen und erinnert an Selbstmdrde und
andere Verbrechen. Man fage freilich, es
liege in Iedermanns freiem Willen, ob er
spielen wolle oder nicht, allein das sei auch
bei andern Lastern der Fall und man könne
bei diesem Grundsatze niemals einen Anstifter
.zum Verbrechen strafen. Es sei unwahr, daß
nur reiche Leute spielen. Fürst von Solms
habe gegen das Spiel in Homburg gesprochen
nnd diesmal werde es in der badischen Kam-
mer mehr als einen Freiherrn v. Andlaw ge-
ben, der schon vor Jahrzehnten die Spielbank
abschäffen wollte. Man sage, dadurch würde
die Stadt Baden ruinirt; er glaube auch, daß
die Summe der Badgäste etwas abnehmen
werde, aber Hunderte von Gästen spielten gar
nicht; nur professionirte Spieler würden weg-
bleiben und das sei kein Schaden.- Andere
spielten, weil gerade die Gelegenheit da sei,
sie würden es aber auch ünterlassen, wäre
dies nicht der Fall. Redner bespricht die Ver-
suchuug der Jugend und kommt auf den Ein-
wand zu reden, man müsse.vorerst eine ge-
meinsame Bundesmaßregel gegen das Spiel
abwarten. Aber sonst hätten doch >die bad.
Stände und die bad. Regierung auch nicht
darauf gewartet. Die Kammern in Hanno-
ver und Nassau hätten die Aufhebung der
Spi'elbanken beschlossen. Die badische Kam-
mer solle nicht zurückbleiben und den Minori-
tätsantrag annehmen.

Der Antrag der Minorität wurde mit allen
gegeu 15 Stimmen verworfen u. Kirsners
Antrag angenommen, welcher dahin lautet:
die Regierung wolle mit allen ihr zu Gebote
stehendeu Mitteln dahin wirken, daß die öf-
fentlichen Hazardspiele in ganz Deutschland
baldmöglichst aufgehoben werden, sie solle den
Spielpacht im Iahr 1870 nicht erNeuerü, son-
dern vom Kündigungsrecht Gebrauch machen,'
sobald Fürsorge für die Stadt Baden getrof-
fen sei.

(Fortsetzung folgt.)

^ Karlsruhe, 21. Mak. Nach dem
nnnmehr gedruckten Commissionsberrcht der
zweiten Kammer über das Einführungsgesetz
zum allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch,
erstattet vom Abgeordneten Kusel, stellt die
Commission den Antrag,, die Kammer wolle
den Wunsch aussprechen: 1. die großh. Ne-
gierung wolle, wie bisher, allen ihren Ein-
fluß in der Nichtung geltend machen, daß die
Gründungeinereinheitlichen Gewalt mitVolks-
vertretung, auch für den Iweck der gemein-
samen deutschen Gesetzgebung endlich zur Wahr-
heit werde; 2. grvßherzogl. Negierung möge
sowohl bei der am Bundestage beantragten
Derathung einer deutschen Civilprozeßordnung,
sowie bei allen ähnlichen künftigen Vorschla-
gen sich nicht weiter als zmn Zwccke wissen-
schaftlichcr Vorarheiten betheiligen, und in Be-
zug auf Einführung neuer Gesetze auf dem
seitherigen Wege nicht nur keinerlei Verpflich-
tung eingehen, vielmehr ausdrückUch dagegen
sich verwahren.

Weiter beantragt die Commission den Wunsch
zu Protokoll, die Negierung möge dahin wir-
ken, daß für Wechsel- und Handelssachen 1.
ein gemeinschaftlicher höchster Gerichtshof für
ganz Deutschland errichtet werde; 2. die
gegenseitige Vollstreckbarkeit der Urtheile der
Handelsgerichte im Wege des Vertrags unter
sämmtlichen oder mindestens einzelnen Regie-
rungen durchgesührt werde.
 
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