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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2810#0343

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Samstag, 12. April


Badischer Landtag.

Karlsrrrhe, 9. AprLl. 36. öffentl. Si-
tzuug oer zweilen Kammer. (Schluß.) Til.
lX. Landwirthschast. X. Landwirthschaft.
Der Cümmisffonöbericht sagt u. A.: Dcr Ge-
sammlausschuß hat außer de» Abänderungen
der Statuten einstimmig den Wunsch ausge-
sprochen: „daß bei der CentralsteUe für die
Landwirlhschaft ein technisch gebildeter Rath
angestellt werden möge, welcher seine ganze
Zeit und Kraft dem Dienste zu widmen, und
insbesondcre durch Bereisung des Landes und
durch Anwohnung bei den landwirihschaftli-
chen Kreis- (Bezirks-) Versammlungen auf
die Förderung der Landwirthschaft hinzuwir-
ken hatt/." Die Großh. Regierung hält die-
sen Wunsch für begründet, und hat deßhalb
am 21. März d. I. einen Voranschlag dem
hohen Hause vorgelegt, wonach für eine solche
Stelle nachträglich eine Besoldung von 1800
fl. in das Budget der Landwirthschaft auf-
genommen werden soll. Die Diäten und
Reisekosten dieses Rathes werdcn in der lau-
fenden Bndgetperiode aus der Dotation für
Beförderung der Landwirlhschaft und für den
landwnthschaftlichen Unterricht bestritten wer-
den könneu. Ihre Commisffon ist der Ansicht,
wcnn bei der neuen Besetzung der durch Tod
erledigten Dircctorstelle eine Persönlichkcit aus-
ersehen würde, welche in sich auch die Eigcn-
schaften vereinigte, die von einem solchen
technischen Nath verlangt werden, sy dürfle
die Besetzung dieser Stelle vielleicht überflüs-
sig sein. Sie will indeffen Großh. Regierung
die Mittel nicht vorenthalten, im Fall es zur»
Hebung der Landwirthschaft für nothwendig
erachtet werden sollte, noch einen technischen
Rath anzustellen, und beantragd, die nachge-
forderten 1800 fl. zu bewilligen.

Friderich: Durch die jetzige Einrichtung
der landwirthschaftlichcn Behörven sei nicht
erzielt worden, was man erwartet yabe; er
wolle nicht entscheiden, ob die Centralstelle
oder »die Vereine daran die Schuld tragen,
hoffen aber, daß die Regiekung bei der Reor-
gauisation recht tüchtige Männer sinden und
durch solche das Land bereisen laffen werde.
Gehcimerath Weizel macht auf die Schwie-
rigkeit aufmerksam, die rechtcn Männer zu
finven, die Negierung werde aber suchen, aus
den Guten die Bcstell zu erhälten. Dahmen
stimmt Friderich darin bei, daß das erwartete
Ziel nicht erreicht worden sei; die Ursache
liege aber weniger in der Organisatlon, als
iu dem Umstande, daß in unserem Lande we-

nige große Grundstücke in Selbstadministra-
tion stehen. Dies wirke nachtheilig auf die
Landwirthe. Die Leiter der Bezirksstellen
entbehrten sehr oft der technischen Kenntniffe,
wodurch mancher falsche Nath, manche un-
richtige Behandlungsweise erfolgen; dagegen
seien Landleute in der Feder nicht genug ge-
wandt, um dem nachzukommen, was von der
Centralstelle gefordert werde. Ihm scheine
die Frage hier wesentlich, ob nicht vielleicht
größere Domänengüter in eigene Bewirth-
schaftung genommen und als Mustergüter
aufgestellt werden sollten» Die größeren land-
wirthschaftlicheu Unterrichts - Anftalten leiden
an den Gebrechen, daß die Hilfsfächer zu
kostspielig seien, weshalb wohl dic Verbin-
dung einer landwirthschaftlichen Schnle mit
dem hiesigen Polytechnikum ersprießlich wäre,
wo die Hilfsfächer vortrefflich besetzt seien,
dann aber müßte eine große Musterwirthschaft
in der Nähe errichtet werden. Auch die Vieh-
zucht sei bei uns vernachläffigt, gerade weil
keine größeren Güter selbst bewirlhschaftet
würden, man habc zwar jetzt schöneres Vieh
als ftüher, aber gerade das ftamme aus
Württcmberg, wo am meisten dafür geschehe
und wo auch große Güter-Complere in Selbst-
bewirthschaftung seien.

Allmang theilt im Allgemeinen die Dah-
men'sche Ausführung, es sei aber unter dem
Bauernstand der alte Schlendrian wesentlich
vermindert und zwar hauptsachlich durch den
landwirthschaftlichen Unterricht; er bittet die
Regierung, den landwirthschaftlichen Unterricht
in allen Landschulen einzuführen unv ihn in
den Lehrplan aufzunehmen. Fischler hält
für das beste, wenn bie Regierung Männer
gewinnen könne, wie der verstorbene Metzger
war, welche das Land bereisen und an Ört
und Stelle Mittheilungen machen und belehren.
Geh. Rath Weize! erwidert, daß ber Re-
gierung keine Summe zu groß sein werbe,
wenn sie solche Männer erhalle. Es sprachcn
noch Paravicini, Dähmen, Kirsner, Schmitt,
Knies und Heibenreich, ber Letztere für Hebung
ber Nindviehzucht, der Vorletzte für größere
Spezialisirung des Etats.

In § 3 erscheint erstmals die Forderung
von 2000 fl. zu Prämien für die Anlage von
Schälwaldungen. Eine Minderheit der Com-
mission glaubt beantragen zu sollen, zu diesem
Zweck 2000 fl. in das außerordentliche Bud-
get aufzunehmen. Allein bie Mehrheit der
Commission lchnte es enrschieden ad, dieser
Ansicht bcizutreten, und sprach sich basür aus,
den Antrag auf Wegfaü der geforderten

2000 fl. zu stellen. Sie sindet diese spezielle
Maßregel durch den früheren Beschluß der2.
Kammer keineswegs motivirt, ja nicht einmal
durch die Petition der Gerbermeister des
Oberlandes verlangt. Es scheint ihr durch-
aus unstatthaft, für eine einzelne, durch das
Eigenintereffe der Grundbesitzer vollkommen
ausreichend befürwortete Betriebsaufgabe der
Bodenbewirthschaftung noch besonbere Pramien
anszusctzen, ganz abgesehen von dem schließ-
lich doch ungewiffen Erfolg und abgesehen
davon, daß zum Theil selbst reiche Leute eine
Gabe von 6 fl. per Morgen erlangen sollen,
weil sie ein gutes Geschäft unternommen
haben. Paravicini spricht für den Antrag
ber Minderheit der Commission nnd wird von
Federer, welchem Wagner, Sieb, Artaria,
Hoffmeister und Schaaff. beitreten, unterstützt;
für den Majoritätsantrag erklären sich KnteS,
Schmitt, Fischler, Kirsner, Lamey (Pforz-
heim) unö Moll. Der vom Abg. Paravi-
cini aufgenommene Minoritätsantrag wird
schließlich mit 27 gegen 25 Stimmen ver«
worfen. Der Schlußantrag der Commission,
die Gesammtausgabe 1862 1863

X. für Landwirthschaft 37,600 fl. 37,600 fl.

L. für Landesgestüt . 89,759 fl. 84,866 fl.

0. für Hufbeschlagschule 800 fl. 800 fl.

S umme 128, t 50 fi.123,266 fl.
zu genehmigen, wird schließlich angenommen.

Karlsruhe, 10. April. 37. öffentliche
Sitzung der tl. Kammcr. Vorsitz: Hilde-
brandt. Negierungscommissär: Geh. Rath
Lamey. Das Secretariat zeigt 2 Petitionen
an, aus Durlach um Aufhebung der Wasen-
meistereien, aus Konstanz um Cisenbahnbau
von Rabolfzell nach Meßkirch. Bär erhält
wegen dringender Geschäfte auf einige Tage
Urlaub. Die Tagcsorbnüng führt zum Bericht
des Abg. Fribrich über Tit. IX, X u. X!
bes orbentl. Bubgets dcs Ministeriums des
Innern für 1862 unb 1863. Tit. IX. C u l-
tus. Antrag: für das Iahr 1862: 89,197 fl.
58 kr. unv für 1863: 89,797 fl. 58 kr. Der
Commissionsbericht beinelki: In dem Bericht
über Tit. II. unb III. Ministerium des In-
nern, evangelischer und kacholischer Oberkir-
chenrath, wurde die Ansicht niedergelegt, daß
in Folge des Gesetzes vom 6. Oktober 1860
über die rechtliche Stellung der Kirchcn und
kirchlichen Vereine im Staat, die Frage in
Erwägung zu ziehen sei, in wie weit für die
Zuknnft der Slaad- verpflichtet sein werbe,
Mittel für kirchliche Einiichtungrn und bis
zu welcher Höhe beizuschießen. Indcm wir

Ein Stückchen vow alten Blücher.

(Fortsetzung.)

„Äber- es ist beinahe unmöglich, daß Fritz bei
einem solchen Schnectretben rechtzeitig von der sieben
Meilen entfernten Stadt hier scin kann", rief er
ärgerlich und zeigte auf das freilich arg tobende
Wctter, das eben eine ganze Ladung Hagel und
Eisftucke gegen die Fenster warf.

„Püh!" entgegnete ich dreist, „haben in dem letzten
Winterfeldzuge bei ganz anderem Wetter tagelang
zu Pferde sein müffcn, und oft um nichts und wie-
der nichts. Fritz weiß, daß es heute gilt, dem Herrn
Rittmeister einen Dienst zu erweisen, und welcher
Husar in dcr Schmadron würde sich besinnen, seinen
lctzten Athemzug an die prompte Ausführung Jhres
Auftrages zu sctzen."

„Werden sehen", unterbrach mich dcr Rittmeistcr,
denn er hörte nicht gern in solcher Art von sich
sprechen. „Jedenfalls richte Dich so ein, daß wir
ohne Verzug abfahren können, sobald Fritz einge-
troffen ist." Damit trat er an das Fenster zurück
und spähte abermals durch das Schneegestöber auf

beizog.

Ich verstand die Ungeduld meines Herrn und ich
will es nicht verhehlen, daß ich sie eigentlich theilte.
Der Rittmeister hatte nämlich einem alten zuver-
lässigen Husaren, Fritz, mit dem Auftrage nach der
sieben Meilcn entfcrnten Stadt Stolp geschickt, dort
ein Weihnachtsgeschenk, welches für eine Dame be-
stimmt war, vie sehr hoch in seiner Achtung stand,
von einem Kameraden, der sich der Beschaffung des--
selben unterzogen hatte, in Empfang zu nehmen.
Der Husar hatte den Befehl, jedenfalls bis zum
heutigen Mittag zurück zu sein, peil der Rittmeister
sein Geschenk am Christabende persönlich überreichen
wollte.

Die erwähnte Dame war dte Gemahlin des Rit-
tergutsbcsitzers v. W. auf dem zwei Meilen von
unserer Garnison entfernten Groß-C. Dcr Nitt-
meister wur in dem Hause des Herrn v. W. ein
gern gesehcner Gast, und es verging auch sclten eine
Woche, in der rvir nicht in dem gastlichen Hause
vorsprachen. Frau v. W., eine schöne und geist-
reiche Dame, behandelte den Rittmeister mik ganz
besondercr Aufmerksamkeit, die derselbe erwiderte.

Ste war in Aachen geboren und hatte ihrcm Manne,
als die cinzige Tochter cincs reichen Kaufherrn,
nicht nur eine bedeutcnde baare Mitgift, sondern
auch ein beträchtliches Quantum alte Weine zuge-
bracht, die damals in dcr Gcgcnd selbst in dcn
ersten Häusern kaum dem Namen nach bckannt
waren. Jn der Schwadron war man darüber un-
cinig, ob diese Wrine odcr die schönrn Augen der
Frau der Magnct seien, der den Rittmeister so oft
nach C. zog; so viel wciß ich, daß sich das Gesicht
metncs Herrn immer ganz bcsonders belebte, wenn
er der schönen Frau gegenübcr stand. Er machte
sich sonst nicht viel äus dcn Weibern, aber dtese
hiclt er damals besonders hoch. Und däß die schöne,
geistreiche Frau den Rittmcister den hölzcrnen Land-
junkern dcr Nachbarschaft vorzog, ist erklärlich, da
mein Herr zu jener Zeit der schönste Offizier war,
dcr jemals die kleidsame Uniform des von Belling-
schen Husaren-Regiments getragen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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