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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Mai
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M. 12«


Samstag, 31 Mai


Heinr. v Sybel's Adreßenttvurf an
den König.

„AÜerdurchlauchtigster rc. Ew. königlichen
Majestät allergetreueftes Haus der Abge-
ordneten naht sich ehrfurchtsvoll dem Throne;
um im Beginn seiner Verhandlungen E. M.
vie Lage des Landes gewiffenhaft darzulegen.
Als die von dem preußischen Volke zum Or-
gan seiner Stimmung gewählten Vertreter
finden wir uns vor Allem gedrungen, auszu-
sprechen, daß inmttten aller Bewegung ver
letzten Monate die Ehrfurcht und die Treue
für dic Monarchie als sicherer Rtchtpunkt
sämmtlicher Bestrebungen der Nation feststeht,
und daß in der Klarheit und Wärme dieses
Gesühls keine Claffe der Bevölkerung, keiire
Provinz, keine der großen politischeu Parleien
hinter der andern zurückbleibt. DaS preuß.
Voik weiß sich Eins mit seinem Köuig, es
will sich Eins mit ihm wiffen für alle Zeit.
Die Ursache der jetzigen Bewegung ist kcine
andere, als die Befürchtung, daß irgend em
dem Gesammtwohl zuwiderstrebendes Sonder-
intereffe jenes feste Band des Vertrauens
zwischen Thron und Volk auflockern könnte.
Nachdem die militärische Reform und eine
gewiffe Unsicherheit über die künftige Rich-
tung der preußischen Politik die Gemüther
lange beschäftigt hatte, war die plötzliche
Auflösung des Hauses ber Abgeordneten er-
folgt aus 'einem Grunde, in welchem kaum
Iemand den Beginn eines folgenreichen Prin-
zipienstreites zu ahnen vermöchte, wie ja.auch
E. Maj. Regieruug das damals VerlairgLe
als rechtmäßig und als ausführbar nunmehr
selbst anerkannt hat. Der Aaflösung des
Hauses folgte sofort eine Umgestaltung deö
Ministeriums unter Umständen, welche das
Land über die sachlichen Gründe der Krisis
unbelehrt ließen. Es folgten die Wahlerlaffe
hes neuen Ministeriums und der Unterbehör-
den, wodurch der geheiligte, Aüen gleich theure
Name E. Maj. in den Parteienkampf hin-
eingezogen und nicht blos den politischen, son-
derü allen übrigen Beamten die Theilnahme
an der Wahibewegung untersagt, sowie an
»ielen Stellen auch auf das Wahlrecht der
üb'rigen Staatsbürger eine nichl gesetzmäßige
-Pression ausgeubt wurde. Unter diesen Wahr-
nthmungen hat das preußische Volk den Ent-
schluß gefaßt, bei seinen Wahlen lediglich auf
die eigenr Ueberze,ugung von dem untrennba«
ren Interesse des Thrones und des Landes
zu blicken. Die Natiou hat hiebes ihre Stel-
lung mit Entschiedenheit, aber auch Mit Lopa-

lität und Patriotismus genommem Stets
eingedenk. der unantastbaren Rechte der Krone,
erstrebd sie auch für sich Nichts, als die Aus-
übung ihrer verfaffungsmäßigen Rechte. In-
nerhalb derselben wird diesem Hause, wie
dem preußischen Volke, nr'e ein Opfer zu
schwer sein, welches durch die Sicherheit und
Größe Preußens grfoddert, welches nach den
Leistnngskräften des Landes ixgend möglich,
und das vie Wehrfähigkeit des Staates wei-
ter zu entwickeln geeignet ist, ohne die gleich-
mäßige Fürsorga für alle Zweige des öffent-
lichen Dienstes, die Ordnung des Staats--
haushaftes nnd den nationalcn Wohlstand zu
gefährden. Die uns vorgelegten Handels-
und Schifffahrtsverträge werden wir der ver-
faffungsmäßigen Prüfung mit Sorgfalt un-
terziehen. Vor allcm empfangen wir mit leb-
hafter Anerkennnng den Handelsvertrag zwi-
schen dem Zollverein und Frankreich, welcher
unsere Beziehüngen zu einem mächtigen und
blühenden Nachbarlande vervielfältigen, dem
Frieden und beiderseitigen Gedeihen verstärkte
Bürgschaft geben, hen Bedürfniffen der Be-
völkerung eine leichtere BefriedchUng verschaf-
'fen, unserem Gewerbfleiß neüe Märkte und
Absatzwege eröffnen und dadurch auch die Ein-
nahme des Staates steigern wird. Wir glau-
ben, daß der Verwirklichung solcher Hoffnun-
gen auf die Dauer kein partikularistisches
Iutereffe widerstehen kann, und daß alle Ge-
gknbestrebungen schon jetzt in Nichts zerfallen
würden, wenn die Bevölkerung des Zollvereins
ein Gesammtorgan für den gcsctzlichen Aus-
druck ihrer gemeinsamcn Intereffen erhielte.
Die Energie und Würde, mit welcher Ew.
Maj. der kurhessischen Regierung in Ven letz-
ten Tagen entgegengetreteu sind, hat alle pa-
triotkschen Herzen mit Freude erfüllt. Wenn
E. Maj. Negierung in der hessischen Verfas-
sungssache den Staüdpunkt der Legälität in
seiuem ganzen Umfang wahren, das rechts-
beständige Wahlgesetz von 18^9 ebenso, wie
die rechtsbeständige Verfassung von 1831, zur
Herstellung bringen, die angeblich bundeswid«
rig.en Bestimmungen der letzteren nur auf
verfaffungsmäßigem Wege beseitigen- laffen
wird, wenn endlich Preußens Aktion, wie es
einer selbstständigen europäischen Großmacht
zukommt, erst bei ganzer und voller Genug-
thuung für die lange fortgesetzte Verletzung
der preußischen Ehre und Interessen abschließt:
so wird, was für einen solchcn Zweck erfor-
derlich wäre, die Nation Ew. Maj. freudig
entgegenbringen. Die uns vorgelegten Mili-
tärconventionen, sowie die Thätigkeit von E.

Maj. Regierung für Küstenschutz und Flotte
begleiten wir mit dem lebhaften Wunsche,
daß es gelingen möge, für diese Aufgaben
allgemeinen deutschen Interesses die augen-
blicklich stockcnde Theilnahme des deutschen
Volkes wieder zu beleben. Nur das thätige
Vertrauen der deutschen Nation kaun nnsern
Staar in den Stand setzen, die Rechte Schles-
wig-Holsteins gegen -die Eingriffe Dänemarks
zu schützen und in der Sache der deutschen
Bundesreform das für PreußeN, wie für alle
Bundesglieder gleich unerläßliche Ziel eincr
nationalen Einigung zu erreichcn. Allerdurch-
lauchtigster, allergnädigster König! Das preu-
ßische Volk ersehnt den Erlaß der zum Aus-
bau Unserer Verfaffung nothwendigen Gesetze,
die Entfernung hierarchischer und pietistischcr
Einflüffe aus Staat und Schule, die ver-
fassungsmäßige, Beseitigung des Widerstandes,
welchen bisher ein Faktor der Gesetzgebung
jedem Verlangen dieser Nichtung entgegenLe-
setzt hat. Weit entfernt, in eine Prärögatt've
der Krone einzugreifen, wiffen wir dieselbe
nicht krüftiger zu stützen und zu sichern, als
indem wir E. Maj. in tiefster Ehrfurcht die
Ueberzeugung 'ausspxechen, daß keine Negie«
rung, welche in diesen Punkten den Bedürf-
nrssen der Nation widerstrebt, die Interessen
der Krone unv des Landes zu fördern im
Stande sein würde, zumal in Preußen, defser»
ganze Machtstellung auf moralischer Energie,
also auf der hingebenden Begeisterung des
Volkes bernht. In dem .Bewußtsein, daß
nür auf diesem Wege eine wahrhaft konser-
vative nnd monarchische Politik dur'chgeführt'
werden kann, erlauben wir uns, an das vä-
terliche Herz E. Maj. die ehrfurchtsvolle Bitte
zu richten, durch hochherzige Gewährung der
nationalen Wünsche Ihrem getreuen Volke
den innern Frieden zurückzugeben und auf
dieser unerschütterlichen Grundlage der opfer-
willigen Liebe der Nation Jhrem erhabeneu
Throne fortwährendes Wachsthum zu berei-
ten. Jn tiefster Ehrfurcht rc." — Der vor-
stehende Adreßentwurf ist nicht zu verwechseln
mit einem von mehreren Blättern sehr vor-
eiliger Weise veröffentlichten Entwurf des
Abg. Twesten. Der Twesten'sche Entwurf ist
bereits zurückgezogen und wird gar nicht zur
Berathung kommen, Der vorstehend mitge-
theilte v. Sybel'sche Entwurf ist berjenige,
welcher den betreffenden Berathungen des
Hauses zum Grunde liegen wird, wie denn
auch die Annahme desselben von Seiten des
Hauses außer aüem Zweifel steht.

Originelle Freundschaftsprobe.

Jn Paris starb vor Kurzem ein sehr reicher
Mann, in deffen Todesanzeige bemerkt war, daß
seine Beerdigüng des Morgens um 6 Uhr statt-
finden werde. Dies ist in Paris eine sür Leichcn-
begängniffe so ungewöhnliche frühe Stunde, daß
viele Leute glaubten, es müsse ein Druckfehler zu
Grunde liegen; diejenigen aber, welche sich zur be-
strmmten Zeit im T'rauerhause einfanden^ über-
zeugten sich alsbald, daß die Sache Lhre Rtchtigkeit
hatte. Der Grund dieser Abweichung von dem herr-
schenden Gebrauche war folgender:

Der Verstorbene hatte während der letzten Lahre
seines Lebens sein Geld und seinen Credit zu Gun-
ften einer Maffe von Freunden und Bekaunten
verwendet und er war dasür nur zu häufig mit Un-
dank belohnt worden. Als er nun sein Ende heran-
nahen fühlte, kam er aüf den originellen Gedanken,
alle diese sogenannten Freunde nock auf cine letzte
Probe zu stellen und damit eine Belohnung und
etnc Bestrafung zu verbinden. Die hierauf be-

zügliche Clausel seines TestamentS lautete solgrn-
dermaßen:

„Meine Beerdigung soll des Morgens um8Uhr
präcis stattfindcn, wenn ich vom 1. October bis31.
März fterbe, aber um 6 Uhr, wenn ich im Som-
merhaibjahre abgerufen werde. Jeder sichzür Be-
gleitung Einfindende hattseinen Namen in ein zu
dem Zwecke aufliegrndes Buch einzutragen und wird
acht Tage darauf durch meinen Notar ein kleines
Legat von 5000 Frcs., wcnn es cin Herr, und von
8000 Frcs., wenn es eine Dame ist, ausgezahlt
erhalten. Gleichzeitig wird mein Schwager B. so
freundlich sein, diesen meinen letzten Willen in einer
Zeitung zu veröffentlicken, damit die Vergeßlichen,
Undankbaren und Trägen ihre Strase bekommen."

Von den vierhundert Personen, denen die
gedruckte Todesanzetge durch die Post zugesandt
worden, fanden fich nicht mehr als neunund-
zwanzig ein, die utcht wenig verwundert waren,
als ihnen ein Buch vorgelegt wurde mit der Bitte,
ihre Namen in dasselbe einzutragen. Noch größer
war ihr Erftaunen, als acht Ta.gr darauf der No-
tar sie um ihren Besuch bitteu ließ, ihnen, nach-
dem sie alle versammclt waren, die fonderbare Testa-

mentsclausel vorlas und dann Jedem ein berett-^
liegendes Couvert einhändigte, welches das unver-
hoffte „Souvenir" enthielt. Auf Antrag des einen
Betheiligten haben die neunundzwanzig Erben be-
schlossen, jeder 1000 Frcs. zu einem würdigen Grab-
denkmal für den verstorbenen Freund bcizusteuern
und daran eine lateinische Jnschrift anbriugen zu
lassen, welche der Nachwelt den Urspruug des Denk-
mals verkündet. Als Curiosum sci noch erwähnt,
daß von den fünf Neffen und Nichten, benen das
große Vermögen des Erblaffers zufällt, zwei beim
Begräbniß gefehlt haben.

Der Kampf ui» New Drleans.

Amerikrnischen Blättern entnimmt die Weser-
Zeitung folgende Schrldcrung des Kampfes um
New-Orleans: Die dürftigen Nachrichten, welche
man bisher von der Eroberung der südlichen Han-
delsmetropole hatte, waren geeignet, den Eindruck
zu machcn, als ob dieser Sieg mit großer Leichtig-
keit und geringen Opfern erlangt worden sei. Erst
jetzt erfährt man, daß ihm einc der mevkwürdig-
stcn, ja etne in dcr ganzen Gcschtchte der modernen
 
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