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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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Mittiooch, 28. Mai


* Politische Umschau.

Die Ankunft des Großherzogs von Baden
in Berlin wird zu Anfang des nächsten Mo-
nats erwartet; er soll hier mit dem Herzog
von Coburg und wie man sagt, anch mit dem
Fürsten von Hohenzollern zusam'mentreffen.

Die Untersuchung gegen die Nichter des
Jnsterburger Departements ist im Gange. Auf
Requisttion der Königsberger Staatsanwalt-
schaft verlangte die dortige Polizei von dem
Verleger und Nedacteur der „Kön. Hart. Ztg."
die Herausgabe des Originalmanuscripts ves
Protestes. Der Redacteur weigerte sich, wo-
rauf Haussuchungen stattfanden, wobei die
Polizei das Manuscript in der Druckerei ent-
deckte.

Dec Kaiser Napoleon soll mit Bewunde-
ruug von dem kleinen Kurhessen sprecheu
und die Aeußerung gethan haben, daß eiue
Neaction in Europa unmöglich sei, wenn ganz
Deutschland aus Heffen-Kaffelern bestände,
uud Hr. Guizot soll in einem politischen L>a«
lon erklärt haben, daß nach seiner Meinung
das kleine Fürstenthum durch seine heldenmü-
thige Ausdauer Deutschland rette.

Einem Schreiben aus Nom zufolge hat ein
Brief des Msgr. Chigi, Nuntius in Paris,
ven päpstlichen Hof in große Bestürzung ver-
setzt. Man rathe dem Papst, bei ver An-
naherung der italienischen Truppen Rom zu
verlaffen und sich nach Spanien oder Oester-
reich zu begeben.

Garibaldi hat folgenden Prolest aus
Trescorre vom 15. Mai veröffentlicht: „Pro-
test. Ich kenne noch nicht die Zahl der beim
Blutbad von BreScia Getödteten und Ver-
wundeten. Jch weiß nur, daß es tydte Kna-
ben und verwundete Knaben und Frauen gab.
Italienischer Soldat! Zch kann es nicht glau-
ben, daß italienische Soldaten Kinder unv
Frauen haben umbringen und vcrwunven kön-
ncn. Die Mörder müssen als Solbatcn ver-
kleidete Schergen gewesen sein. Und wer das
Blutbad befahl, oh! ich würde ihn zum Hen-
ker vorschlagen. Den Brescianern würde ich
vorschlagen, dem russischen Offizier Popoff
ein Monument zu errichten, der seinen Säbel
zerbrach, als man ihm befahl, auf das unbe-
waffnete Volk von Warschau zu feuern.

Die Schützengesellfchaft- in Mailand hat be-
schlossen, auf ihre Kosten eine Deputation zum
Franksurter Schützenfest zu senben, um sie dort
zu vertreten. Garibaldi wird als Präsident
die Deputation beauftragen, dem deutschen
Schützenverein in Frankfurt eine Adreffe zu

überreichen. Dies wurde heute der hiesigen
Bevölkerung durch Plakat bekannt gemacht.

Aus der englischen Bank wurden gestern
700,000 Sovereigns gezogen, um auf Nech-
nung des türkischen Anlehens nach Konstan-
tinopel geschickt zu werden. Es ist dies die
größte Geldsumme, die jemals an einem Tage
zu auswärtigen Zwecken die Bank verließ.

Wie die „Bayerische Zeitung" meldet, fand
vorgestern die Auswechselung der Natisications-
urkunden von den zwischen Bayern und Ba-
den .abgeschlossenen Staatsverlrägen wegen
Baues einer Eisenbahn von Würzburg nach
Heidelberg, Herstellung der Nheinbrücke zwi-
schen Ludwigshafen und Mannheim, dann
einer Eisenbahnverbindung zwischen Winden
und Karlsruhe mit einer Trgjectanstalt über
den Rhein bei Marimiliansau, endlich einer
Verbindung zwischen Germersheim und Bruch-
sal statt.

Der neue Handelsvertrag Oesterreichs mit
der Pforte ist unterzeichnet worden.

Der „Times" zufolge ist an ein Londoner
Handelshaus eine telegraphische Nachricht aus
Amerika gelangt, des Inhalts: „Die süd-
staatliche Armee in Virginien ist geschlagen
und umringt." Die Nachricht soll schon Don-
nerstags per „Bremen" angekommen und bis-
her keinem Blatte mitgetheilt.. worden sein.
Sie lasse sich nicht verbürgen, sagt die „Ti-
mes", aber die Firma, die das Telegramm
erhielt, sei höchsi achtbar.

Die Familie des kurhessischen Gesandten
am Berliner Hofe, Hrn. v. Baumbach, ist
diesem noch nicht nachgefolgt.

Der preuß. Landwehr-Lieutenant Schön-
feld ist vom Dienste suspendirt, weil er bei
der Fichte-Feier in Minden eine demokratische
Rebe gehalten hat.

Die -,Patrie" enthält einen Artikel über
die merikanische Erpedition, in welchem sie
auf die Vorwürfe antwortet, Frankreich sei
der Convention von London nicht nachgekom-
men. Die „Patrie" sagt: Spanien verletzte
schon die Convention, indem es Vera-Cruz
allein nahm. General Prim allein sei den
Verpflichtungen des Vertrags nicht nachge-
kommen. Aber jetzt ziehe sich Spanien zu-
rück, während Frankreich bleibe. Ganz beson-
ders schmerzt es die „Patrie", baß die Allianz
mit Spanien durch die bloße Verwegenheit
des Generals ohne bie Zustimmung der Ne-
gierung gebrochen werden könne, daß eine so
folgenschwere Entscheidung getroffen wurde,
ohne vorher die Regierung consultirt zu ha-
ben oder, daß die Regierung sie desavouire.

Jn Frankreich würde dieser General vor ein
Kriegsgericht gestellt worden seim Die „Pa-
trie" fügt hinzu: Frankreich wolle Spanien
nicht mit Gewalt in seine Pölitik hineinziehen,
welche das größte Intereffe habe, die Erpe-
dition zu einem guten Ende zu führen. Der
Kaiser habe Verstärkungen nach Meriko ge-
schickt und eine persönlichere Stellung in der
Sache genommen, seitdem er aus verschiedenen
Symptomen entnommen, daß Prim eine an-
dere Politik befolge, als die der Convention
von London. Die cnglische Rcgierung habe
sich nicht als einen bessern Alliirten gezeigt
wie Spanten. Frankreich hätte ein Necht ge-
habt, Befferes zu erwarten; England habe
jedoch vom Anfang an erklärt, es werde nicht
weiter gehen, als Vera-Cruz. Die „Patrie"
schließt, invem sie die Hoffnung ausdrückt, die
Franzosen würden mit dem Nuhme zurückkeh-
ren, ganz allein die Interessen der europäi-
schen Staaten vertheidigt zu haben. -
Ein amtlicher Bericht des Generals Mac
Clellan aus Williamsburg vom 9. sagt:
„Jch habe mich mit Franklins Skreitmacht
Vereinigt, und der Zustand der Trnppen ist
vortrefflich. Dcr unionistische gepanzerte Dam-
pfer Galena gerieth auf dem Iamesfluß, ein
wenig oberhalb Iorktown, auf den Grund,
wie man glanbt, nicht gefährlich. Die große
Maffe der Nebellen ist über den Iam.esfluß
zurückgewichen. Den Ncbcllen in Williams-
burg fehlte es sehr an Mundvorrath. Viele
gefangene Soldaten hatten seit 48 Stunden
nichtS als Zwieback gekoftet und waren sehr
erschöpft".

, Die Berliner„Reform" schreibt: Es taucht
in verstärkter Weise das Gerücht auf, daß es
zu einem Bündniß Preußens mit Frankreich
und Nußländ kommen werde. Ein solches ent-
spricht allerdings dem von Herrn v. Bismarck
entworfenen Systeme> und wenn er jetzt als
Gesandter nach Paris geht, kann man darauf
rechneu, baß er ein solches Bündniß mit Louis
Napoleon zrr Stande bringt, nachdem er in
Petersburg den Kaiser Alcrander dafür ge-
wonnen hat. Sobald es zur Action kommt,
würde ^r als „Antragsteller" natürlich auch
die Ausführung desselben übernehmen.

Im Herrenhause ist von Hcrrn Hasselbach
der Antrag eingegangen, das Haus wolle be-
schließen: die Erklärung abzugeben, daß es
die gegenwärtige Sitzungsperiode als eine neue
ansieht, und eine Continuität mit der durch
die Allerhöchste Cabinets-Ordre vom 11. März
c. beendigten nicht annimmt.

Was die Menschen mit ihrem Kopfe
vorgenommen haben.

(Fortsetzung.)

Die Modedamen flochten ihr langes schwarzes
Haar sehr zicrlich oder legten es in Wülste, wie es
zur Zcit der Po mpadour in Europa Sitte war und jetzt
wieder Nachahmung findet, da das aufgestaufte Haar
zum Reifrock paßt, und ließen die Enden in Locken
auf die Schultern fallen. Die Nococozcit Euro-
pa's characterisirt sich auch hier als Abklatsch des
ChinescnthumS.

Eine neue Periode erlebt das Kopf- und Bart-
haar im alten Oricnt, in Griechenland und Rom,
da mack es nicht nur täglich kämmte und deshalb
stets cinen Kamm bei sich führte, sondern es auch
lockte, parfümirte und salbte. Da wurden die Kräu-
ter der Erde durchmustert, ob sie Salben und Par-
fümerien liefern konnten. Aus Ostindien u. Afrika
holte man Narden und Haaröle, es begann der
Lurus mit Salbenbüchsen, Pomaden, Rosenwasser
und die Haarkünstlcr wurdcn wichtige Personcn.
Barbierstuben vertrrten die Stelle unsercr Kaffee-
unv Wirthshäuscr, denn dort crfuhr man Neuig-
keiten und kannegicßerte tapfer über Staatsange-

legenheiten. Perser führen stets einen Bartspiegel
bci sich, Mekkapilger müssen einen vollen Bart tra-
gen und bei den Hebräern war schpn das Abschnei-
den des Bartes die größte Beschimpfung, es ver-
trat unser Ausstellen am Pranger und unsere Stcck-
briefe. Haarnadeln, Locken, allerlei Frisuren, Zöpfe,
Haarnetze, Perlenschnüre im Hqar und anderer
Lurus waren damals bereits bekannt, Römerinnen
trugerz PeVÜcken vom goldgelben und rothen Haar
der Germanen; bei Weingelagen bekränzte man
das Haar mit Nosen und es waren bereits eine
Menge Toiletrenkünste bekannt. Dabei wcchselten
aber bartlose und bärtige Zeitperioden und die
Barbiere besorgten zugleich daS Verschneiden und
Putzen der Nägel. Je mehr in Rom die Freiheit
abnahm, desto länger ließ man Haar und Bart
wachsen, um in den unmännlichen Zeiten doch männ-
liche Abzeichen zu bewahren.

Die wechselvollsten Schicksale hat aber die Haar-
cultur im christlichen Europa durchlebt: so vielsci-
tig war Form und Mode der Haartracht, und da-
nebeN hatte noch jedes Jahrhundert seine allgemeine
Haartracht. Die Germanen betrachteten ein langes
Haar als Zeichen des freien ManneS; wer sich

daher als Sclave verkaufte, ließ sich das Haar ab-
schneiden. Die Franken trugen kurzvkrschnitteneö
Haar, denn langes Haar galt als Abzeichen könig-
licher Würde. Als man dann anfing, römische
Einrichtungen nachzuahmen, schor man sich den
Bart und trug kurzes Haar, wie dies z. B. zu den
Zeitcn der Kreuzzüge allgemeine Sitte war; hatte
doch selbst Earl der Große nur cincn mäßigen
Schnurrbart beibehalten. Als sich aber bie No-
mantik des Mittelalters entwickelte, nahmen die
Frauen das Lockenhaar oder lange Zöpfe an, die
Männer langes Haar und den Vollbart, wenn auch
mit verschiedenem SchNitt, doch war dem Bauer
nur kurzes Haar erlaubt. Gegcn Ende des Mit-
telaltcrs kommt der Kncbelbart auf^ und Hand-
werker wie'Nitter erschienen auch mit glattem Ge-
sicht und langen Locken. Jn den stürmischcn Zei-
ten der Reformation kommt der ftarke Vollbart
und oas mäßig vcrschnittene Kopfhaar wiedcr in
die Mode, selbst bei Geistlichen. Jm drcißigjäh-
rigen Krieg schrumpft dcr Bart zum Spitzbart zu-
sammen und verschwindet ganz, so wie die Pcrrücke,
Puder und Zopf die Herrschaft französischer Un-
natur bezcichnen. Die Perrücken wurden erst vom
 
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