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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Benn, Joachim: Frankfurts Skulpturensammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0390

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Frankfurts Skulpturcnsammlung.

Vließ, als eine Arbeit von raffiniertem Wechsel zwischen nacktem und bekleidetem Körper: Diese Plastik setzt wieder
die tastende Hand in Bewegung, daß sie dem Muskelspiel nachtaste, aus dem sich der Körper aufbaut. Ganz
seltene Stücke besitzt die Sammlung noch in den beider: Arbeiten della Robbias, einem Halbrelief der Leda (Voll-
bild), die sich, weiß vor blauem Grund, in prachtvoll entwickelter Körperlichkeit in einen Rundbogen zwängt, von
dem weißen Schwan überflogen, der sich ihr mit gebogenem Hals in aller Zierlichkeit nähert; und einer großen
Altartafel mit einer schwebenden Madonna, die, von zwei Reihen fliegender Engel und einem Kranz von Engel-
köpfchen auf blauem Grund umgeben, zu zwei Gestalten unten einen Gürtel herunterreicht: Das Erstaunlichste
der Arbeiten ist trotz der klassischen Leistung, die sie als Körperbildung darstellen, die Bezwingung des Materials;
man fühlt fast körperlich, daß nur die Genialität eines einmaligen Künstlers es so vollkommen unterwerfen konnte,
daß es über die Grenze des handwerklichen Schaffens hinausgehoben, ein einziges Mal nun auch der ganz großen
Kunst dienen durfte.
Das Museum besitzt auch schon den Grundstock einer plastischen Sammlung aus der Barock- und Rokokozeit:
Der Wust wild aufgeworfener Kleiderfalten, die ausladenden Gebärden zeigen dem ersten Blick den Zusammenhang
mit der Kunst, die durch die Renaissance für eine Weile unterbrochen wurde; nur daß die doch Spuren hinter-
lassen hatte, nur daß die ursprüngliche Kraft, besonders die Innerlichkeit der ersten Bewegung geschwächt war,
mehr Wille zur großen Gebärde als innerlichste Notwendigkeit sprach, sodaß alles mehr dekorativen Charakter
gewann und in der reinen Schmuckkunst des Rokoko symbolisch auslief. Schöne Stücke sind die kleine Pieta-
Gruppe mit Engel aus dem Jahre 1680, der lebensgroße männliche Heilige, rosa mit goldenem Hüftentuch und
tiefrot gemalten Wundmalen, Christian Wenzingers Dlbergfiguren mit ihrer fabelhaften wenn auch rein malerischen
Verve, wozu prächtige Kleinarbeiten kommen; die Rokoko-Abteilung besitzt ein klassisches Stück in der Bronze-
statuette eines Mädchens von Falconet (Vollbild), in der Rundung der Gesamtkomposition, in dem ungeheuren
Stil der Einzelarbeit, etwa am Haar, etwas, was mit der Vollendung ostasiatischer Kleinkunst gleichsteht. Von
Erzeugnissen früherer Zeiten wären dazu noch die ägyptischen Gesichtsmasken der frühchristlichen Zeit zu nennen,
deren frappanter Naturalismus im Gegensatz zu Resten ägyptischer Stilisierung so raffiniert wirkt; weiter Klein-
arbeiten der gotischen Zeit aus Bronze und Silber. Aber es ist eine Welt, die sich in dieser Sammlung und
immer zu spiegeln sucht; die Eile einer Wanderung kann ihre Fülle doch nicht ausschöpfen, und was an An-
deutungen gegeben ist, mag als Leitfaden immerhin schon genügen, daß der Besucher vom Einzelnen immer wieder
zum Ganzen zurückfinde: Mehr war mit solch kurzem Streifzug nicht beabsichtigt. Joachim Benn.

K


Abb. 8. Kapital (Kalkstein). Italien, 12. Iahrh.
 
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