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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Septemberheft
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Amersdorffer, Alexander: Menzeliana: ein Jugendwerk von Adolf Menzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0018

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unsere Tage verblieben, nur von wenigen gekannt, für die
Menzel-Forschung verborgen. Die Identifizierung des
kleinen wohlbehaltenen Werkes ergab sich schon durch
seiue Herkunft aus der Magnus’schen Familie von
selbst, die nähere Untersuchung konnte sie nur bestä-
tigen.

Im Bildthema wie in vielen künstlerischen Besonder-
heiten ist die „Konsultation beim Rechtsanwalt“ dem
heute noch verschollenen „Familienrat“ aufs engste ver-
wandt. Ueber die Entstehung dieser beiden Arbeiten
schreibt Menzel am 1. Dezember 1837 an seinen Casseler
Freund Carl Heinrich Arnold:

„ . . . ich bin dieß ganze Jahr fast ununterbro-
chen beim Mahlen gewesen; soeben beendige ich
mein 4tes Bild [Der Familienrat], mein 3tes [Die
Konsultation beim Rechtsanwalt], zwar nur ein klei-
nes Ding, hatte aber einen ausgezeichneten Erfolg,
den ich nicht erwartet hätte; meine Lage ist hiernach
eben so schwierig, als wenn ich damit ganz durch-
gefallen wäre, im letzteren Falle hätte ich eine
Scharte auszuwetzen, im gegenwärtigen Fall habe
ich alle Kraft zusammen zu nehmen, nicht von der
Stange zu fallen, was mich noch tröstet ist: daß das
Ding nicht blos ein Glückswurf war, ich hatte lange
genug daran gedoktert, ich habe auch seiddem Be-
stellungen.“

Menzel, in der Oelmalerei ganz Autodidakt, hat sich
seine ersten Versuche auf diesem Gebiete sehr sauer
werden lassen. „Friihere vereinzelte Versuche, durch
Copiren der Technik mächtig zu werden, scheiterten
auch“, bemerkt er in seinem 1853 für die Akademie ver-
faßten Lebenslauf. Mit der ihm von Jugend auf inne-
wohnenden zielbewußten Energie überwand er aber alle
Schwierigkeiten des ihm ungewohnten Materials. Noch
über sein erstes Oelbild, die „Schachpartie“, erzählt er
in einem Brief an Arnold launig, er habe es erst dünn
begonnen, dann mit fingerdicker Farbe weitergemalt,
schließlich „sich zwar wieder moderiert, aber es ist
doeh halb geknetet und halb geknuzt worden.“ Dieses
erste Bild gehört zu den heute noch vermißten. Wie
rasch Menzel der Oeltechnik Herr geworden ist, das
zeigt schon sein zweites uns erhaltenes Bild „Der Feind
kommt“, das nichts mehr von dem Ringen des ersten
Versuchs ahnen läßt. Der malerische Vortrag ist schon
sicher und gewandt, v. Tschudi bezeichnete ihn mit
Recht in Einzelheiten als fast virtuos. Noch mehr gilt
dies von dem hier veröffentlichten dritten Jugendbild, der
„Konsultation beim Rechtsanwalt“, dessen malerische
Technik lcicht und flüßig, ja schon von einer gewissen
Routine ist. Das Vorbild der belgischen Malerschule ist
i;i ihm wie im „Familienrat“ unverkennbar. Die Durch-
füh.rung verweilt liebevoll beim Einzelnen. ist von großer
Feinheit, doch ohne alles Kleinliche, und trotz mancher
Befangenheit überrascht die bereits errungene malerische
Freiheit. Und iiberall, in den Händen und Köpfen zu-
mal, wie in den architektonischen Details des Hinter-
grundes bewährt sich die damals schon eminente Zei-
chenkunst Menzels.

Wie seine meisten anderen Jugendbilder, versetzt

auch dieses den dargestellten Vorgang in die Formen-
welt der Spätrenaissance, kleidet die Figuren in die
Tracht des 17. Jahrhunderts. Diese Vorliebe für eine
bunte, malerische Welt führt den Künstler aber nicht
zum äußerlichen Kostiimbild; an dem scharfen Heraus-
arbeiten des Physiognomischen, das für Menzel bei
einem anderen Jugendbild — wie er selbst betonte -—
das leitende Moment bildete, war dem Künstler nicht
weniger gelegen als am rein Malerischen und an dem
Problem der Beleuchtung, die im Vordergrund die
Köpfe ausdrucksvoll modelliert und durch eine zweite
Lichtquelle im Hintergrund die Figuren silhouettenhaft
vom Raume abhebt, zugleich malerische und raumbil-
dende Wirkung schaffend.

Kompositionell bauen sich die Bildelemente in
klarer, einfacher Disposition auf. Die Köpfe der Figu-

Menzel, Der Familienrat. Mit Genehmigung des Verlages
Bruckmann, München. Aus Tschudis „Menzel“

ren, die die untere Hälfte des Bildes einnehmen, sind in
einem ungleichseitigen Dreieck angeordnet, ganz so wie
im „Familientag“, während die Figuren selbst, die des
leicht vorgebeugten, sein Anliegen vortragenden Fdel-
manns, die der zurückgelehnten, aufmerksam zuhören-
den Rechtsgelehrten und die trennende Vertikale des
hinter den beiden stehenden Dieners ein wohl abgewo-
genes Spiel von harmonierenden und gegensätzlichen
Linien ergcben.

Leuchtend und farbenfreudig ist die koloristische Er-
scheinung des Bildes, jedoch ohne Buntheit die nur in
wenigen warmen Tönen gehaltenen Farbenskala. Zwei
orächtige Rot, ein gedämpftes Ziegelrot im Mantel des
Edehnannes und ein etwas kälteres Rot in der Lehne
des großen Stuhls, getrennt durch das Schwarzbraun des
Dienergewandes, halten sich die Wage. Das Stilleben
der Bücher und Urkunden hellt in warmgrauen Tönen
das Bild nach vorne hin auf, während luftig leichte Töue
die Architektur des Hintergrundes überspielen und sie
im einfallenden Licht verschwimmen lassen.

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