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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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April
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Htidelberger Ieililng


Bestellungen auf die Heidel-
berger ZeitUNg für das zweite Quartal
werden svwohl bei allen Großh. Postämtern,
als auch für hier bei >der Erpedition d. Ztg.
angenommen.

2 Das Turnen.

Cs ist der Zweck dieser Zeilen nicht, die
hohe Bedeutung und den Werth des Turn-
nnterrichtes als N ational - Bildungs-
mittel näher darznlegen; denu diejenigen
Männer des Volkes, welchen eine
wahrhaft gediegene und allseitige Ausbildung
der Iugend am Herzen liegt, haben bie Wich-
tigkeit dieses Lehrgegenstandes schou längst
anerkannt. Schou Plato wies auf die hohe
Bedeutung der körperlichen Uebungen hin und
waren ja diese Uebungen bei den Alten im
hvchsten Grade gewürdiget.

Rousseau sagt: „Ie schwächer der Leib
ist, desto mehr gebietet er, je ftärker er ist,
desto besser gehorcht er." Salzmann: „Bei
ungesunden Kindern mißlingt alle Erziehung."
Stolberg: „Jmmer ging das Streben der
Alten dahin, gesunde Harmonie im ganzen
Menschen zu erhalten, jene Harmonie des
Geistes und des Leibes, welcher sie die Musik
und die Gymnastik zu Wächtern gesetzt."

In gleichem Sinne sprechen sich Sailer,
Basedow, Hochheimer, Luther u. Andere aus.
Hören wir nur noch, was der große Refor-
mator darüber sagt: „Darum ist auch sehr
wohl bedacht und geordnet, daß sich junge
Leute üben und etwas Ehrliches uud Nützliches
vorhaben, damit sie nicht in Schwelgen, Un-
zucht, Saufen und Spielen gerathen, dero-
halben gefallen diese zwo Uebungen und
Kurzweile am Allerbesten, ncmlich die Musica
und Ritterspiel oder Leibesübungen mit Fechten,
Ringen, Laufen, Springcn rc., von welchen das
erste die Sorgen des Herzens und die trau-
rigen Gedanken vertreibt, das andere macht
feine,. geschicktr starke Gliedmaßen am Leibe
und erhält ihn sonderlich bei Gesundheit.
Die endliche Ursache ist äuch, daß man nicht
auf Unzucht und Spielen gcrathe, wie man
jetzt leider sieht in den Stadten und an deu
Höfen. Also geht's, wenn man solche ehrbare
Uebungen und Ritterübungen verachtet und
nachläßt. Zu geschweigen, daß uns Deutschen
zu dieser Zeit wahrlich hoch vonnöthen ist,
zum Heer und Streit tüchtig und allezeit
bcreit zu sein. Denn es sollen ja unsre
Iungen Land und Leut vertheidigen und

Gin Slückchen vom alten Blücher.

Zu Anfang der zwanziger Iahre lebte in einem
kleinen htnterpommerischen Städtchen ein alter grau-
bärtiger Invalide. Derselbe ha^te noch die beiden
letzten Iahre des siebenjährigen Krieges in dem
vom Bellingschen Husaren-Regiment mitgemacht und
war nach dem Hubertsburger Frieden lange Zeit
bci dem damaligcn Rittmeister von Blücher Reit-
knccht gewesen. Der alte Husar war, als ihn der
Verfasser dieser Mittheilung kennen lernte, bereits
ein hoher Siebenziger, obwohl er sich, wenn er bei
festlichen Gelegenheiten tn seiner rothen Regiments-
Uniform erschien, so gerade hielt, wie cin junger
Lieutenant, der seine nagelneuen Epauletten zum
ersten Male durch die Straßen der G-rnison spa-
zicren führt. Bsim Ausbruch dtr Freiheitskriege
hatte er sich zum Wiedereintritt bei seinem alten
Regiment gemeldet, war aber in Berücksichtigung
seines hohen Alters abgewiesen worden.

Zu jener Zeit, von der -vir reden, hatte die Re-
action in Deutschland bereits den vollständigsten
Sieg errungen, und die renommirtesten Handlanger
derselben, die Kamptz und Schuckmann, die Witt-

Donnerstag, I« April


L8«2.

Kriegsleute sein; dieselbigen sollen junge
Leute auf sich nehmen. Sie gerathen auch
in den Krieg oder Streit wohl, wenn Gott
semeu Segen dazu gibt; derselbige will also,
daß die Iüngeren Land und Leut beschützen
unv vertheidigen; es hießen daher auch Ritter
oder Reuter die, so ihre Leutlein aus Liebe
errettet haben,. und wcrden also bei ihrem
Namen, ihres Standes, Amtes und Tugend
ermahnt. Derohalben müffen unsre Iungen
ernst und streng auferzogen werden, nicht
tändelnd und spielend wie Etliche thun. Sie
sollen frühzeitig lernen und entbehren, die
Arbeit lieben, Beschwerden ertragen, und keine
Anstrengung scheuen; denn sie müssen hinaus
in das. Leben und hinfort auch in den Krieg
ziehen — da ist aber eitel Arbeit uud viel
Drangsal zu erdulden. Die Tugenden, in
welchen wir unsre Jugend ausrüsten sollen,
sind vornehmlich Gottesfurcht, Arbeitsamkeit,
Vaterlandsliebe, Mäßigung, Muth und De-
muth. Mit solchen Waffen sind sie zu jeg«
lichem Kampfe wohl gerüstet, denn sie haben
eine gesunde Seele in einem gesuuden Leib."

So sprach man schon vor Hunderten von
Iahren. Leider hat man den Werth der
tüchtigen körperlichen Ausbildung in unserm
Iahrhundert weniger als damals beachtet;
man vernachlässigte diesen wichtigen Thei!
des Unterrichtes, und berücksichtigte blos die
geistige Ausbildung.

Bald fühlte man diesen Mißstand und edle
und um die Erziehung des Volkes verdienst-
volle Männer boten Alles auf, demselben
nachhaltig abzuhelfen. Iahn ist das Ver-
dicnst zuzuschreiben, das Turnen in einer be-
drängten Zeit unseres Vaterlandes begründet
zu haben; er ist zwar der Erfinder der neuern
Leibesübungen nicht; allein er hat die Jugend
Brandenburgs in Leibesübuugen unterwiesen
und dadurch den Anstoß gegeben, die Turn-
kunst in den Kreis der Volkserziehungsmittel
aufzunehmen. Den größeren Aufschwung
nahm das Turnen in den 40er Iahren und
nur Finstcrlinge und Reactionärs erblickten
darin Dinge, die ein Volkssreund nie erblicken
konnte. Ihnen gelang es, die Sache etwas
aufzuhalten und Regierungen zu bestimmen,
dem Gegenstand die nothwendige Beachtung
zu versageu. Man begnügte sich das Turnen
den höhern und niedern Schulen zu empfehlen;
allein eine durchgreifende und nothwendige
obligatorische Einführung des Turnens in
allen Schulanstalten blieb stets eine Sache
des Wünschens. In den jüngsten Iahren erst
haben einzelne veutsche Regierungen allen

genstein und Schmalz fühlten sich berufen, auch in
Preußen durch ein Hagelwetter von Gefetzen und
Verordnungen den durch die Freiheitskricge geweck-
ten Geist, cben jenen Geist, welcher einzig und al-
lein das Vaterland gerettet Hatte, nicderzuschlagen
und das zum Bewußtsein gekommene öffentliche Le-
ben wieder versumpfen zu laffen.

Aber die Skaldenklänge Moritz Arndt's, Theodor
Kerner's und Mar Eichendorf's rauschten noch in
der Brust dcs Volkes, und die Furien der Schlach-
ten, die todestrunkenen Ritter des eisernen Kreuzes
wandelten noch als thatkräftige Männer, als Blut-
zeugen der Freiheit unter der Bevölkcrung einher
und nährten jcnen Heldengeist, der die Nation frei
gemacht, demnächst aber auch die wieder gewonnene
Freiheit im Vaterlande gesichert und geschützt wissen
woüte. Was halfcn da die papicrncn Maßregeln
der tausendarmigen Reaction? das lcbcndige Wort
dieser Iünger der Freiheit, die den Spartanermuth
des Volkcs großsäugten mit den hcißblütigen Kampf-
scenen aus dcn letzten Feldzügen, vereitelte die Ab-
sichten der Dunkelmänner; und wenn äuch die erst
vor wentgen Iahren auf den Schulhöfen aufgestell-
ten Turngeräthe bald wieder unter der Art staats-

ErnsteS daran gedacht, das Versäumte einzu-
holen und in gerechtester Würvigung der hohen
Bedeut'ung des Turnunterrichts als National-
bildungsmittel hat auch unsre liberale Regie-
rung angeordnet, daß durch Errichtung einer
Eentralturnbildungsanstalt die endliche Ein-
führung des Turneus in allen Schulen mög-
lich gemacht werden kann. Sachsen hat be-
reits eine solche Anstalt und Wnrttemberg
bringt keine geringen Opier zu diesem Zwecke.
Leider hat aber die Budgetkommission der
badischen Kammer die ins' laufende Budget
ru dem gedachten Zwecke aufzunehmende
Summe vou 8,250 fl. auf 3,000 fl. zu redu-
ziren beantragt. Diese Nachricht wurde über-
all mit Bedauern vernommen und um so mehr
als die edle Absicht hoher Regierung in einer
so wichtigen Sache nicht genügend gewürdigt
erscheint.

Der intelligente Bürgerstand Badens hofft
aber, daß die hohe Kammer dem Begehren
Großh. Negierung entspricht und damit einem
längst gefühlten Bedürfniß abhilft.

Die Mannheimer Bürger haben nach dieser
Nichtung hin in ihrer Schulreform-Petition
an die hohe zweile Kammer unter Anderm
die Bitte gerichtet: daß dasGesetz die
allgemeine Einführung methodischer
LeZbesübung in den Volksschulen
vorschreiben möge. In der Weife, wie
die verehrl. Budget-Commission glaubt dem
Turnunterrichte aushelfen zu wollen, wird
wenig erreicht. Die allgemeine Einführung
methodischer Leibesübung erfordert eine me-
thodische Behandlung dieses Lehrgegenstandes
durcff eine Centralturnanstalt, die gleich einem
Schmlehrerseminare die Lehrer des Landes,
die Turnlehrer für alle Schu^gattungen und
Alterklaffen der männlichen und weiblichen
Iugend vorbereitet. Württemberg hat einen
Wanderlehrer angestellt; auch für unserLand
ist ein solcher in den ersten Iahren Nothwen-
dig. Nur keine Halbheiten; soll das Turnen
seinem Zwecke entsprechen, so darf es nicht
nebenbei ünd als Spielerei und Tändelei be-
handelt werden. Möchte die Presse diese
Sache mit lebhaftem Intereffe, wie es ihr
gebührt, besprechen. —

* Politische Umschau.

Aus allen Nachrichten, die aus den ver-
schiedenen Theilen deS Großherzogthums ein-
gehen, ersehen wir, daß die Feier des 7. A pril
eine ganz uugemeine Ausdehnung genommen nnd
sich zn einem wahren Lanbesfest gestaltet hat.

mannischer Verrücktheit fallen mußten, das in den
öffentlichsten Anstalten ausgehängte Bildniß Blü-
cher's am Katzbachtage nicht mchr bekränzt wurde
und an den Schlachttagen von Lcipzig und Waterloo
keine Holzstöße anf den Bergen mehr brennen durf-
ten, in dem Herzen der Nation brannte das Feuer
für die großen Güter der Menschhcit in desto hcllern
-Flammen fort, und die Verehrung für dte Vor-
kämpser der nationalen Freiheit, für die Helden
der Freiheitskriege war zu einem Cultus geworden,
der das Andenken der Herren jener großen Zcit
mit dem strahlenden Diadem der reinften Volks-
liebe schmückte.

Namentlich wurde Blücher, der wilde Roland
preußischcr Heerr, der jugendliche Heldengreis, der
mit nicht zu bezwingendcr Kühnheit die Hindernisse
niedertrat, welche ibm der Klcinmuth, die Unent-
schlossenheit und die Dummhcit in seinen Sicges-
lauf warfen, von allen Klaffen des Volkes unend-
lich geliebt. ^ ^

(Kortsetzung folgt.)
 
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