Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 7./8.1925/26
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1./2. Novemberheft
DOI Artikel:Moderne Bilder auf dem Kunstmarkt
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drückte ihn nieder, so daß Christophorus in große Angst
geriet und fürchtete umzukommen. Als er mit Mühe
entkommen war und den Fluß überschritten hatte,
setzte er den Knaben am Ufer nieder und sagte zu ihm:
„In große Gefahr hast Du mich, Knäblein, gebracht und
hast micli so gedriickt, daß ich, wenn ich die ganze
Welt getragen hätte, kaum eine schwerere Last hätte
verspüren mögen.“ Der Knabe antwortete ihm: „Wun-
dere Dicli nicht darüber, Chirstophorus, denn Du hast
nicht nur die ganze Welt auf Dir gehabt, sondern Du
Ernst Paul Hinckeldey,
mals fand Dürer in jenem prachtvollen, geistig erschau-
enden Auge des zurückgewendeten Christophorushaup-
tes und in der glückhaften Milde des Gotteskindleins
den vollen bildhaften Ausdruck für den Empfindungs-
komplex der inhaltsschweren Zwiesprache: Welch eine
Wucht? ! Gewaltig wie das Weltall ganz und gar! ? —
Ich bin der machtvollste Fiirst, den du so lange gesucht!
Unruhig war dein Herz, bis es ruhet in mir, deinem
Gotte. —
Des jungen Bildhauers Hinckeldey Christophorus-
Der lil. Christophorus
liast aucli den, der die Welt geschaffen hat, auf Deinen
Schultern getragen; denn ich bin Christus, Dein König,
dem Du bei diesem Werke dienst . . .“
Dies die Begebenheit in der Darstellung durch die
redende Kunst. Die bildende Kunst hat das dankbare
und durch einen gewissen Volksglauben zu weiter Ver-
breitung gebrachte Thema unendlich oft dargestellt.
Sie ist aber in verhältnismäßig nicht gar vielen Fällen
bis zur Tiefe des Problems durchgedrungen. Selbst
ein Dürer hat lange gebraucht, bis er zu der schönen
Fassung in dem Kupferstiche B. 51 — mit der Jahres-
zahl 1521 rechts unten — vorschreiten konnte. Erst da-
gruppe neben jenes Blatt des fünfzigjährigen Diirer zn
stellen, das müßte für eine kunstanatomische Caprice
gelten, wenn wir uns nicht klar darüber wären, daß ein
an innerer IJöhe verwandtes Künstlertum die beiden
Schöpfungen beseelt. Die Feststellung, bei Hinckeldey
sei alles anders als bei Dürer, wäre kein Einwurf, son-
dern im Gegenteil Einräumung, daß der Bildhauer aen
Erfordernissen inunanenter Gesetze aller Plastik ent-
sprochen hat. Sehr zweckmäßig bleiben z. B. bei dem
bildhauerischen, an keine landschaftliche Umgebung an-
gelehnten Werke die Beine schon von der Fußsohle an
sichtbar; es erwächst auf solche Weise gleicliaugen-
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geriet und fürchtete umzukommen. Als er mit Mühe
entkommen war und den Fluß überschritten hatte,
setzte er den Knaben am Ufer nieder und sagte zu ihm:
„In große Gefahr hast Du mich, Knäblein, gebracht und
hast micli so gedriickt, daß ich, wenn ich die ganze
Welt getragen hätte, kaum eine schwerere Last hätte
verspüren mögen.“ Der Knabe antwortete ihm: „Wun-
dere Dicli nicht darüber, Chirstophorus, denn Du hast
nicht nur die ganze Welt auf Dir gehabt, sondern Du
Ernst Paul Hinckeldey,
mals fand Dürer in jenem prachtvollen, geistig erschau-
enden Auge des zurückgewendeten Christophorushaup-
tes und in der glückhaften Milde des Gotteskindleins
den vollen bildhaften Ausdruck für den Empfindungs-
komplex der inhaltsschweren Zwiesprache: Welch eine
Wucht? ! Gewaltig wie das Weltall ganz und gar! ? —
Ich bin der machtvollste Fiirst, den du so lange gesucht!
Unruhig war dein Herz, bis es ruhet in mir, deinem
Gotte. —
Des jungen Bildhauers Hinckeldey Christophorus-
Der lil. Christophorus
liast aucli den, der die Welt geschaffen hat, auf Deinen
Schultern getragen; denn ich bin Christus, Dein König,
dem Du bei diesem Werke dienst . . .“
Dies die Begebenheit in der Darstellung durch die
redende Kunst. Die bildende Kunst hat das dankbare
und durch einen gewissen Volksglauben zu weiter Ver-
breitung gebrachte Thema unendlich oft dargestellt.
Sie ist aber in verhältnismäßig nicht gar vielen Fällen
bis zur Tiefe des Problems durchgedrungen. Selbst
ein Dürer hat lange gebraucht, bis er zu der schönen
Fassung in dem Kupferstiche B. 51 — mit der Jahres-
zahl 1521 rechts unten — vorschreiten konnte. Erst da-
gruppe neben jenes Blatt des fünfzigjährigen Diirer zn
stellen, das müßte für eine kunstanatomische Caprice
gelten, wenn wir uns nicht klar darüber wären, daß ein
an innerer IJöhe verwandtes Künstlertum die beiden
Schöpfungen beseelt. Die Feststellung, bei Hinckeldey
sei alles anders als bei Dürer, wäre kein Einwurf, son-
dern im Gegenteil Einräumung, daß der Bildhauer aen
Erfordernissen inunanenter Gesetze aller Plastik ent-
sprochen hat. Sehr zweckmäßig bleiben z. B. bei dem
bildhauerischen, an keine landschaftliche Umgebung an-
gelehnten Werke die Beine schon von der Fußsohle an
sichtbar; es erwächst auf solche Weise gleicliaugen-
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