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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Maiheft
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Weigand, Edmund: Die kunstgeschichtliche Bedeutung des römischen Markttores in Milet
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Das Kunstgemeinschaftshaus: Äußerungen aus Künstlerkreisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0412

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volle Süblimierung des dinghaften Gehaltes bewirkt.
Möglich, daß wir hier einen allgemeiner gültigen Unter-
schied zwischen romanischem und germanischem For-
merleben streifen, wie er beispielsweise auch an der
erdigen Kraft Karl Hofers gegenüber der gespreizten
Delikatesse von Matisse deutlich werden kann.

Schön und ein wenig melancholisch ist so ein Win-
terabend am Untersee. Zarte Aeste dehnen sich in
feinem Gespinst vor spiegelklarer Wasserfläche, auf der
ganz verloren ein winziges Boot sichtbar wird, darüber
in ebenso verlorener grauer Einsamkeit eines Raub-
vogels Schwingen und am Ufer schließlich in weiter
grenzenloser Schneefläche tappt einsam ein Fuchs. Ein
Bild von so delikater Formung und Farbgebung, daß das
Ganze wie von japanischem Porzellan gelöst scheint.
Dietrich beherrscht die beiden formal entgegengesetzten
Gestaltungsweisen der Landschaftskunst: weite klare
Fläche, von zarten und energischen Linien sparsam um-
säumt und gedrängter Ueberfluß an Form mit vertikaler
Tendenz in den Raum geschichtet. Spiegelnde sich deh-
nende Seen und dichtgestopfte Blumen- und Krautgärten
zwischen gegiebelten Häusern, im Motiv oft etwas von
Mörike.

Ueberall ist tiefe Versenkung in den Gegenstand, die
beruhigt. Diesem Maler quillt Natürlichkeit des Erie-
bens zu wie Luft des Atmens. Seliges Unbeschwertsein
von romantischen Associationen: Völlig umweglos ist
die hindernisdrohende Strecke vom Sehen über das
Erleben zum Gestalten durchmessen. Der bezwingend

einleuchtende lineare Aufbau der Bilder unterstiitzt den
jubilierenden Klang der Farben, die nie abstrakt, immer
irdisch sind. Dazu kommt oft naturwissenschaftliche
Treue des Beobachters, eine jägerhafte Freude an ge-
nauem Nachspüren wechselvoller Naturstimmungen, ein
förmliches Einsaugen der Landschaft mit ihrem fröh-
lichen Wind und Wetter.

Ein eigenartiger Zwiespalt geht durch das ganze so
überaus eigenartige Schaffen dieses Malers: Bemühen
um Kleinstes und Geringstes, naturwissenschaftliches
Sichvertiefen in jedes Körnchen und Hälmchen, anderer-
seits ausgesprochenster, manchmal herrischer Wille zur
Zusammenballung, Vereinfachung der Form, so daß
einem mitunter das Gefühl kommt: hatte diese maleri-
sche Kraft — als frei strömende Kraft einmal vorge-
stellt — nicht gerade in dem Tagelöhner vom Untersee
ihr Domizil gefunden, wären nicht die oder jene Milieu-
einflüsse als maßgebend hervorgetreten, es wäre viel-
leicht etwas unerhört Großzügiges, Streitbares und
Neues geworden. So ist alles gedämpft von einer bäuer-
lichen Solidität, mancliem von uns vielleicht — die wir
an Kühnem und Allzukühnem heute nicht Mangel lei-
den — deshalb um so lieber.

Sein Schaffen lehrt uns auch: die allgemeine Vor-
stellung von der Pflicht des „Auslebens“ scheint doch
für einen Künstler nicht in jedem Falle zu stimmen.
Vielleicht weiß dieser Tagelöhner, der ein großer Künst-
ler ist, besser als die meisten heutigen Menschen, was
,,das Glück“ ist.

Das Kunüöemctnßbaftsbaus

Äußettungcn aus Kün{Het’Kt?etfen

Der Aufsatz von S. Margules, der unter dem Titel ,,W ie kann die Notlage der bildenden
K ü n s 11 e r b e h o b e n werden ?“ im April-Doppelheft des „Kunstwanderers“ erschienen ist und die
Anregung zur Schaffung eines Kunstgemeinschaftshauses gab, hat in den Kreisen der Berliner
Maler und Bildhauer starkes Interesse erregt. Der „Kunstwanderer“, der das Thema zur Diskussion stellte,
erhielt zahlreiche Zuschriften namhafter Künstler aller Richtungen. Wir teilen heute die uns freund-
lichst gesandten Aeußerungen der Künstler in jener Reihenfolge mit, in der die Zuschriften an unsere Redak-
tion gelangt sind, und behalten uns ein abschließendes Urteil über das Thema und sein Echo vor.

Die R e d a k t i o n d e s „K u n s t w a n d e r e r“.

Lesser Ury:

Ich finde den Vorschlag des Herrn Margules, ein
Kunstgemeinschaftshaus zu bauen, ganz ausgezeichnet,
und auch die Ausführungen und Hoffnungen, die er an
seine Darstellung knüpft, scheinen mir sehr gut
ausführbar. Hoffentlich gelingt es ihm, die Kunst-
freunde, auch in materieller Hinsicht, zu finden, um mit
ihnen das Kunstgemeinschaftshans bauen zu können.

*

Professor Emil Orlik:

Es würde mich freuen, wenn diese Pläne in die
Wirklichkeit umgesetzt würden, trotzdem ich das
Ganze fiir eine Utopie halte. Die Zeit, die gegenwär-

Professor Georg Kolbe:

Die Idee des Herrn Margules scheint mir durchaus
zeitentsprechend und deshalb gut. lhre Verwirklichung
könnte vielen Mängeln abhelfen. Aber auf die Qualität
kommt dann Alles an, wobei nicht an „Marmorportal“ zu
denken ist, sondern an eine Regie anspruchsvollster und
verantwortungsvollster Art, wenn das Unternehmen
der „Kunst“ nützen soll. Denn z. B. „Errichtung einer
Tanzbühne“: gehopst wird viel, in jeder Gymnastik-
schule werden besondere Eier ausgebrütet, die bereits
rudelweise zur Solobühne streben, und so ist es in allen
Zweigen der zu fördernden Kunst.

Starke Führung verantwörtungsvoller Männer, da-
von muß ausgegangen werden.

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