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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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Vtidtlbtrger Zritllng.

sr ii3


Donnerstag, IS. Mai

7-7 Die neueste Wcndnng der römi-
fchen Frage.

Seit unserer Besprechung der Situation in
Jtalien, die zur Zeit außer den Wahlen in
Preußen, dem Handelsvertrage und den krie-
gerischen Ereignissen in Nordamerika allein
noch im politischen Vordergrund steht (in Nr.
103 d. Bl.), hat beinähe jeder Tag die lange
Neihe der einander widersprechenden oder sich
gegenseitig aufhebenden Nachrichten vermehrt,
über eine Lösung, welche die römische Frage
demnächst finden oder nicht sinden sosi.
Während an einem Tage Pariser Depeschen
-Versicherten, der Minister des Aeußern, Thou-
vepel, habe erklärt, die römische Politik des
Kaisers Napoleon erleide nicht die mindeste
Aenderung uud währkud Londoner Depeschen
läuguen, daß Lord Palmerfton eine neue Note
wegen Näumung Noms nach Paris geschickt
habe — erschienen unerwartet in verschiede-
nen Blättern, namentlich der bayerischen Zei-
tung, telegraphisch/ Nachrichten, des Juhaltes,
es sei dcm sranzösischeu Occupationscorps der
Befehl zugegangen, Rom zu räumen. In die-
ser Fvrm und Fassung erschien nün diese Nach-
richt, wie man sosort auch erkannte, sehr un-
wahrscheinlich. Aber läugnen läßt es sich
nicht, daß die Gerüchte sich mehren und an
Bestand gewinnen, welche von Unterhandlun.
gen, wenn nicht gar von einem bereils getrof-
fenen Abkommen zwischen Paris und Turin
über die römische Frage wissen wollen. Die-
ses Letztere wird gcrüchtweise bereits dahin
formulirt, daß Napoleon den Papst bewegen
wolle, eine gemischte (d. h. französische und
italienische) Besatzuug in Rom einziehen und
Victor Emanuel auf dem Capitol als König
von Italien krönen zu lassen. Als Gegenlei-
stung hiesür wird die Abtretung der Inseln
Elba und Sardinien an Frankreich bezeichnet.
— Die in unserm srüheren Artikel schon in
Kürze erwähnten Hin- und Herreisen 'des
französischen Generals Goyon und des Ge-
sandten Lavalette von Rom nach Paris unb
umgekehrt bringt mail mit der angeblichen
nahen Entscheidung der römifchen Frage in
directe Verbindung, ,man untersteüt im Zu-
sammenhange mit derselben — ob wahr oder
falsch, wollen wir dahin gestellt sein lassen —
vielfache Intriguen und Kabalen, an veneu
selbst die Gemahlinnen dieser Üeiden Würden-
träger großen Antheil genommen hgben sollen,
und dcren Letzterer Zweck kein änderer war,
als den Kaiser der Franzosen von der einen
Seite zu einem Hinwegziehen, von der an-

dern zu einem längern Verbleibenlassen seiner
Truppen in Rom zu vermögen. Die erstere
Parteinahme zu Gunsten Italiens vertrat
.Lavalette, die andere zu Gunsten des römischen
Hofes Goyon. Wir werden uns über den
Werth oder Unwerth dieser Gerüchte vielleicht
in der Folge noch näher aussprechen. Für
jetzt genüge die Bemerkung, daß man von
Paris aus den denselben zu Grunde liegenden
Ereignissen jede höhere Bedeutung abspricht,
und versichert, General Goyvn komme nur
auf kurzen Urlaub nach Paris und der Mar-
quis Lavalette werde ebensowenig nach'Rom
zurückkehren, als die Franzosen diese Stadt
verlassen würden; selbst bei der Neise des Prin-
zen Napoleon nach Neapel, welche schon vielfa-
ches Aufsehen erregte, wird jede politische
Mission ganz in Abrede gestellt.

Habe sich nun, wie oftmals schon, die po-
litische Windfahne in Paris nun wieder ein-
mal wirkiich oder nur zum Schein gedreht,
so l/gt die politische Welt, so oft schon ge-
täuscht, dennoch jedem neuen scheinbaren Vor-
gehen Napoleons in Italien von Neuem eine
größere oder geringere Bedeutung unter. Aus
diesem Grunde darf bei dieser Gelegenheit auch
die in Paris erschienene Broschüre des Sena-
tors Pietri, eines Freundes von Napoleon,
nicht ganz außer Acht gelaffen werden. Die
Form dieser Schrist ist sehr nüchtern und liest
sich dikselbe nicht so gut, wie die früheren
Staasbroschüren dcs Herrn Laguerronniere.
Aus dieser Schrift wollen nun viele mit allem
Ernfte eine neue eiuscheidende Wendung Na-
poleoys zu Gunsten des einheitlichen Italiens
entnehmen. Es wird allerdings mit ziemlich
dürren Worten darin gesagt: Fraukreich kann
das weltliche Papstthum nicht länger mehr
schützcn; dasselbe sei eine verlorene Sache,
die Einheit sei cine Nothwendigkeit für Ita-
lien und eine Garantie für Frankreich, Nom
muß der Mittelpunkt dieser Einheit werden;
'dic sranzösische A^mee werde daher endlich
diese Stadt verlassen und Victor EmanuelS
Truppen an deren Stelle treten, das welt-
liche Besitzthüm des Papstes aber werde se-
questrin, und die in Bälde stattfindende Zu-
sammenkuuft der Bischöfe und Prälaten in
Rom soll dazu benützt werden, ihncn die Noth-
wendigkeit dieser Reformen darzuthun. Willi-
gen sie dazu ein, so muß der Papst sich fü-
gen, geschieht dieses nicht, so wird der unab-
weiöbare Schritt ohne die Kirche gethan.
DarauS aber würde ein Schisma, vielleicht
sogar, im Faüe Se. Heil. Pius IX. seinen Ent-
schluß, nach Spanien zu gehen, dann ausfüh-

Jnserüonsgebübren sür die Zspalti^e Petit-- 1.8

ren würde, ein Doppelpabstthum entstehen,
und hieraus die Errichtung einer italieuischen
Nationalkirche hervorgehen. —

Am bedeutungsvollsten in der Pietrisschen
Broschüre erscheint jedoch eine nicht besonders
in die Augen fallende, gewundene Phrase:
„Wenn es sich nach der Befreiung Roms,
so besagt diese, blos darum handelt, unsere
Truppen noch während einer zur Beschwich-
tigung der Geister, zur Versöhnung des Pap-
stes mit seinem Volke nvthivendigen Zeit in
Nom zu belassen, würde Frankreich in Ueber-
einstimmung mit Italien dieses letzte Opfer
(?) nicht verweigern." Mit andern Worten
gesagt, werdeu auch die Truppen Napoleons>
wenn auch Victor Emanuel in Rom eiyzieht,
diese Stadt nicht räumen. Was kann es nun
unter solchen Umständen für eine Bedeutung
haben, ob Goyon oder Lavalette, oder Wer
sonft, den ältesten Sohn der Kirche in Rom
vertritt. Solchen und ähnlichen, theilweise
oben berührten Dingen, ein Gewicht beilegen,
heißt ganz secundäre Dinge zur Hauptsache
machen und über eitlen Nebendingen und
Personenfragen den eigentlichen für das Tui-
lerienkabinet allein maßgebenden, durch eine
13jährige Occupation erhärteten Kery der
buonapartistifchkn Situation in Rom überse-
hen. Der bei allen Wechselfällen consequent
festgehaltene Grundgedanken der napoleoni-
schen Politik in Nom ist zunächst weder die
Erhaltung des Pabstthums, noch gar eine
Vermittelung der Ansprüche desselben mit dem
einheitlichen Italien, sondern die Ausbeutung
der Verlegenheiten der römischen Curie für
selbstnützige imperialistische Zwecke. Der
Besitz Nom's verbürgt die Herrschaft über
Italien. Wird es durch eine, unter den je-
tzigen Verhältnissen vielleicht nahc bevorstehende
Wendung der Dinge auch möglich, dqß Victor
Emanuel in Nom einzieht, so wird das nur
unter den Bedingungen geschehen, daß die
Franzosen over die Piemontesen in Rom
bleiben.

Der Abgeordnete Giskra über das
osterreichische Coneordal.

In ber Sitzung des Abgeordnetenhauses vom
7. Mai, deren wir bereits in unserm gestrigen
Blatte erwähnten, sprach sich Abgeordneter
Giskra über das Konkordat und seine Fol-
gen für Oesterreich mit folgenden Worten
aus: „Jch betrachte es als einen nicht glück-
lichen Abschnitt in der Geschichte Oesterreichs,
als nach dem Tode des edelsten Monarchen,

Was -ie Menschen uiit ihrem Kopfe
vorgenommen haben.'

(Fortsetzung.)

Ob die sogenannten Zahnbrecher tn dem und
jenem Falle nicht auf das summarische Verfahren
der Africaner verfallen, läßt sich nicht immer nach-
weisen, denn nicht jeder dieser Künstler ist in der
glücklichen Lage, wie jener preußische Barbier, wel-
cher während des Feldzuges 1813 und 1814 dte
Schlachtfeloer besuchte, um sich an Lodten in der
Kunst des Zahnausreißens auszubilden, und dabei
die schmeichelhafte Genugthuung hatte, daß keiner
seiner Entzahnten auch nur einen Seuszer' hören
ließ.

Lippe und Nase erfreuen fich gleichfalls der Ver-
schönerungssucht; denn wenn die Oberlippe deu
Bart als Zierde erhält, so durchbohren amerikanische
Völker auch die Unterlippe, indem sie einen Holz-
pflock hineintreiben, welcher die Lippi zu etnem
schmalen Fleischriemen ausdehnt, ihr selbst aber
eine tellerartige Ausweitung gibt, was freilich das
Aufnehmen der Speise sehr behindert. Bei den
jüngeren Leuten steht die breite ünterlippe auf-

wärts, det älteren hängt sie abwärts und bewirkt
ein widerwärtiges Zähnefletschen.

Außerdem wurden von dem Holzpflock die Vorder-
zähne eingedrückt; aber die Mode verlangt es so,
und die breite Lippe erschetnt dem Americaner eben
so bezaubernd, wie unseren Schönen die tonnen-
weiten C-rinolinen. Ueberdies ergeht es ja den
Nasenflügeln uicht bcsser, in welche man Gänse-
spulen, Knochen und Hölzer steckt; wer sich recht
fein machen will, hängt einen Rmg mit Perlen in
die Nase, und damit hat der uramericanische Dandy
sein Höchstes geleistet. Selbst Eskimos und Grön-
länder stechen Wallroßzähne in die Lippen, um der
frischen Winterluft freien Zugang zum Munde zu
verschaffen, denn die Theorie der Ventilation scheint
ihnen nicht unbekannt zu sein, und sie ersparen sich
gewiß dadurch den Genuß deS Gefrornen. Steine,
Glasperlen und Fischzähne dienen als abkühlende
Lippenzierathen. Auch in Africa ist das Durch-
bohren von Lippe und Nase Sitte.

Wie es den Lippen und der Nase erging, so auch
den Ohren. Auch sie wurden durchbohrt, durch
eingezwängte Knochen und Holzpflöcke so lang ge-
zogen, daß sie biS auf die Schultern herabhingen.

Dies war Sitte bei den meisten Völkern America's,
die Eulturvölker des Alterthums und Europa's be-
gnügten sich mit Ringen, und noch heute verdienen
die Goldschmiede viel Geld mit den verschiedenen
kunstreichen Ohrgehängen. Die feingebildeten Athe-
nerinnen trugen Perlengehänge am Ohrringe, da
ihr Ohr das Geklapper der Perlen gern belauschte.
Die vornehme Asiatin würde sich für unglücklich
halten, fehlten ihr die kostbaren Ohrringe; die Rö-
merin trug ein Capital am Ohrläppchen mit herum,
und Europa hat bis heute den Schmuck der Ohr-
ringe betbehaltcn.

Zwar haben die Völker viel Mühe und Erfin-
dungen darauf verwandt, um Lippe, Nase und
Ohren der rohen Naturbeschaffenheit zu entreißen,
dennoch fängt die eigentliche Kunst der historischen
Kopfarbeit, oder vielmehr die Arbeit am Kopfe
erst mit der Cultur des Bartes, Kopfhaares und
der Kopfbedeckung an. Leider hat diese Partie der
Cultur des Kopfes noch keitten Historiographen,
sondern Zopst Perrücke, Cylinder nur Spötter und
mitunter fanatische Verfolger gefunden, damit fie
unter die Märtyrer der Civilisation können ver-
sctzt werden. - (Forts. f.)
 
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