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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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April
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M 8S


Dienstag, 13. April


L8«2.

L Finanzen und Krieg Lm Staate
Preußen.

Drr Brief deö preußischen Finanzministers
v. d. Heydt an den Kriegsminister v. Roon
hat, soweit es jetzt überhaupt noch möglich
ist, alle Welt überrascht, nicht etwa durch die
in ihm enthaltenen Anschauungen, sondern
dadurch, daß er in die Oeffentlichkeit gekom-
men, da er doch nach Form und Jühalt nur
sür das Cabinet beftimmt sein konnte. Wer
nur immer den spitzbübischen Streich mag be-
gangen haben, dieses Schreiben zu veröffent-
lichen; das muß man ihm zugestehen, daß seine
Wahl keine schlechte war; denn nur selten wird
ein verartiger Prief eines Ministers an ei-
nen Collegen so viel Lehrreiches für ein Volk
enthalten, so vieles, was die dermalige Re-
gierung vollkommen scharf charakterisirt, den
dort herrschenden Geist, ihre Grunvsätze, ihre
Bestrebungen, ihre Hoffnungen und Befürch-
tungen und ihre feinen Machinationen, be-
rechnet auf Egoismus und Dummheit im Volke,
so klar ans Licht bringt. In so fern möchle
ich diesem Briefe schon jetzt eine gewiffe hi-
stvrische Bedeutung zusprechen, eine Wirkung,
die gewiß in Hrn. v. d. Heydt's Absicht nicht
gelegen; allein selbst Minister vermögen nichts
gegen die Tücke des Schicksals und die Hin-
terlist spitzbübischer Diener!

Und dennoch waren Manche nicht abge-
neigt zu vermuthen, daß Herr von der Heydt
selbst mit diesem Schreiben habe vor das
Publikum treten wollen, um zu sagen: „seht,
dort sind die Schuldigen; ich aber bin euer
großer, genialer, nie um Mittel und Wege
verlegener, viel sparender Finanzminister!"
Wahrlich! es muß weit gekommen sein, wenn
man einem Minister auch nur zutraut, daß
er sich mit solchen Dingen weiß waschen wolle,
wie sie jener Brief enlhält; doch, wer den-
selben mit einiger Ausmerksamkeit gelesen,
dem wird klar werden, daß der Verfaffer
nicht für das Volk geschrieben hat, sondern
für einen Eingeweihten. Es ist zu Vieles
darin enthalten, was der beschränkte Unter-
thanenverstand leicht mißdeutet und was nur
im Cabinet richtig aufgefaßt zu werden hof-
fen darf; welcher Minister könnte so aus der
Schule schwazen, ohne sich den gründlichsten
Haß und die ewige Verachtung seiner Kamera-
den zuzuziehen!?

Also, um auf den Jnhalt des Briefes zu
kommen, „Herr. von der H'eydt sieht in der
Vorliebe des Volkes für die freisinnige Par-
tei nichts als gemeines Geldinteresse; diese

Partei schreibt Abschaffung des 5procentigen
Zuschlags zur Einkommen - und Classensteuer
auf ihr Programm, sowie Verminderung des
Militäretats und das Volk länft ihr zu ; ent-
fernen wir diese lästigen Skeuern, so wird
das Volk unser sein und wählen, wie wir
wollen; und das ist ja der Zweck; das wei-
tere wird sich finden, wenn erst eine mini-
sterielle Majorität in der Kammer erreicht ist;
es ist nur für den Augenblick und Herr von
der Heydt tröstet den Kriegsminister, dessen
Bndget dadurch um 3,700,000 Thaler ver-
ringert wird, daß er später gerne vie Hand
bieten wird, das Budget wieder zu erhöhen,
„wenn besondere Ereignisse eine Vcrstärkung
der Mittel für die Armee nöthig machen soll-
ten;" ein Fall, der wie bekannt, einem Mi-
nister zu jeder Stunde eingetreten zu sein
scheinen kann! das preUßische Volk wird dem
Ministerium wahrscheinlich sehr begeistert zu-
jubeln, wenn einige Tage vor den Neuwah-
len die Abschaffung jener drückenden Steuer
publicirt wird; es wird wifjen, in wel-
cher Weise es sich dankbar zeigen kann
und muß, wenn von der Heydt richtig specu-
lirt hat; aber freilich aüch große Speculan-
ten gehen zuweilen irre!

Wir sehen ferner, daß die Regierung sehr
wenig Vertrauen auf den Erfolg ihrer Wahlma-
nifeste und alle die tausend Agitationen ihrer
Agenten, der Herren Landräthe rc. setzt; ge-
steht also damit ein, daß sie sehr gm wisse,
wie wenig Vertrauen im Volke sie genieße,
trotz aller Vorkehrungen, die sie bisher ge-
troffen, um „wenigstens den Schein zu retten."
Was nun bleibt an einem Ministerium zu
retten übrig, dem es nicht einmal gelingt, den
Schein zu retten?! —

Auch erfahren wir, daß von des Herrn
Kriegsministers gutem Willen in Preußen jetzt
AUes abhängt, sogar die Entscheidung, ob
man die nöthigen Maßregeln ergreifen solle,
die eine der Regierung günstige Kammer her-
beizuführen hoffen laffen, also eine Lebens-
frage dcs jetzigen Cabinets; es scheint schwer
zu sein, dem Herrn v. Roon klar zu machen,
daß nun auch das Militärbudget beschnitten
werden müsse, nachdem man längst in allen
übrigen Verwaltungszweigen die größtmög-
liche Beschränkung der Ausgaben eingeführt;
Herr v. Roon scheint bisher gesagt zu haben :
so viel muß ich haben, sparet ihr, wenn es
nicht anders geht; ich kann nicht sparen, denn
wir sind ein Militärstaat (und eine, wenn
auch passive Großmacht). Aber ich denke,
der Kriegsminister wird der Beredsamkeit und

den zärtlichen Bitten seines Herrn Collegen
von den Finanzen sich nicht verschließen und
auch seinerseits etwas zur Rettung — des
Scheins und des Cabinets beizutragen sich
bemühen. Freilich, es ist hart für einen ho-
hen Herrn, dem Eigensinn und der engherzi-
Beschränktheit der Canaille Zugeständniffe ma-
chen zu müssen; allein vielleicht kommt die
Zeit, wo man es wieder einbringen kann;
denn die Rache ist süß und man weiß ja noch
nicht, wohin der neueste Fortschritt noch füh-
ren kann! — Was aber das Wichtigste ist,
wir sehen aus diesem Briefe, wie Minister
sprechen und schreiben, wenn sie unter sich
sind und sich unbelauscht glauben; in öffent-
lichen Reden und Erlassen lautet es gewöhn-
lich anders, es gibt einen eigenen Styl dem
Volke gegenüber und einen eigenen dem Col-
legen gegenüber; und warum? das Volk ist
dumm und liebt den Schein, ein Minister
aber — versteht den andern! —

Das preußische Volk aber mag sich dank-
bar zeigen für alle die nützlichen Lehren, die
ihm Herr von der Heydt gegen seinen Willen
gegeben hat, und sie bei den nächsten Wahlen
schon anwenden. Herrn von der Heydt's
Verdienste um Volksaufklärung werden auch
dann noch gewürdigt werden, wenn seine
Nerdienste als Finanzminister einstens in Ver-
gessenheit gerathen sind!

Badischer Landtag.

Karlsruhe, 11. April. 38. öffentliche
Sitzung der H. Kammer. (Fortsetz.) Lamey
von Pforzheim spricht über die Wichtigkeit
der Turnerei und bedauert,. daß die Budget-
commission einen Antrag gestellt habe, welcher
beweise, daß sie gar kein Turnen wolle, denn
entweder müffe man die Forderung der Re-
gierung genehmigen oder ganz verwerfen,
er stelle'den Autrag, den Vorschlag der Re-
gierung anzunehmen. Häußer unterstützt
diesen Antrag, zu dessen Gunsten ja auch die
Gründe der Büdgetcommission aufgeführt
werden könnten, obgleich sie unbegreiflicher
Weise zum entgegengesetzten Resultate geführt
hätten. Artaria erhebt sich gegen diesen
Antrag und vertheidigt jenen der Commission.
Es genüge vorerst, in den Schullehrersemina-
ren Turnlehrer anzustellen; ob später in Karls-
ruhe eine Centralstelle und Turnakademie er-
richtet werden solle, werde sich später zeigen.
Geh. Rath Lamey weist auf andere Länoer
hin; die Negierung wolle keine Centralstelle,
sondern nur eine Turnunterrichtsanstalt, frei-

ELn Stückchen vom alten Blücher.

(Fortsetzung.)

WLHrend ich mit dem Einschenken b'eschäftigt, zog
Fritz aus der Brusttasche seines Mantels ein PLck-
chen Watte hervor, aus welchem die mißgestaltete
Schnauze eines Mopses hervorsah.

„Da ist ja das lang ersehnte Ungethüm", schmun-
zelte der Rittmeister und ließ' sich das PLckchen ein-
händigcn. Dte Watte, in welche der kaum faust-
hohe Hund sorgsam eingewickelt war, wurde mit der
größten Sorgfalt losgewickelt. „Himmeldonner-
wetter! Was ist das?" rief der Rittmeister plötz-
lich, „das Beest ist ja verreckt!"

Und so war es. Der Rittmeister hielt eine Leiche
in den HLnden, die er mit Abscheu auf denBoden
fallen ließ. Da lag das Thier mit gebrochenen
Augen und schlotternden Gliedern; es war breit
gedrückt wie ein Pfannkuchen. Mir fiel das Glas
mit dem edlen Getränk vor Schreck aus der Hand,
Fritz schaute mit geöffnetem Munde auf die Leiche
und schien zu einem Eiszapfen erstarrt zu sein.

„Was hast Du mit dem Thier gemacht?" schrie
der Rittmeijter den Husaren an.

„Der Sturz! Die Lreppe!" stammelte der Husar
endlich mühsam hervor.

Der Rittmeister verstand. „Wahrhaftig", sagte
er, und das Ungewitter auf seiner Stirn klärte sich,
„Du hast reckt; bei Deinem Sturze ist das arme
Din'g auf den Steinen zerquetscht worden."

„Es ist am Ende gut so", setzte er beruhigt hin-
zu, dem Husaren einen Thaler Schmerzensgeld ge-
bend, „durch den Tod des nichtsnutzigen Köters ist
wahrscheinlich das Leben eines braven Husaren ge-
rettet, und da kann es auf ein paar Weiberthränen
nicht ankommen. Spann an!" rief er mir voll-
ständig erheitert zu. „Wir kommen zwar mit lee-
ren Händen nach C., ich hoffe aber, wir werden
trotzdem gern gesehen sein."

Nach wenigen Minuten saßen wir in einem leich-
ten mit etner Decke von Bärenpelz überhangenen
Jagdschlitten, der mit ein paar tartarischen Rappen
bespannt war, deren prachtvolle MLHne den Schnee
streifte. Das wilde Gespann flog im gestreckten
Galopp durch die engen Gassen der Stadt; sobald
wir aber ins Freie gelangt waren, mäßigten bie
feurigen Rosse dte schnelle Gangart, wetl fie den
Schlitten durch zusammengetriebene Schneeschanzen

schleppen mußten, in welche sie nicht selten bis zum
Bauche versanken.

Nach einer langweiligen und anstrengenden Fahrt
von beinahe einer Stunde erreichten wir endltch den
Wald, der fich ein und eine halbe Meile lang bis
an unser Reiseztel htnzog. Wir trafen unter den
Bäumen auf eine bessere Bahn, und da der Abend
bereits voüständig Hereingebrochen- mußten wir den
Lauf der Pferde schon etwas forciren, wenn wir
zur Weihnachtsbescheerung noch rechtzeittg eintreffen
wollten. Eine geraume Zeit führen wir in rasen-
der Eile durch die mondbeleuchteten engen Gehege
dcs dichten Waldes. Wir näherten uns rasch un-
serm Ziele und durften hoffen, in einer halben
Stunde daselbst zu sein. Plötzlich drang aus nicht
zu großer Ferne ein entsetzlicher Ton durch den Wald,
langgezogen, heiser und doch laut und schauerltch.

„Beim Teufel Wölfe!" schrie der Rittmeister, in-
dem er mir Peitsche und Letne, die er bis jetzt selbst
geführt, in bie Hände drückte und nach den Pistolen
griff, die zwischen uns auf dem Polster des Gesäßes
lagen.

Die Pferde witterten die Gefahr, ihre Mähnen
sträubten fich, tch hatte nicht nöthig, fie zur Eile
 
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