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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1./2. Novemberheft
DOI Artikel:
Voss, Hermann: Ein unerkanntes Bild von Hans Baldung Grien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0128

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Stn uneekanntes Bi(d uon fians Baldung Qt?ien

oon

fievmann Voss

jas städtische Museum zu Erfurt bewahrt einen Altar-
flügel in schmalem tiochformat, auf dem einige
Szenen der Schöpfungsgeschichte in vertikal schichten-
der Kompositionsweise dargesteilt sind. Die Tafel —-
aus Erlenholz — mißt 185,5 crn in der Höhe und nur
62,5 cm in der Breite. Auf der Rückseite befindet sich
ein Renaissanceornament, das grau in grau gemalt ist.
Das Gemälde der Vorderseite ist bis auf einzelne Farb-
abblätterungen von leidlicher Erhaltung, scheint aller-
diiigs einer vorsichtigen Reinigung zu bediirfen. Als
seine Provenienz wird Erfurter Privatbesitz angegeben.

Der Katalog von 1924, von W. Kaesbaeh bearbeitet,
schreibt das interessante Werk einein ,,bis jetzt ander-
weitig nicht nachzuweisenden Meister“ zu, dessen Stil
„eine merkwiirdige Mischung der Art Lucas Cranachs
d. Ä. und italistisch-manieristischenElementen“ darstelle.
Die beigegebene Abbildung enthebt uns der Notwendig-
keit, uns über die Richtigkeit oder Lhirichtigkeit dieser
Charakteristik ausführlicher zu verbreiten; wir glauben
hingegen, daß der Stil aes Hans Baldung, und zwar in
der markanten Ausprägung seiner Spätzeit, auch in der
kleinen Reproduktion nicht verkannt werden kann.

Die Hauptdarstellung der ihrem Formate entspre-
chend gegliederten Altartafel ist die Erschaffung Adams
durch Gottvater. Die Auffassung dieser seltenen Szene
beweist den eigenwilligen und phantasievollen Künstler;
sie ist jenes Baldung würdig, von dem die Lebensalter
des Pradomuseums herrühren. Der Typus Gottvater
findet in einer Anzahl von Greisenköpfen in Baldungs
Werk Analogien, beispielsweise in dem Aristoteles des
bekannten Holzschnitts von 1513, dem hl. Joseph der
Geburt Christi von 1514 u. a. m.

Daran schließt sich — im Mittelgrunde gedacht und
folglich in kleinen Figuren — die Szene, wie Eva aus
dem schlafenden Adam geschaffen wird. Ein Bild mit
dieser Darstellung (im Germanischen Museum zu Nürn-
berg) wurde früher dem Meister zugeschrieben; es hat
alerdings nichts mit seinem Stiie gemein und weicht
von der Erfurter Fassung des gleichen Gegenstandes
völlig ab. Dagegen hat mit dieser eine von 1527 datierte
Federzeichnung in Stuttgart, Adam und Eva liegend dar-
stellend, manche Aehnlichkeit aufzuweisen. Noch wei-
ter im Hintergrund befindet sich die Erschaffung der
Tiere, mit der pathetischen Gebärde des beide Arme weit
ausbreitenden Gottvater. Von den einzelnen Tierarten
sind Löwe, Kamel, Schaf, Hund, Esel, Rind, Hirsch u. u.
iu sehr charakteristischer Weise wiedergegeben, die
Welt der Vögel natürlich nur andeutungsweise. In der
Mitte bemerkt man, bedeutsam hervorgehoben, das
symbolhafte Einhorn. Auch hier überall evidente Paral-

lelen zu bekannten Werken Baldungs, der ja unzweifel-
haft einer der besten Beobachter der Tierwelt unter den
alten deutschen Meistern gewesen ist.

Ueber die Zugehörigkeit des Altarflügels — der mit
aller Wahrscheinlichkeit als das Fragment eines um-

Hans Baldung, Die Erschafiung Adams. Museum in Erfurt
Phot. Bissinger, Erfurt

fangreichen Ganzen anzusehen ist — läßt sich vorder-
hand nichts Begründetes mutmaßen. im Zusammen-
hang mit der tibrigen künstlerischen Produktion Grien-
hansens darf er zeitlich wohl um 1530 oder noch später
in den dreißiger Jahren angesetzt werden. Vielleicht
gelingt es der gegenwärtig sehr aktiven Baidungfor-
schung mehr Liclit über das merkwürdigerweise der
Aufmerksamkeit der Spezialforscher entgangene Werk
zu verbreiten, auf dessen kunstgeschichtliche Bedeutung
wir an dieser Stelle nur in aller Kürze hinweisen wollten.

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